Manuskript (pdf) - WDR 5

DOK 5 – Das Feature: 10./11.03.2013
Arme Irre – Zurück zur Nachkriegspsychiatrie?
alten: Immer wieder entzündet sich die Kritik an der Anwendung von
Psychopharmaka und Zwang.
O-Ton - Friedrich Leidinger:
Die häufigste Anwendung überhaupt des Fixierens, die finden Sie in der
Gerontopsychiatrie übrigens, also bei alten Menschen, [...] Aus meiner Sicht ist
diese Diskussion über Zwang eine der zentralen Diskussionen zur Zeit. Und es ist
natürlich eigentlich keine medizinische Diskussion, keine fachliche Diskussion, es
ist eine Diskussion über Bürgerrechte!
Sprecherin:
Psychisch kranke Menschen haben die gleichen Bürger- und Freiheitsrechte wie
Gesunde, und die Gesellschaft trägt ihnen gegenüber Verantwortung, auch wenn
das Geld kostet - das ist eine der großen Errungenschaften der Psychiatriereform.
Heute widerspricht dem öffentlich niemand. Noch nicht. Denn in Zeiten knapper
öffentlicher Mittel werden die Kosten psychosozialer Versorgung mehr und mehr als
unproduktive Sozialausgaben wahrgenommen.
Hinzu kommt: Mißstände provozieren nicht mehr den gleichen Widerstand wie in den
siebziger Jahren. Ende der achtziger sind die Proteste des SSK gegen die
Psychiatrie abgeebbt. Unter anderem fehlte der direkte Kontakt zu Patienten, weil
Aktivisten fast überall Hausverbot hatten.
Kritik mobilisiert heute keine Öffentlichkeit mehr. Keiner besetzt das Büro eines
Dezernenten oder Klinikleiters. Dazu beigetragen haben auch die
Beschwerdestellen, auf die Verfechter der Psychiatriereform so stolz sind. Alix
Arnold:
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2012
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