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Nachruf - Welcker-online.de

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heit, wird hier vom Wesen bewirkt. Auch hat man wohl noch von keinem Generaldirektor<br />

gehört, <strong>de</strong>r seinen Angestellten knapp vor <strong>de</strong>r Generalversammlung<br />

in einem Merkzettel zum Stehlen Mut gemacht hätte, auch wenn er sich<br />

selbst in <strong>de</strong>m Fach gut auskennen sollte. In <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn Beruf jedoch, <strong>de</strong>ssen<br />

Angehörige vor einer Offensive wehrlos auch noch <strong>de</strong>r Ermunterung zum<br />

Mor<strong>de</strong>n ausgesetzt sind, soll es vorgekommen sein, daß Triebe, <strong>de</strong>ren ausgiebige<br />

Befriedigung ja sogar Ehre, Ruhm und Auszeichnung verheißt, vor <strong>de</strong>r<br />

Gelegenheit, die die eigene Umgebung bot, nicht Halt gemacht und zu Taten<br />

geführt haben, die zwar kein Verdienstkreuz, aber doch auch nicht die Unzufrie<strong>de</strong>nheit<br />

<strong>de</strong>s Vorgesetzten geerntet haben mögen. Es müssen nicht einmal<br />

Verbrechernaturen, also Elemente gewesen sein, son<strong>de</strong>rn ganz harmlose Feschaks,<br />

die an <strong>de</strong>r Sirk—Ecke keiner Prostituierten ein Haar krümmen können:<br />

welche <strong>de</strong>n Umstand, daß ein alter serbischer Bauer von <strong>de</strong>r Drina Wasser<br />

holte, Krieg ist Krieg, nicht vorübergehen lassen konnten, ohne die Gefechtspause<br />

auszufüllen, o<strong>de</strong>r welche einen Zugsführer, <strong>de</strong>r zurückging, um<br />

Munition zu holen, in <strong>de</strong>r immer gerechtfertigten Vermutung, es handle sich<br />

um einen »p. u.« o<strong>de</strong>r gar einen »p. v.« — fällt kein Meteor vom angewi<strong>de</strong>rten<br />

Himmel, um diese Abkürzer <strong>de</strong>r Sprache und <strong>de</strong>s Lebens zu strafen ? — alstern<br />

kurzerhand »abgeschossen« haben. Zur Ehre <strong>de</strong>r Berufsoffiziere sei aber<br />

gesagt, daß einrückend gemachte Spießbürger, <strong>de</strong>ren Harmlosigkeit im Frie<strong>de</strong>n<br />

höchstens die Greuel einer Faschingsnacht <strong>de</strong>s Wiener Männergesangvereins<br />

zuzutrauen waren, sich plötzlich in keiner an<strong>de</strong>rn Gemütsverfassung<br />

befun<strong>de</strong>n haben. Also: wenn eine Wirksamkeit jene, die sie von Grund aus verabscheuen,<br />

zum Generalisieren berechtigt, so war es die <strong>de</strong>r Individuen, die<br />

sich aus ihrer subalternen Lage ohne Übergang zu einer Machtfülle gelangt<br />

sahen, vor <strong>de</strong>r ein Dschingis Khan Lampenfieber gehabt hätte o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>in<br />

verantwortlicher Gewalthaber vorzeitlicher Kriege doch etwas Herzklopfen.<br />

Die völlige Unverantwortlichkeit <strong>de</strong>s heutigen Kriegsteilnehmers, <strong>de</strong>r vom Gefühl<br />

<strong>de</strong>r mobilisierten Quantität nicht zermalmt, son<strong>de</strong>rn entfesselt ist, erklärt<br />

diese anonyme Grausamkeit, welcher die Hemmung <strong>de</strong>r Phantasie längst von<br />

<strong>de</strong>r Mechanik aus <strong>de</strong>m Weg geräumt war, ehe sie zur Waffe griff, und von <strong>de</strong>r<br />

sich das Gewissen <strong>de</strong>r Heimgekehrten wie<strong>de</strong>r so schnell zu Schlaf und Tagwerk<br />

erholt, wie es sich aus <strong>de</strong>r Banalität ihrer Vergangenheit in <strong>de</strong>n Weltkrieg<br />

gefun<strong>de</strong>n hat. Wäre ich Offizier, ich wür<strong>de</strong> mich, wenn ich meinen Seelenfrie<strong>de</strong>n<br />

heimgerettet hätte, keineswegs auf die Ehre dieser Abenteuer versteifen,<br />

son<strong>de</strong>rn schweigend ihren Opfern an die Seite treten. Nie wür<strong>de</strong> ich<br />

durch einen Vergleich mit an<strong>de</strong>ren Berufen, die auch ihre Schädlinge haben,<br />

die Problematik <strong>de</strong>s Berufs und die Zwei<strong>de</strong>utigkeit einer Denkweise entblößen,<br />

die nach <strong>de</strong>n Exzessen dieser Schandzeit überhaupt noch die Geltung eines<br />

Berufs, wenn nicht gar die unverän<strong>de</strong>rte Vorzugsstellung im Staatsleben<br />

beansprucht. Da muß <strong>de</strong>nn ein für allemal klargestellt wer<strong>de</strong>n, daß zwar je<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r da mitgetan hat, ob er nun von Berufswegen o<strong>de</strong>r durch »Tauglichkeit«<br />

dazu verpflichtet war, zwar das Mitgefühl als Objekt <strong>de</strong>r Gefahr, aber<br />

nicht die Bewun<strong>de</strong>rung als Subjekt <strong>de</strong>r Tat, zwar <strong>de</strong>n mil<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Umstand<br />

<strong>de</strong>s Zwangs, aber keinesfalls eine Erhöhung <strong>de</strong>r Ehre ansprechen kann. Dagegen<br />

kommt wie<strong>de</strong>r bei jenem, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Krieg nicht als eine Unterbrechung,<br />

son<strong>de</strong>rn als eine Probe seines Berufs durchlebt hat (die häufig genug bloß<br />

eine Etappe auf seinem Lebensweg war), das professionelle Moment als erschwerend<br />

in Betracht. Daß selbst bei gleich verteilten Kriegslasten eher <strong>de</strong>m<br />

Zivilisten als <strong>de</strong>m Berufsmilitär eine bevorzugte Stellung im friedlichen Leben<br />

gebührt, hätte sich schon vor <strong>de</strong>m Krieg von selbst verstehen sollen. Wenn es<br />

überhaupt noch Professionskrieger geben sollte, müßte solches nach <strong>de</strong>m<br />

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