Inhalt IPD_1_2008 - Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn

theoretiker Sarngardeva (13. Jahrhundert)
gesammelten 120 „Desi-Talas“ -
ist ein weiterer Beweis für die Liebe
Messiaens zum Symbol. Der Komponist
erzählt Claude Samuel, dass er
sich mit den in diesen Rhythmen enthaltenen
religiösen, philosophischen
und kosmischen Symbolen beschäftigt
habe. Zwar war für den Rückgriff
auf die Hindurhythmen zunächst einmal
entscheidend, dass sie unterschiedlich
lange Zeitwerte aneinander
reihen und die Summe der kleinsten
Werte häufig eine Primzahl ergibt.
Aber spätestens mit den Couleurs
de la cité céleste werden die
Rhythmen auch ihrem Symbolgehalt
entsprechen eingesetzt. So erscheinen
im zweiten Satz, der die Idee der
Auferstehung Christi zum Thema hat,
die Rhythmen simhavikrana und
vijaya. Der erste bedeutet „Löwenkraft“,
der zweite „Sieg“. Beide symbolisieren
so den Sieg, den Jesus Christus
durch seine Auferstehung über
den Tod errungen hat.
*
Die mitunter ungeheure Disparatheit
des verwendeten musikalischen Materials
(strengster Reihenkonstruktivismus
und quasi aleatorischer Vogelgesang)
und Kontrastreichtum des
klanglichen Erscheinungsbildes der
Musik (bruitistische Exzesse neben
lieblichen Sixte-ajoutée-Akkorden)
verraten eine ästhetische Grundhaltung,
die durchaus der Victor Hugos
verwandt ist, der sagt:
Die Kunst taugt nicht für Fesseln, Gängelbänder
und Knebel, sie sagt zum freien Mann:
geh, und entlässt ihn in jenen Garten der Poesie,
in dem es keine verbotenen Früchte gibt.
Im Sinne Berlioz ist Messiaen ein
durch und durch romantischer Komponist:
Die romantischen Komponisten haben auf ihre
Banner geschrieben: Freie Inspiration. Sie untersagen
nichts, von allem, was es im reich der
Musik geben kann, machen sie Gebrauch.
In seinen Beiträgen zu Olivier
Messiaen in der FAZ hat Gerhard R.
Koch mehrmals darauf hingewiesen,
dass der politisch eher links orientierte
und einer Ästhetik der Verweigerung
wohlfeilen Wohllauts verpflichtete
Komponist Matthias Spahlinger
einmal meinte: Messiaen bleibe doch
der schlechthin größte lebende Musiker
- wäre er nur auch noch Marxist.
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Im Blickpunkt