Inhalt IPD_1_2008 - Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn
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Im Blickpunkt<br />
Sauvage, schrieb, während sie mich erwartete,<br />
einen wundervollen Gedichtband über die<br />
Vormutterschaft mit dem Titel L´âme en<br />
bourgeon. Die Musik führt zurück in den Leib<br />
meiner Mutter. Während ihrer Schwangerschaft<br />
schrieb sie eine Gedichtsammlung; dort<br />
drückt sie ihre Gewissheit aus, einen Sohn zu<br />
erwarten, der Künstler, ja Musiker werden<br />
würde. Sagt sie doch in einem der Verse: „Je<br />
soufrre d’un lointain musical que j´ignore.“<br />
Hierauf gründet mein Glaube an die Vorherbest<strong>im</strong>mung.<br />
Messiaen war fest davon überzeugt,<br />
dass diese Gedichtsammlung, auf die<br />
er <strong>im</strong>mer wieder hinweist, seinen<br />
Charakter und sein ganzes Schicksal<br />
best<strong>im</strong>mt habe:<br />
Das lyrische Erwarten eines Kindes muss dessen<br />
Schicksal beeinflussen. Ich bin stolz auf<br />
dieses Buch. Es ist mein höchster Ehrentitel.<br />
Völlig überraschend ist, dass die Mutter<br />
Messiaens eine nichtreligiöse Frau<br />
war, ganz <strong>im</strong> Gegensatz zum Vater<br />
Messiaens, dem Anglisten Pierre<br />
Messiaen, der einem strengen Katholizismus<br />
huldigte. Was die Sauvage<br />
glaubte, zeigen die folgenden Worte:<br />
Wir leben <strong>im</strong> Universum wie in einem Käfig.<br />
Zuerst <strong>im</strong> Mutterleib, dann in der Wiege, in<br />
unseren Häusern, in unserem Schicksal, zuletzt<br />
<strong>im</strong> Sarg. Man mag schreien, man mag weinen,<br />
sich vergnügen, sich langweilen, nie entrinnt<br />
man dem Käfig.<br />
6<br />
Auf den Vorwurf ihres Mannes, Gott<br />
habe ihr die Gabe der Dichtkunst<br />
nicht verliehen, damit sie sie in Weinerlichkeit<br />
verkehre, entgegnete<br />
Cécile Sauvage:<br />
Du glaubst wohl, dass es Gott war, der die Poesie<br />
erfunden hat, es waren die Menschen - um<br />
sich Mut zu machen in ihrem Elend. Sieh’ dir<br />
die größten Lyriker an, die Propheten Israels.<br />
Was hat sie inspiriert? Besiegte zu sein, Gefangene,<br />
Menschen, die Hunger leiden und geschlagen<br />
werden; sie fanden Trost in der Hoffnung,<br />
ein Retter werde sie eines Tages zu<br />
Weltherrschern machen. Mir war <strong>im</strong>mer kalt,<br />
ich habe mich <strong>im</strong>mer allein gefühlt - meine<br />
Dichtkunst, sie ist meine Hoffnung.<br />
Die Hoffnungslosigkeit der Poesie der<br />
Sauvage steht in einem extremen<br />
Kontrast zum Werk ihres Sohnes, der<br />
kein Thema so oft besingt wie die<br />
Auferstehung, für den „das Leiden<br />
zwar auch existiert“, der aber „nur<br />
sehr wenige schmerzliche Stücke geschrieben“<br />
hat, weil er „dafür nicht<br />
geschaffen ist“.<br />
Neben dem Einfluss der Mutter war<br />
es besonders der Shakespeares, der<br />
für Messiaen wichtig wurde:<br />
Ich war <strong>im</strong>mer empfänglich für das Wunderbare,<br />
meine früheste Kindheit verstrich inmitten<br />
der Gedichte meiner Mutter und der Dramen<br />
Shakespeares, die diese Empfänglichkeit<br />
nur steigern konnten.