Herausgeber

Vitamine nach 1945
Wir Jungs hatten es nie ganz leicht und besonders die, die in
die Familien der Siedler im Grenzgebiet nach der Vertreibung
der Deutschen geboren wurden. Die Umgebung, in welche uns
unsere verehrten Eltern gebracht haben, war ganz anders als bei
den Omas, Tanten und Onkel im Inland. Die Welt war verkehrt.
Was in den Sudeten normal war, war in Nymburk oder in Kolín
auf den Kopf gestellt. Alles drehte sich über die Deutschen
und nach den Deutschen. Vom Topf in der Spüle bis zu den
Büchern, Bildern und Geschirr in der Anrichte. Die Dachböden
voller Reichtum, Schätze unter dem Fußboden versteckt.
Die Gärten, Wiesen, Felder, Hänge, Bäche, das Ufer der Neiße,
alles was Sie sehen war anders als dort woher unsere Eltern
herkamen. Dort, in der Heimat meiner Mutter verstanden es
die Leute überhaupt nicht. Hier verlief die Zeit noch anders.
Andere, schnellere, die ständig in Eile war, in alle Richtungen
sich beeilte und mächtig uns schüttelte. Alles, absolut alles war
hier anders. Alles drehte sich darum, dass sich niemand irrtümlich
anschießt, etwas Unbekanntes trinkt, etwas anzündet
und irgendwohin fällt. Um uns waren überall Fallen. Zugeschüttete
Schächten, Keller, Tunnel, die irgendwohin führten
und wer weiß woher.
Es waren hier Tiere, die nur Deutsch verstanden, Kinder
von Deutschen, die hier mit den Eltern blieben und Tschechisch
lernten. Es waren hier viele Mitschüler aus gemischten Ehen,
wo man zu Hause Deutsch sprach. Man konnte hier wunderbar
Briefmarken, Ansichtskarten, Patronen und erotische Zeitschriften
sammeln. Schon immer war es hier ein Paradies für
Jungs und soviel ich weiß auch für die Mädels.