Nachruf - Welcker-online.de
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nicht wissen, daß eine Spezialehre, die solches Geklapper einer Verteidigung<br />
nötig hat, nicht für sie, son<strong>de</strong>rn für jene restauriert wird, die da spüren, daß<br />
es ihnen an <strong>de</strong>n Goldkragen geht? Man unterlasse <strong>de</strong>n Versuch, einen Offiziersehrenrat<br />
als Instanz über <strong>de</strong>m Weltgericht zu etablieren. Man verzichte<br />
auf das Bemühen, einen Korpsgeist, <strong>de</strong>n wir in unserm Jammer auch noch entbehren<br />
möchten, gegen <strong>de</strong>n aus keinem Bewußtsein verlierbaren Kontrast<br />
aufzuwiegeln: zwischen <strong>de</strong>m Leben in <strong>de</strong>r Offiziersmenage, wo es als Abendmenu<br />
einen »Sautanz« gibt o<strong>de</strong>r ein Festmahl mit achtzehn Gängen, darunter:<br />
»Handgranaten«, und <strong>de</strong>m brotlosen Beruf <strong>de</strong>r Mannschaft, die darüber beruhigt<br />
wird, daß Insektenma<strong>de</strong>n »die Bekömmlichkeit von Dörrgemüse nur insoweit<br />
beeinträchtigen, als sie ekelerregend sind«, und daß man ja an ganz an<strong>de</strong>ren<br />
Dingen stirbt. Und zwischen <strong>de</strong>m Soldaten, <strong>de</strong>r erschossen wird, weil<br />
er getrunken hat, und <strong>de</strong>m Leutnant, <strong>de</strong>r Zimmerarrest bekommt, weil er eine<br />
Kellnerin, die keinen Wein bringt, erschossen hat. Wir haben genug von diesen<br />
Räuschen und lehnen die Nüchternen ab, die nicht von <strong>de</strong>r Kameradschaft<br />
angewi<strong>de</strong>rt in einem weniger ehrenträchtigen Beruf Vergessen suchen,<br />
son<strong>de</strong>rn uns weiter mit seinen Zierraten kö<strong>de</strong>rn, die uns auch ohne solche<br />
Mahnung unvergeßlich sind. Der Rhythmus dieser Empörung, <strong>de</strong>r, wenn ich<br />
ihn auch zehnmal in all seiner Dürftigkeit nachgebil<strong>de</strong>t habe, <strong>de</strong>m Schreiben<strong>de</strong>n<br />
nacheilt und täglich noch, wie alle unbesiegbare Banalität, <strong>de</strong>m satirischen<br />
Echo seine drei Motive versetzt: »generalisieren«, »Blut von Eurem<br />
Blute, Geist von Eurem Geiste« und »das Einzige, was sie besitzen, die Ehre«<br />
— er möchte unsere Wehrlosigkeit verewigen, und so bleibt nichts als die<br />
Hoffnung, daß solchen, die sich am frem<strong>de</strong>n Opfer befriedigt und bereichert,<br />
sich selbst für die Auszeichnung und uns für die Verelendung eingegeben haben,<br />
in einem staatlichen Gerichtsverfahren nachgewiesen wird, daß das einzige,<br />
was sie nach diesem Krieg nicht besitzen, die Ehre ist. Und nicht nur<br />
vermöge ihrer persönlich bewährten Defekte, son<strong>de</strong>rn weil dieser unermeßliche<br />
Blutverlust seinen letzten Sinn verloren hätte, wenn die Menschheit nicht<br />
endlich ad notam nähme: Eine Debatte über Ehre kann es überhaupt nicht geben,<br />
wo es sich um Erfüllung o<strong>de</strong>r Nichterfüllung <strong>de</strong>r Pflichten innerhalb einer<br />
Tätigkeit han<strong>de</strong>lt, welche von Natur, vor Gott und allem Zweck <strong>de</strong>r<br />
Menschheit die ehrloseste ist! Jene aber, die es nicht nötig haben, von <strong>de</strong>n<br />
Schuldigen verteidigt zu wer<strong>de</strong>n, müssen erkennen, daß keine Stan<strong>de</strong>sfrage,<br />
son<strong>de</strong>rn das Problem <strong>de</strong>s Stan<strong>de</strong>s zur Erörterung steht. Sie erkennen die Verwandtschaft<br />
mit <strong>de</strong>m einzigen Beruf, <strong>de</strong>r außer <strong>de</strong>m militärischen mit Recht<br />
generalisieren<strong>de</strong>n Vorwürfen ausgesetzt ist, gleich diesem wesentlich dazu inkliniert,<br />
weil er gleich ihm aus <strong>de</strong>n Quellen <strong>de</strong>r Unverantwortlichkeit und <strong>de</strong>r<br />
Anonymität seine entsetzliche Befähigung schöpft: mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Journalisten<br />
— mit ihm auch in solcher Anlage verknüpft zu <strong>de</strong>m furchtbaren Bun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ssen<br />
Walten die Welt zwischen Blut und Tinte so verwechseln gelehrt hat, daß<br />
bei<strong>de</strong> Kräfte als Ursache und Wirkung zugleich erschienen. Wahrlich, es ist<br />
so, als ob die Phrase von bei<strong>de</strong>n Substanzen flüssig wäre und nicht min<strong>de</strong>r<br />
das Verbrechen, und als wäre, könnten wir uns da und dort noch entziehen,<br />
die Verschlingung doch das Übel, das Macht hat über uns. Das sind so die Lebensbedingungen<br />
im Totenreich. Es mußte jenem General, <strong>de</strong>r das Armeeoberkommando<br />
nach <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Armee übernommen hat, jenem gespenstischen<br />
Köveß, ein seltsames Abenteuer zustoßen: er brach durch eine<br />
Zeitungsspalte vor und rief: »In<strong>de</strong>ssen« — nämlich bis <strong>de</strong>r Beweis <strong>de</strong>r Unrichtigkeit<br />
aller Anklagen erbracht sei, was gewiß sehr viel Zeit erfor<strong>de</strong>rt —<br />
»wirkt <strong>de</strong>r Giftstoff, <strong>de</strong>n die Ehrabschnei<strong>de</strong>r ausspritzen«. Er hatte aber trotz<br />
dieser Häufung artilleristischer Metho<strong>de</strong>n schon vergessen, daß Krieg Krieg<br />
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