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IMPERIALE SOUVERÄNITÄT 215<br />

Bartleby immer und immer wieder ganz ruhig: »Ich möchte Heber nicht.«<br />

Melvilles »Held« fugt sich ein in eine lange Tradition der Arbeitsverweigerung.<br />

So gut wie jeder Arbeiter will sich natürlich in gewisser Weise der<br />

Autorität seines Chefs verweigern, doch Bartleby treibt dies bis zum Äußersten.<br />

Er widersetzt sich nicht dieser oder jener Aufgabe und begründet seine<br />

Verweigerung auch nicht ­ er lehnt einfach in passiver und absoluter<br />

Weise ah. Bartlebys Verhalten ist in der Tat entwaffnend, zum Teil, weil er<br />

so gelassen und ernsthaft ist, mehr aber noch, weil seine Verweigerung so<br />

unbestimmt ist, dass sie absolut wird. Er möchte schlicht und einfach lieber<br />

nicht.<br />

Angesichts von Melvilles großer Vorliebe für Metaphysik verwundert es<br />

nicht, dass Bartleby ontologische Deutungen provoziert hat (Deleuze<br />

2000a; Agamben 1993). Seine Verweigerung ist so absolut, dass er als<br />

vollkommen leer erscheint, als ein Mann ohne Eigenschaften oder, wie die<br />

Renaissancephilosophen sagen würden, als homo tantum, als bloßer<br />

Mensch und nichts sonst. Bartleby stellt sich uns in seiner reinen Passivität<br />

und in seiner Verweigerung alles Partikularen als generisches Sein dar, als<br />

Sein an sich, als Sein und nichts sonst. Und im Verlaufe der Erzählung verkommt<br />

er so sehr ­ und nähert sich immer weiter der nackten Humanität,<br />

dem nackten Leben, dem nackten Sein ­, dass er tatsachlich verschwindet,<br />

sich auflöst inmitten des berüchtigten Gefängnisses von Manhattan, den so<br />

genannten Grabern.<br />

Michael K., die Hauptfigur in J.M. Coetzees wunderbarem Roman Leben<br />

und Zeit des Michael K., ist ebenfalls eine Figur der absoluten Verweigerung.<br />

Doch während Bartleby unbeweglich ist und in seiner Passivität<br />

fast versteinert wirkt, ist K. immer auf den Beinen, immer in Bewegung<br />

Michael K ist Gärtner, ein einfacher Mensch, so einfach, dass er nicht von<br />

dieser Welt zu sein scheint In einem fiktiven Land, das vom Burgerkrieg<br />

zerrissen ist, wird er ständig durch Amtsschalter, Schlagbaume und Kontrollposten<br />

aufgehalten, die von der Autorität errichtet wurden, doch er<br />

schafft es immer wieder, ihnen ganz ruhig auszuweichen, in Bewegung zu<br />

bleiben. Michael K. bleibt nicht um der standigen Bewegung willen in Bewegung<br />

Die Schranken behindern nicht nur die Bewegung, sie scheinen<br />

auch das Leben zum Stillstand zu bringen, und so verweigert er sich ihnen<br />

absolut, um das Leben in Bewegung zu halten. Das einzige, was er will, ist,<br />

Kurbisse anzubauen und sich liebevoll um deren sich windende Ranken zu<br />

kummern. K. 's Verweigerung gegenüber der Autorität ist ebenso absolut<br />

wie diejenige Bartlebys, und diese Absolutheit und Einfachheit erheben

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