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TEIL - Monoskop

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VIRTUALITÄTEN 363<br />

Die große metaphysische Tradition des Abendlandes hat das Unermessliche,<br />

das Maßlose stets verabscheut. Von Aristoteles' Theorie der Tugend<br />

als Maß (Brague 1982) bis hin zu Hegels Theorie des Maßes als Schlüsselelement<br />

für den Übergang von der Existenz zur Essenz (Hegel 1812/16) -<br />

immer war die Frage des Maßes unauflösbar mit der transzendenten Ordnung<br />

verknüpft. Selbst Marx' Werttheorie zollt dieser metaphysischen Tradition<br />

ihren Tribut: Seine Werttheorie ist in Wirklichkeit eine Theorie des<br />

Wertmaßes. 1 Doch vor dem ontologischen Horizont des Empire befindet<br />

sich die Welt endgültig außerhalb des Maßes, und hier können wir deutlich<br />

erkennen, welch tiefen Hass die Metaphysik gegenüber dem Unermesslichen<br />

hegt. Er rührt her von der ideologischen Notwendigkeit, die Ordnung<br />

trän szendent-ontologi seh zu begründen. So wie Gott für die klassische<br />

Transzendenz der Macht vonnöten ist, so bedarf man des Maßes, um die<br />

Werte des modernen Staates transzendent zu begründen. Wenn es kein Maß<br />

gibt, so die Metaphysiker, dann gibt es keinen Kosmos, keine kosmische<br />

Ordnung; und wenn es keinen Kosmos gibt, dann gibt es auch keinen Staat.<br />

In diesem Rahmen lässt sich das Unermessliche nicht denken, oder genauer:<br />

man darf es nicht denken. Die gesamte Moderne hindurch belegte man das<br />

Unermessliche in einer Art epistemologischer Prohibition mit einem absoluten<br />

Bann. Diese metaphysische Illusion löst sich heute jedoch auf, denn<br />

im Kontext der biopolitischen Ontologie und ihrer Folgen ist nun gerade<br />

das Transzendente undenkbar geworden. Wenn politische Transzendenz<br />

heute noch in Anspruch genommen wird, so verkommt sie unmittelbar zu<br />

Tyrannei und Barbarei.<br />

Wenn wir vom Unermesslichen sprechen, so meinen wir damit, dass die<br />

politischen Entwicklungen des imperialen Seins außerhalb jedes vorher<br />

festgelegten Maßes liegen. Wir meinen damit, dass die Beziehungen zwischen<br />

den Seinsweisen und den Machtsegmenten fortlaufend neu konstruiert<br />

werden und dass sie unendlich variieren. Die Gradmesser der Befehlsgewalt<br />

werden (wie diejenigen des Ökonomischen Werts) auf der Grundlage<br />

stets kontingenter und rein konventioneller Elemente bestimmt. Zwar gibt<br />

es sicherlich Gipfel- und Höhepunkte imperialer Macht, die dafür sorgen,<br />

dass die Kontingenz nicht subversiv wird, dass sie sich nicht mit den Stürmen<br />

vereint, die sich auf den Meeren des Seins erheben - Gipfelpunkte wie<br />

etwa das Monopol auf Atomwaffen, die Kontrolle über das Geld und die<br />

Kolonisierung des Äthers. Diese hoheitlichen Einrichtungen des Empire<br />

gewährleisten, dass die Kontingenz zu einer Notwendigkeit wird und nicht<br />

zum Chaos fuhrt. Diese höheren Mächte repräsentieren jedoch keine Ord-

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