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Heft 3/2008

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Barockes Plattdeutsch – SCHÜPPEN<br />

erklärt, dass er zwar erst gemeint habe, Mundarten gäben der Sprache<br />

Kraft, aber als er im holländischen Leiden studiert habe, habe er<br />

sich ”größerer Strenge verschrieben.” Grass lässt dann die abschließende<br />

(und wohl auch seine eigene) Meinung durch Grimmelshausen<br />

äußern, den späteren Verfasser des bekanntesten deutschen Barockromans<br />

”Simplicius Simplicissimus”,: ”Er könne den Sprachstreit nicht<br />

begreifen, Laurembergs Poem habe doch jedem Ohr den Beweis gegeben,<br />

wie hübsch das platte Maulwerk zum gestelzten Gerede klinge.<br />

Also solle beides nebeneinander und gemischt Bestand haben. Wer<br />

immerfort nur reinlich halte und dem Besen zuspreche, der kehre am<br />

Ende das Leben aus.”<br />

Günter Grass’ Versuch, Barocksprache nachzugestalten, klingt überzeugend.<br />

Sein ”Treffen in Telgte” passt zu dem nach 1945 intensiven literaturwissenschaftlichen<br />

Barockstudium und einem neuen lebendigen Interesse<br />

an barocker Kunst und Musik. Der derbe und drastische moderne<br />

Dichter zeigt dabei einen Unter- und Hintergrund von ”Restauration”,<br />

Wiederherstellung alter Anfänge wie nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Den Barockdichtern gesteht er Lebendigkeit und Offenheit zu und macht<br />

deutlich, dass man verschiedener Meinung sein kann, Streit kein Unglück,<br />

sondern Voraussetzung für ”Fortschritt”, bessere Erkenntnis ist.<br />

An Laurembergs Reimen nörgelt man bei Grass zwischen den Lesungen.<br />

(S.37) Man findet in dessen langem Gedicht – außer im Vorspann!<br />

– immer 12-silbige Alexandriner, wie man sie in Frankreichs ”klassischer”<br />

Theaterdichtung hatte. Sie lassen sich weit zurückführen bis in<br />

die alten griechischen Erzählungen von Homer, wo sie ”Hexameter”<br />

heißen, die vom Eutiner Voß um 1800 gelungen verdeutscht wurden<br />

und Wirkung in ganz Europa taten, von ihm selbst wieder plattdeutsch<br />

verwendet. Lauremberg ordnet sich in die europäische Literaturtradition<br />

seiner Zeit ein. Er schreibt plattdeutsch, aber er schreibt raffinierte<br />

Verse, mit raffinierten Einschnitten, die man überall sehr dramatisch<br />

lesen kann:<br />

Sülke hocherlüchtede Rede / de nu ist upgekamen<br />

Bringet den nien Poeten einen ewigen Nahmen.<br />

Idt is nu lacherlick / schriven dat jederman<br />

Ja ock ein Schoster edder old Wyff vernehmen kann.<br />

Man moet sine Fedder hoch awer de Lufft upschwingen /<br />

Und mit Poetischen Stil dörch de Wulken dringen.<br />

Dat is nu de Maneer. – Ick blive bi dem olden /<br />

49<br />

Quickborn308-1.Korr.<br />

49<br />

22.09.<strong>2008</strong>, 9:49 Uhr

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