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NETZWERK-MACHT: DIE SOUVERÄNITÄT DER USA 187<br />

Imperialismus der Dritten Französischen Republik ähnelten (vgl. dazu Iriye<br />

1977). Dieser imperialistische Weg führte zum Kolonialabenteuer der USA<br />

auf den Philippinen. »Es ist unsere Pflicht gegenüber den Menschen, die in<br />

Barbarei leben«, so verkündete Roosevelt, »dafür zu sorgen, dass sie von<br />

ihren Ketten befreit werden.« Jedes Zugeständnis gegenüber Befreiungsbewegungen,<br />

das unzivilisierten Völkern wie den Filippinos die Möglichkeit<br />

geben würde, sich selbst zu regieren, wäre demnach »ein internationales<br />

Verbrechen« (Ninkovich 1986, 232f.). Roosevelt vertraute wie schon Generationen<br />

von europäischen Ideologen vor ihm auf den Begriff der<br />

»Zivilisation« als angemessene Rechtfertigung für imperialistische Eroberung<br />

und Herrschaft.<br />

Wilson schlug einen vollkommen anderen Weg ein. Sein Projekt der internationalen<br />

Ausweitung der Netzwerk-Macht, wie sie in der amerikanischen<br />

Verfassung formuliert war, war eine konkrete politische Utopie. Nirgends<br />

wurde Wilsons Interpretation der amerikanischen Ideologie so sehr<br />

verspottet wie in Europa zur Zeit des Versailler Vertrags, doch auch in den<br />

USA hielt man nicht besonders viel davon. Zwar war es so, dass der amerikanische<br />

Beitritt zum Völkerbund, der zur ruhmreichen Krönung des<br />

Wilsonschen Projekts eines europäischen und weltweiten Friedens werden<br />

sollte, stets am Veto des Kongresses scheiterte; doch seine Vorstellung von<br />

einer Weltordnung, die auf einer Ausweitung des amerikanischen Verfassungsprojekts<br />

gründete, die Vision eines Friedens als Ergebnis eines neuen<br />

weltweiten Mächte-Netzwerks war ein machtvolles und lange fortwirkendes<br />

Vorhaben (vgl. dazu Knock 1992). Es entsprach der ursprünglichen Logik<br />

der amerikanischen Verfassung und deren Vorstellung von einem expansiven<br />

Empire. Die europäischen Modernisten konnten nicht umhin, sich über<br />

diesen Vorschlag eines postmodernen Empire lustig zu machen: Die Geschichtsbücher<br />

sind voll von ironischen Bemerkungen und scharfen Angriffen<br />

von Georges Clemenceau und Lloyd George, aber auch von Seiten der<br />

Faschisten; sie alle verkündeten, dass die Zurückweisung von Wilsons<br />

Projekt zu den Kernelementen ihrer eigenen diktatorischen und kriegerischen<br />

Bestrebungen gehörte. Doch der damals so böse verleumdete Wilson<br />

erscheint heute in einem ganz anderen Licht: ein Utopist, ohne Zweifel, der<br />

aber die schreckliche Zukunft, die dem Europa der Nationen in den folgenden<br />

Jahren beschert sein sollte, scharfsichtig erkannt hat; der Begründer<br />

einer Weltfriedensregierung, die sicherlich nicht zu verwirklichen war, deren<br />

Vision sich aber gleichwohl als wirksamer Antrieb beim Übergang zum<br />

Empire erwiesen hat. All das ist wahr, auch wenn Wilson selbst das nicht

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