Manuskript (pdf) - WDR 5

DOK 5 – Das Feature: 10./11.03.2013
Arme Irre – Zurück zur Nachkriegspsychiatrie?
Die Veränderungen waren gewaltig – aber sie gingen längst nicht so weit wie in
manchen anderen europäischen Ländern. Lothar Gothe und seine Mitstreiter wollten
die Psychiatrie abschaffen, weil sie Menschen in kapitalistische Verwertungsnormen
presse. Ihre Forderung blieb unerfüllt.
O-Ton - Rainer Kukla:
Es war 'n fundamentaler Unterschied insofern, als der SSK und Lothar Gothe
hatten, wenn man so will, den revolutionären Ansatz und sagten: Dieses ganze
System muß abgeschafft werden, es ist inhuman. Und der Ansatz von
Kulenkampff und allen, die sich jetzt auf der anderen Seite um Reform bemühten,
war eher so 'n reformistischer Ansatz, nach dem Motto: Es muß gelingen, in
kleinen Schritten die Situation so zu verändern in Richtung mehr Humanität, mehr
Therapie, usw. Und es gab 'ne ganz klare Auseinandersetzung insofern, als
Lothar Gothe zum Beispiel sagte: Wir werden Euch immer wieder beweisen, daß
dieses System nicht zu humanisieren ist.
O-Ton - Lothar Gothe:
Da habe ich dem versucht zu erklären, was der Unterschied zwischen unserer Art,
mit Menschen, mit psychisch Kranken, die's ja wirklich gibt, umzugehen, und ihrer,
seiner Art ist, daß er versucht, - zum Beispiel mit Einsperren oder durch
Psychopharmaka - die Leute wieder anzupassen. an die Verhältnisse, aus denen
sie kommen. Wenn aber die Verhältnisse, ham wir gesagt, die Krankheitsursache
sind, dann ist das ja zum Scheitern verurteilt, und dann produziert das die
Menschen, die sie selber Drehtürpatienten nennen: raus rein, raus rein. Und
deshalb war für uns das Wichtigste, diese neue Gemeinschaft zu schaffen, in
denen sie leben konnten, das war unser Medikament, wenn man so will, - also die
Verhältnisse zu ändern, in denen sie dann eben nicht ausflippen mußten oder
depressiv oder Selbstmordversuche machen mußten. Dat seh ich immer noch so.
O-Ton - LVR-Film Psychiatriegeschichte (& Musik):
"Diese Entwicklung der Rheinischen Psychiatrie, von der Institution hin zum
Menschen, vom zentralen Krankenhaus in die Gemeinde, ist ohne den
Landschaftsverband Rheinland nicht denkbar."
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
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