Als PDF-Datei herunterladen - Ärztblatt Sachsen-Anhalt
Als PDF-Datei herunterladen - Ärztblatt Sachsen-Anhalt
Als PDF-Datei herunterladen - Ärztblatt Sachsen-Anhalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Abb. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Kustodie<br />
Chirurgenwelt bekannte Carl Wilhelm Wutzer (1789 – 1863)<br />
vermag während seiner kurzen halleschen Amtszeit von<br />
1830 bis 1831 den durch Weinhold ramponierten Ruf der<br />
Klinik nicht entscheidend zu verbessern, da er bereits 1831<br />
einen Ruf nach Bonn annimmt. Dies gelingt erst Ernst Blasius<br />
(1802 – 1875) während seines halleschen Direktorats von<br />
1834 bis 1867. Die Klinik befindet sich seit 1821 in dem<br />
ehemaligen reformierten Gymnasium nördlich vom Dom an<br />
der Mühlpforte. Auch dieser neue Standort genügt bald nicht<br />
mehr den klinischen Erfordernissen. 1861 managt Blasius<br />
den Klinikumzug von der Mühlpforte auf den Dom platz 4,<br />
wo bereits seit 1842 die Medizinische Klinik untergebracht<br />
ist. Das neue Domizil wird der halleschen Bevölkerung<br />
unter der Bezeichnung „Vereinigte medizinisch-chirurgische<br />
Klinik “ bekannt. Welche Operationen fallen in den<br />
von Blasius geführten Kliniken an? In einem Rechenschaftsbericht<br />
von 1832 finden sich Äußerungen zu Arterienligaturen,<br />
Fremdkörperentfernungen, Exzisionen von Lidkarzinomen<br />
und Exstirpation von Lippenkarzinomen, Amputationen.<br />
Ferner tauchen Bemerkungen zu Frakturen der<br />
Schlüsselbeins, des Vorderarms und der Patella, zu Luxationen<br />
des Humerus und der Finger auf. Zu seinen bekanntesten<br />
Schülern zählen sein künftiger Nachfolger Richard<br />
Volkmann und der spätere Berner und Straßburger Ordinarius<br />
Georg-Albert Luecke (1829 – 1894). Blasius als Lehrer<br />
ist bei den Studenten beliebt gewesen. Bekannt wird er unter<br />
seinen Kollegen durch das 1830/32 erschienene „Handbuch<br />
der Akiurgie“ sowie durch die 1833 verlegten „Akiurgische<br />
Abbildungen“. Verdienste erwirbt er sich bei der erfolgreichen<br />
Anwendung der vor kurzem inaugurierten Äther- und<br />
Chloroformnarkose. In den 1860er Jahren zwingen Gelenkrheumatismus<br />
und Grauer Star ihn, um den vorzeitigen<br />
Ruhestand nachzusuchen. Dieser wird ihm 1867 von der<br />
vorgesetzten Behörde gewährt. Ohne dass sein Name mit<br />
einer Operationsmethode verbunden ist, schätzen die<br />
Kollegen am literarisch-produktiven Blasius dessen Beiträge<br />
zur plastischen Korrektur von Defekten der Nase, Lippen<br />
und Augenlider. Während der Amtszeit von Blasius löst sich<br />
in Halle die Augenheilkunde durch Karl-Alfred Graefe (1830<br />
– 1899) von der Chirurgie. Etwa zur gleichen Zeit befreit sich<br />
die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde durch Hermann Schwartze<br />
(1837 – 1910) von der Vormundschaft der Internisten und<br />
Chirurgen. Das Selbständigwerden beider Disziplinen hat<br />
Blasius aus pekuniären Gründen nicht unterstützt. Sein<br />
Schüler Richard Volkmann (1830 – 1889) übernimmt von<br />
ihm Ordinariat und Direktorat an der Klinik für den Zeitraum<br />
1867 bis 1889. Die am Domplatz 4 gelegene Einrichtung<br />
entspricht nicht mehr den Ansprüchen der Zeit. Volkmann<br />
setzt sich vehement für einen Neubau ein und kann diesen<br />
1879 in der heutigen Magdeburger Straße einweihen. Volkmann<br />
besitzt für mehrere unfallchirurgische Verfahren die<br />
Erstautorenschaft; desgleichen tragen zahlreiche Instrumente<br />
und orthopädische Hilfsmittel seinen Namen. Sein<br />
größtes Verdienst besteht darin, dass die Antisepsis in den<br />
operativen Disziplinen im Deutschen Kaiserreich sich<br />
durchgesetzt hat. Dafür nutzt er seine Führerschaft in der<br />
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und seine Herausge-<br />
Neuer Operationssaal der Chirurgischen Klinik der Universität<br />
Halle/Saale<br />
berschaft im Zentralblatt für Chirurgie. Zu Volkmanns<br />
bekanntesten Schülern zählt der Bonner Ordinarius Max<br />
Schede (1844 – 1902), der Groninger Ordinarius Hans-<br />
Rudolph Ranke (1849 -1887), der Freiburger Ordinarius<br />
Paul Kraske (1851 – 1930), der hallesche Unfallchirurg<br />
Maximilian Oberst (1849 – 1925), der Berliner Neurochirurg<br />
Fedor Krause (1857 – 1937). Dem Volkmann folgt in<br />
der Klinikleitung von 1889 bis 1913 der von der Kaiserfam ilie<br />
protegierte Fritz Gustav Bramann (1854 – 1913), einem<br />
Schüler des Berliner Ordinarius Ernst von Bergmann<br />
(1836 – 1905). Letzterer entwickelt zusammen mit seinem<br />
Assistenten Curt Theodor Schimmelbusch (1860 – 1895) die<br />
Prinzipien und Methoden der Asepsis zur Verhütung der<br />
lebensbedrohlichen Hospitalinfektionen. So verwundert es<br />
nicht, dass Bramann in der Chirurgischen Universitätsklinik<br />
Halle, einer Hochburg der antiseptischen Wundbehandlung,<br />
bald nach seinem Amtsantritt das aseptische Regime<br />
durchsetzt. Durch seine Ruhe und sein enormes Arbeitspensum<br />
gewinnt der 1891 geadelte Bramann bald die Achtung<br />
seiner Kollegen. In der Klinik setzt er umfangreiche Rekonstruktionen<br />
durch. Gemeinsam mit dem halleschen Neurologen<br />
Anton Gabriel (1858 – 1933) entwickelt er den<br />
Balkenstich zur Behandlung des Hydrocephalus. Diese<br />
Methode wird wegen ausbleibender Langzeitergebnisse in<br />
den 1930er Jahren wieder aufgegeben. Zu seinen Schülern<br />
gehören der hallesche Chirurg und Neurochirurg Alexander<br />
Stieda (1875 – 1966), der Zwickauer Chirurg Heinrich Braun<br />
(1862 – 1934), der Münsteraner Chirurg Conrad Ramstedt<br />
(1867 – 1963). Nach Bramanns frühem Tod übernimmt<br />
Victor Schmieden (1874 – 1945) 1913 für sechs Jahre die<br />
Klinikleitung, bis er 1919 den Ruf an die neu begründetete<br />
Universität in Frankfurt a. Main annimmt. Mit dem Namen<br />
von Schmieden verbinden die Chirurgen die fortlaufende<br />
Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 22 (2011) 4 79