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„Über zweihundert Mitwirkende der denkwürdigen ‚Meistersinger’-Aufführung zu Halberstadt 1910“. Hans Kehr (in der untersten Reihe vor<br />

dem Mittelportal des Stadttheaters) im Kreise der Bayreuthsänger, Chor und Orchester-Mitglieder, Statisten und Bühnenarbeiter.<br />

Bild: Köhler & Saemann<br />

Im Oktober 1890 gründete Hans Kehr<br />

gemeinsam mit seinem späteren<br />

Schwager, dem HNO-Arzt Dr. Richard<br />

Rhoden, eine erste Privatklinik im<br />

Lindenweg 25/26 in Halberstadt. Die<br />

Kapazität von anfangs 36 Betten wurde<br />

später auf 60 Betten erhöht.<br />

Innerhalb weniger Jahre konnte Hans<br />

Kehr neben chirurgischer Meisterschaft<br />

auf eine außerordentlich rege publizistische<br />

Tätigkeit zurückblicken. Er trat<br />

regelmäßig auf den Chirurgenkongressen<br />

in Berlin auf und berichtete<br />

über seine Ergebnisse bei Gallenoperationen<br />

sowie über Fehler und Gefahren<br />

bei diesen Eingriffen. 1894 referierte er<br />

auf dem Berliner Chirurgenkongress<br />

über Erfahrungen bei den ersten 700<br />

Gallenoperationen. Diesen folgen bis<br />

1916 weitere 2000 Eingriffe.<br />

Über die Zusammenarbeit zwischen<br />

Internisten und Chirurgen äußerte sich<br />

Hans Kehr folgendermaßen: „Der<br />

innere Mediziner und der Chirurg<br />

müssen sich in ihrer Tätigkeit gegenseitig<br />

ergänzen. Der Eine soll von dem<br />

Anderen lernen! Der Eine soll den<br />

Anderen in seiner Indikationsstellung<br />

kontrollieren. Mancher Chirurg<br />

braucht für seinen ‚Furor operativus’<br />

einen Dämpfer und mancher innerer<br />

Kollege für sein geringes Interesse an<br />

den Fortschritten der Bauchchirurgie<br />

einen Antrieb“.<br />

1903 begab sich Hans Kehr auf eine<br />

Vortrags- und Demonstrationsreise in<br />

die USA, wo er in Washington, Boston<br />

und Philadelphia sprach. Auf dem<br />

Chirurgenkongress in Washington fand<br />

er großen Beifall, auch seine dort<br />

durchgeführten Operationen fanden<br />

großen Anklang. Abwerbungen in die<br />

USA hielt er Stand, da er unbedingt in<br />

sein geliebtes Halberstadt zurückkehren<br />

wollte.<br />

Im Mai 1896 wird Otto Johannes Kehr<br />

zum Professor und im September 1905<br />

zum Geheimen Sanitätsrat ernannt.<br />

Spektakulär sind sein Ruf an das Krankenbett<br />

des französischen Ministerpräsidenten<br />

Pierre-Marie Waldeck-Rousseau<br />

im Jahre 1904, die Operation der<br />

Tochter des bedeutenden Berliner<br />

Chirurgen Ernst von Bergmann 1907<br />

sowie des Berliner Ordinarius für Chirurgie<br />

Otto Hildebrandt 1908.<br />

Neben der Liebe zur Chirurgie war<br />

Hans Kehr von einer tiefen Leidenschaft<br />

für Richard Wagner und seine<br />

Musik erfüllt. So träumte Kehr davon,<br />

in Halberstadt ein zweites „Bayreuth“<br />

für Wagner-Opern zu errichten.<br />

Außerdem verfolgte er ein Konzept des<br />

sogenannten „Volkstheaters“, welches<br />

von ärmeren Volksschichten kostenlos<br />

besucht werden sollte. Mit viel Fleiß<br />

und Zielstrebigkeit wurden ab 1904<br />

Wagner-Aufführungen in Halberstadt<br />

organisiert: 1904 zuerst „Siegfried“,<br />

dann „Tristan und Isolde“. 1905 erhielt<br />

Halberstadt ein neues schönes Stadttheater.<br />

Der Höhepunkt der nun<br />

alljährlich stattfindenden Wagner-<br />

Festspiele sollten die „Meistersinger<br />

von Nürnberg“ im Jahre 1910 werden.<br />

Neben den besten Wagner-Interpreten<br />

zur damaligen Zeit verpflichtete Kehr<br />

auch 120 ausgewählte Sänger des<br />

Domgymnasiums, des Lehrerseminars<br />

und des Musikvereins der Stadt. Die<br />

Inszenierung war zwar ein durchschlagender<br />

Erfolg, endete allerdings mit<br />

einem großen finanziellen Defizit. Die<br />

Stadtverordnetenversammlung verweigerte<br />

in der Folge den erbetenen<br />

Zuschuss und damit die Absicherung<br />

der Fortführung von Wagner-Festspielen<br />

im Sinne eines Volkstheaters.<br />

Verbittert und enttäuscht über diese<br />

Situation verließ Hans Kehr im Oktober<br />

1910 Halberstadt und siedelte nach<br />

Berlin um, wo er eine neue Privatklinik<br />

eröffnete. Am 20. Mai 1916 starb der<br />

dort an den Folgen einer Blutvergiftung,<br />

die er sich in Ausübung seiner<br />

operativen Tätigkeit zugezogen hatte.<br />

Seine letzte Ruhestätte hat Hans Kehr<br />

auf seinem Feriengrundstück in Gehl-<br />

Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 22 (2011) 4 83

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