NEUBAU UND SANIERUNG Quelle: Michael Nagel/BEHF Architekten Der mo<strong>de</strong>rne Bau in zentraler Lage in Wien bietet 42 Wohnungen unterschiedlicher Größe speziell für Wohngemeinschaften. 30 11 | 2012
Europa-Kolumne Neue Wohnform für Junge und Junggebliebene in Wien In <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Wiener Nordbahnhofs hat das Österreichische Siedlungswerk ein außergewöhnliches Projekt aus <strong>de</strong>r Taufe gehoben: Citycom2. Ein Wohngemeinschaftenhaus für alle – Künstler o<strong>de</strong>r Sportler genauso wie Rentner, Stu<strong>de</strong>nten o<strong>de</strong>r Alleinerziehen<strong>de</strong>. Gabriele Kunz freie Journalistin, Hamburg Das Wohngemeinschaftenhaus befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Leopoldstadt, nicht weit vom Zentrum Wiens entfernt. Es bietet 42 Wohnungen für Dreier-, Vierer, Fünfer- und Sechser-WGs. Die Zimmer sind zehn bis 15 m 2 groß und kosten zwischen 328,- und 380,- € Miete pro Monat inklusive Betriebskosten. Alle Räume sind einzeln abschließbar und verfügen über eine Terrasse, einen Balkon o<strong>de</strong>r eine Loggia. Für gemeinsame Aktivitäten gibt es eine teilmöblierte Wohnküche. Große Wohngemeinschaften sind mit mehreren kleinen Ba<strong>de</strong>zimmern und WCs ausgestattet. Zusätzlich sorgen Gemeinschaftsräume wie Dachterrasse, Sauna, Fahrradwerkstatt, Café o<strong>de</strong>r Fitnessraum sowie ein großer Garten mit Kin<strong>de</strong>rspielplatz und Liegen für Freizeit- und Kommunikationsmöglichkeiten. Hinzu kommen ein gemeinschaftlich nutzbarer Waschsalon und ein Musikproberaum. An<strong>de</strong>rs als sonst üblich bekommt je<strong>de</strong>r WG-Bewohner einen eigenen unbefristeten Mietvertrag. Zieht jemand aus, hat die Wohngemeinschaft das Recht, einen neuen Bewohner vorzuschlagen. Kostengünstige Zimmer für Junge und Junggebliebene Mit Citycom2 will das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) eine neue Wohnform für junge und junggebliebene Menschen för<strong>de</strong>rn. „Eine Wohnform, die einerseits das Zusammenleben von BewohnerInnen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft begünstigt, an<strong>de</strong>rerseits eine Zugangsmöglichkeit zum geför<strong>de</strong>rten und letztlich leistbaren Wohnen schafft“, so Michael Pech vom Vorstand <strong>de</strong>r ÖSW. Citycom2 entstand innerhalb <strong>de</strong>s Stadtentwicklungsprojekts Nordbahnhof, in <strong>de</strong>m ein 75 ha großes ehemaliges Bahnhofsgelän<strong>de</strong> bis 2025 mit rund 10.000 Wohnungen bebaut wer<strong>de</strong>n soll. Innerhalb dieses Vorhabens ging Citycom2 als eines <strong>de</strong>r Siegerprojekte aus <strong>de</strong>m Bauträgerwettbewerb „Junges und kostengünstiges Wohnen“ hervor. Entworfen hat das Projekt das Wiener Architekturbüro BEHF, wobei zu Citycom2 nicht nur das Wohngemeinschaftenhaus, son<strong>de</strong>rn auch zwei Apartmenthäuser mit 98 Wohnungen gehören. Die Stadt Wien för<strong>de</strong>rte bei<strong>de</strong>s mit insgesamt rund 7,4 Mio. €. Die Gesamtbaukosten betrugen 21 Mio. €; davon entfielen auf das Wohngemeinschaftenhaus 11 Mio. €. Das Möbelhaus IKEA stattete – als Partner <strong>de</strong>s Bauträgers ÖSW – alle WG-Küchen aus. Nach an<strong>de</strong>rthalb Jahren Bauzeit zogen im Dezember 2011 die ersten Mieter ein. Und wie fan<strong>de</strong>n Interessenten die für sie geeignete Wohngemeinschaft? Sie besuchten Treffen, so genannte Roomie Lounges, bei <strong>de</strong>nen sie Gleichgesinnte kennen lernen und sich zu einer Wohngemeinschaft zusammenfin<strong>de</strong>n konnten. Diese Treffen fan<strong>de</strong>n bereits während <strong>de</strong>r Bauzeit statt; bis Mitte 2012 gab es noch einen wöchentlichen Jour fixe. Mo<strong>de</strong>riert wur<strong>de</strong>n die Treffen von Stadtsoziologen <strong>de</strong>s Büros wohnbund:consult. Sie sorgten auch dafür, dass sich die WGs im Anschluss daran selbst organisierten und ein Mieterbeirat mit WG-Sprechern gebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Online kommunizieren und organisieren Kommunikation spielt eine große Rolle im Wohnprojekt und sie orientiert sich an <strong>de</strong>n Gepflogenheiten junger Menschen. Das ÖSW hat für Citycom2 nicht nur eine eigene Website geschaffen. Damit sich die Bewohner <strong>de</strong>r Apartments und <strong>de</strong>r Wohngemeinschaften austauschen können, ist Citycom2 auch auf Facebook und Twitter vertreten. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r Citycom2-Website ein Intranet eingerichtet, um Gemeinschaftsräume reservieren und Aktivitäten planen zu können. Das Intranet dient darüber hinaus zur Kommunikation mit <strong>de</strong>r Hausverwaltung, als Tauschbörse, schwarzes Brett und als Möglichkeit, verschie<strong>de</strong>nste Dienstleistungen anzubieten. Wer privat nicht online ist, kann einen Intranet-Terminal im Foyer nutzen. Mittlerweile sind alle WG-Zimmer vermietet. Rund die Hälfte <strong>de</strong>r Wohnungen wur<strong>de</strong> an Interessentengruppen vergeben, die sich schon vorher kannten, <strong>de</strong>r Rest an Einzelpersonen. Die jüngste Bewohnerin ist 18 Jahre alt, <strong>de</strong>r Älteste ist 47. Die Bewohner sind Stu<strong>de</strong>nten, Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, Angestellte und Selbstständige. Es überrascht kaum, dass die Jungen unter ihnen die Mehrheit bil<strong>de</strong>n. Der Bauträger wür<strong>de</strong> sich aber freuen, wenn bald mehr „junge Ältere“ <strong>de</strong>n Weg in das Projekt fin<strong>de</strong>n. 11 | 2012 31