Heft 3/2008
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ANDRESEN – virtuelle Diskurse<br />
deutsch-völkische Aspekt, Kulturpessimismus, Großstadt-Flucht, die ländliche<br />
Welt als Gegenbild der verhassten Moderne, regressive Motive<br />
der Heimatkunstbewegung u.a. Entscheidend bei alledem: der Einfluss<br />
des Kunst-Ideals von Julius Langbehn auf Worpsweder Künstler wie<br />
Otto Modersohn und Fritz Mackensen! Deren Verehrung des Buches<br />
Rembrandt als Erzieher ging so weit, dass sie sich die Ideen des Anfangskapitels<br />
Deutsche Kunst programmatisch zu eigen machten. Langbehn<br />
fordert dort einen Lokalismus der deutschen Kunst, d.h. Treue des<br />
Künstlers zum heimatlichen Boden, aus dem er stammt – ein Kunstschaffen,<br />
das dem Geist der Scholle verhaftet bleibt und damit dem schädlichen<br />
Internationalismus der Kunstszene entgeht. Solcher Lokalismus<br />
bringt den Typus des niederdeutschen Malers hervor, den Langbehn<br />
am reinsten in Rembrandt verkörpert sieht. Auf dies Kunstideal beruft<br />
sich ausdrücklich Modersohn, wenn er sein eigenes Kunst-Programm<br />
einleitend so definiert: Gegenstand ist besonders einfache Ländlichkeit.<br />
Sein Hauptcharakter: bäuerlich, plattdeutsch, niederdeutsch. Dabei ist niederdeutsch<br />
mehr als nur ein sprachlicher Topos. Es bezeichnet einen<br />
Kulturtyp, der sich an vorindustriellen Leitbildern orientiert und mit der<br />
Abwendung von urbaner Zivilisation auch Liberalität und Demokratie<br />
verwirft. Nicht zufällig war Modersohn auch Propagandist der Heimatschutzbewegung,<br />
die in ihren Publikationen die Worpsweder Malerei<br />
als Inbegriff der bodenständigen Kunst Niedersachsens pries. Dass diese<br />
Bewegung – neben anderen – zwischen 1890 und 1933 dem Faschismus<br />
den Weg bereitete, kann nicht mehr verneint werden.<br />
Rembrandt als Urtyp des Niederdeutschen! Immer schon ging das Interesse<br />
norddeutscher Ideologen an holländisch-flämischer Kultur über<br />
die bloße Sprachverwandtschaft hinaus. Spätestens seit 1933 hatte es<br />
seine linguistische Unschuld verloren. Wie sich das in unserer Zeitschrift<br />
niederschlug, untersucht der Vortrag des Germanisten Volker Georg:<br />
Niederländisch im ´Quickborn´ 1933-1945. Mehr als eine Nachbarsprache?<br />
10 Georg zeigt die quantitative Zunahme von Beiträgen zu diesem<br />
Bereich seit 1933. Inhaltlich geht es von tendenziöser Darstellung der<br />
völkischen Bewegung in Flandern und Holland über diffamierende und<br />
antijüdische Propaganda bis zur offenen Unterstützung expansionistischer<br />
Pläne. Nach deren Erfüllung durch den Überfall deutscher Truppen auf<br />
Holland und Belgien wird die Stammesverwandtschaft betont und ein<br />
besseres Verständnis zwischen den beiden germanischen Völkern gefordert.<br />
Im ganzen hielt sich die ideologische Infiltration beim Quickborn<br />
in Grenzen. Die Tonart blieb moderat. Den bürgerlichen Lesern<br />
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Quickborn308-1.Korr.<br />
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22.09.<strong>2008</strong>, 9:49 Uhr