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Heft 157 - IFSH

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2. Phänomen Maritimer Terrorismus: Begriffsverständnis und Kontext<br />

Maritime Gewalt manifestiert sich aktuell insbesondere in den beiden Phänomenen Piraterie und<br />

maritimer Terrorismus. Obwohl es sich in beiden Fällen um Gewaltformen in martimen Raum handelt,<br />

kennzeichnen beide Begriffe, inbesondere von der Motivlage her, grundverschiedene Sachverhalte.<br />

Bei der Piraterie 8 dominieren ökonomische Motive das Entscheidungskalkül. Es gibt aber<br />

auch Vorschläge, Piraterie so zu definieren, dass darunter auch terroristische Taten fallen würden,<br />

z.B. durch eine weite Definition der „privaten Zwecke“. Dies soll rechtliche Fragen klären, helfen<br />

Mischformen einzuordnen und somit eine effektivere Strafverfolgung beider Gruppen möglich<br />

machen (vgl. König/ Salomon/ Neumann/ Kolb 2011: 23). 9<br />

Ebenso wie die Definition von Piraterie ist die Begriffsbestimmung von (maritimem) Terrorismus<br />

umstritten, wenn auch in weitaus größerem Maße. Denn eine allgemein akzeptierte Definition von<br />

Terrorismus gibt es nicht und es wird häufig politisch argumentiert, dass es sich je nach Perspektive<br />

um einen Freiheitskämpfer oder Terroristen handeln kann. Die akademischen Debatten über<br />

Typologien und Definitionen erstrecken sich über Dekaden und haben zu keinem erkennbaren Erkenntnisfortschritt<br />

geführt (vgl. Laqeur zit. n. Hoffmann 1998: 39). Alex P. Schmid hat in einer<br />

Bemühung, einen akademischen Konsens herauszuarbeiten, 250 akademische und politische Definitionen<br />

von Terrorismus miteinander verglichen. Er kommt dabei zu folgender Definition: “Terrorism<br />

refers on the one hand to a doctrine about the presumed effectiveness of a special form or<br />

tactic of fear-generating, coercive political violence, and on the other hand, to a conspirational<br />

practice of calculated, demonstrative, direct violent action without legal or moral restraints, targeting<br />

mainly civilians and non-combatants, performed for its propagandistic and psychological effects<br />

on various audiences and conflict parties” (Schmid 2011: 86). Schmid ergänzt und spezifiziert<br />

diese Definition in elf weiteren Absätzen.<br />

Folgende Arbeitsdefinition von maritimem Terrorismus kam für diese Studie (mit zusätzlichen<br />

Elementen, wie sie weiter unten beschrieben werden) zur Anwendung:<br />

Arbeitsdefinition Maritimer Terrorismus: Hauptcharakteristikum von Terrorismus ist, dass<br />

Anschläge durch nichtstaatliche Akteure, außerhalb völkerrechtlicher Regeln, vor dem Hintergrund<br />

politischer, ideologischer oder religiöser Ziele stattfinden, die über den konkreten Angriff<br />

hinausgehen. Diese Art der Androhung oder Ausübung von Gewalt zielt auf politischen<br />

und/oder gesellschaftlichen Wandel oder die Durchsetzung politisch-ideologischer Interessen.<br />

Durch Erzeugen von Angst, die Erschütterung der öffentlichen Ordnung bzw. des Vertrauens in<br />

die Regierung oder durch mediale Aufmerksamkeit für das Anliegen wird Handlungsdruck<br />

aufgebaut. Finden die Anschläge im maritimen Raum statt, handelt es sich um maritimen Terrorismus.<br />

Bei maritimen Anschlägen werden Schiffe oder Anlagen der maritimen Wirtschaft/Infrastruktur<br />

wie Ölplattformen bzw. deren Passagiere und Personal von See oder von<br />

Land aus angegriffen. Bei den angegriffenen Schiffen kann es sich um Schiffe jeglicher Art,<br />

bspw. um Frachtschiffe, Kriegsschiffe, aber auch um Passagierschiffe handeln. Das Ziel können<br />

auch Hafenanlagen, Küstenorte oder Hafenstädte sein.<br />

„Maritimer“ Terrorismus wird danach definiert, wo der Anschlag stattfindet, ähnlich wie man zwischen<br />

Luft- und Seepiraterie unterscheidet oder zwischen Land-, See- und Luftkrieg. Richten sich<br />

die Aktivitäten beispielsweise gegen Hafenanlagen oder soll ein Seeweg durch Versenkung eines<br />

8 Kerstin Petretto (2011: 14) hat zeitgenössiche Seepiraterie für das PiraT-Forschungsprojekt folgendermaßen definiert:<br />

Piraterie ist „ein von privaten, also nicht im Staatsauftrag stehenden, Akteuren durchgeführter oder herbeigeführter<br />

Angriff auf ein Schiff, sei es innerhalb der Küstengewässer eines Staates oder auf hoher See. Die dabei primär<br />

von den Angreifern verfolgte Absicht ist es, einen materiellen Gewinn zu erzielen. … Der Begriff dient … als<br />

Oberkategorie für verschiedene Straftatbestände, die sich von Diebstahl und bewaffnetem Raub über erpresserische<br />

Geiselnahme bis hin zu Totschlag und Mord erstrecken – allerdings allesamt im maritimen Raum stattfinden.“<br />

9 Eine völlige Gleichsetzung beider Phänomene befürwortet Burgess 2010. Eine Einstufung von Piraten und Terroristen<br />

als Kombattanten wird hingegen als wenig zielführend abgelehnt (vgl. Neumann/ Salomon 2011).<br />

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