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TEIL - Monoskop

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288 PASSAGfN DER PRODUKTION<br />

sein, mit ihren Gegnern unter militärischen und technologischen Gesichtspunkten<br />

Schritt zu halten, doch gelang es dem System nicht, den Wettbewerb<br />

auf der Seite der Subjektivitäten durchzustehen. Sie konnte, mit anderen<br />

Worten, genau da nicht mithalten, wo die wirklichen Konflikte um die<br />

Macht ausgetragen werden, und sie konnte sich den Herausforderungen des<br />

ökonomischen Systemvergleichs, was die Produktivität angeht, nicht stellen,<br />

weil fortgeschrittene kybernetische und Kommunikationstechnologien<br />

nur dann effizient sind, wenn sie auf Subjektivität beruhen, oder vielmehr,<br />

wenn produktive Subjektivität sie belebt. Für das sowjetische Regime war<br />

es so eine Frage von Leben oder Tod, über die Macht der neuen Subjektivitäten<br />

zu verfügen.<br />

Unserer Hypothese nach war es, nach den dramatischen letzten Jahren<br />

von Stalins Regime und den gescheiterten Reformen unter Chruschtschow,<br />

die Herrschaft Breschnews, die eine produktive Zivilgesellschaft mit einem<br />

hohen Entwicklungsniveau einfror, die nach der gewaltigen Mobilisierung<br />

der Produktivität im Krieg auf soziale und politische Anerkennung drängte.<br />

In der kapitalistischen Welt waren es die massive Propaganda des Kalten<br />

Kriegs und die ideologische Fälschungs- und Desinformationsmaschine, die<br />

uns davon abhielten, die wirklichen Entwicklungen in der sowjetischen<br />

Gesellschaft und die sich dort entfaltende politische Dialektik wahrzunehmen.<br />

Die Ideologie des Kalten Kriegs nannte diese Gesellschaft totalitär,<br />

doch war sie in Wahrheit eine von starken und vielfaltigen Momenten der<br />

Kreativität und Freiheit durchzogene Gesellschaft, ebenso stark wie die<br />

Rhythmen ökonomischer Entwicklung und kultureller Modernisierung. Die<br />

Sowjetunion ist besser als bürokratische Diktatur denn als totalitäre Gesellschaft<br />

zu begreifen (vgl. Trotzki 1935; Berger 1990, 1991a, 1991b). Und<br />

nur. wenn wir diese verzerrten Definitionen hinter uns lassen, können wir<br />

erkennen, wie die politische Krise in der Sowjetunion bis zu dem Punkt, an<br />

dem sie schließlich das Regime begrub, produziert und reproduziert wurde.<br />

Der Widerstand gegen die bürokratische Diktatur trieb die Krise an. Die<br />

Arbeitsverweigerung des sowjetischen Proletariats war tatsächlich die gleiche<br />

Kampfmethode wie die, die das Proletariat in den kapitalistischen Ländern<br />

einsetzte; sie trieb die Regierungen in den Zyklus aus Krise, Reform<br />

und Restrukturierung. Das ist unser Punkt: Trotz des Entwicklungsrückstands<br />

des russischen Kapitalismus, trotz der enormen Verluste im Zweiten<br />

Weltkrieg, trotz der relativen kulturellen Isolation und des relativen Ausschlusses<br />

vom Weltmarkt, trotz einer grausamen Politik, die der Bevölkerung<br />

Gefängnis, Hunger und Mord brachte, und trotz der gewaltigen Unter-

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