Manuskript (pdf) - WDR 5

DOK 5 – Das Feature: 10./11.03.2013
Arme Irre – Zurück zur Nachkriegspsychiatrie?
O-Ton - Detlef Hartmann (Rechtsanwalt):
Wir hatten doch die Auseinandersetzung mit Udo Klausa! [...] Den hatten wir mal
in einem Prozeß als Zeugen, [...] und dann hab ich den befragt, wir hatten da
rausgekriegt, daß der im Dritten Reich ein Buch "Rasse und Wehrrecht"
geschrieben hatte, und da wurde dann auch deutlich, wie das ist, wenn man dann
tatsächlich mal die hochrangigen Tiere da hat. Dann fing ich an, dem Fragen zu
stellen: [bellt] "Gehört nicht zur Sache!" - "Ja doch, das gehört zur Sache, weil
Psychiatrie ja damals angefangen hat und es sind viele Leute umgekommen usw.
durch Nationalsozialisten, die im Amt geblieben sind usw." - [bellt] "Gehört hier
nicht zur Sache!"
Frage: Hat wer gesagt?
Der Richter! Udo Klausa also sozusagen, der "Herr über Rasse und Wehrrecht" -
der wurde geschützt!
Sprecherin:
Nicht nur Mitläufer und Täter waren aus der Nazizeit geblieben. Überlebt hatten auch
die Strukturen und eine Denkweise, die Menschen nach ihrem angeblichen "Wert" für
Staat und Gesellschaft bemaß. Psychisch und körperlich Kranke waren
sozialrechtlich nicht gleichgestellt - die Krankenkassen übernahmen für die
Behandlung psychisch Kranker nur einen Teil der Kosten; der Rest mußte von
Angehörigen beglichen werden. Gleichzeitig wurden Menschen mit geistiger
Behinderung - die ja nicht krank sind - wie psychisch Kranke behandelt und in den
gleichen Anstalten weggeschlossen. Heilpädagogische Heime gab es nicht. Die
meisten Mitarbeiter nahmen die Zustände hin.
O-Ton - Michael Haupt:
Und das war etwas, [...] das auch von Ärzten zum Beispiel oder auch von mir, der
ich da neu reinkam, zwar zunächst mal mit Entsetzen quittiert, aber dann mehr
oder weniger geduldet wurde; ich zieh da heute viele Parallelen zum Dritten Reich;
in Form einer Mitläuferschuldigkeit beteiligte man sich an der Aufrechterhaltung,
verdiente da sein Geld mit, an der Aufrechterhaltung von menschenunwürdigen
Zuständen.
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
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