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Heft 157 - IFSH

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1. Einleitung<br />

Im Jahr 2010 drohte das Terrornetzwerk Al-Qaida mit Anschlägen im Arabischen Meer, dem Persischen<br />

Golf und dem Golf von Aden und bildete angeblich Kämpfer speziell für Angriffe auf<br />

Kriegs-, Fracht- und Passagierschiffe aus. Eine jemenitische Untergruppe soll die islamistischen<br />

Al-Shabaab-Milizen in Somalia aufgerufen haben, ihr dabei zu helfen, eine Seestraße zu blockieren,<br />

die wichtig für die Ölversorgung Europas und der USA ist. Auch wurde gedroht US-<br />

Lieferungen über See an Israel zu blockieren. Westliche Geheimdienste hatten daher die Golfstaaten<br />

aufgefordert, ihre Sicherheitsmaßnahmen für Schiffe, insbesondere Öl- und Gastanker zu erhöhen<br />

(vgl. RiaNovosti (2010), Reuters (2010), AFP (2010), CNA (2010)).<br />

Auch im Nachlass des im Mai 2011 getöteten Al-Qaida Führers Osama Bin Laden fanden sich<br />

Pläne für maritime Terrorattacken. Demnach sollten Öltanker gekapert und gesprengt werden; Informationen<br />

über die Bauweise von Tankern wurden gesammelt. Als weiteres Anschlagsziel wurde<br />

die Infrastruktur von Öl- und Gasfirmen genannt. Der Anführer der Terrororganisation erhoffte<br />

sich, den Westen in eine ökonomische Krise stürzen zu können. Allerdings handelt es sich dabei<br />

noch nicht um konkrete Anschlagsplanungen und es ist unklar, ob die Ansätze nach 2010 weiter<br />

verfolgt wurden (USA Today (2011), SomaliaReport (2011), Spiegel-Online (2011)).<br />

Da der Seehandel nicht nur für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, sondern für den Welthandel<br />

insgesamt von enormer Bedeutung 2 ist, kommt der Sicherheit im maritimen Raum eine entsprechende<br />

Bedeutung zu. Es gibt Befürchtungen, dass terroristische Anschläge dort große Auswirkungen<br />

haben könnten. Dies ist nicht erst seit den Drohungen von 2009/2010 der Fall. Zwar riefen<br />

bisher nur wenige terroristische Übergriffe auf maritime Ziele große Aufmerksamkeit hervor. Einige<br />

dieser Anschläge werden in diesem Papier erläutert. Über die bislang verübten Anschläge hinaus<br />

zeigen aber zahlreiche Anschlagsszenarien, bspw. zu Explosionen in Häfen mit Industrieanlagen,<br />

auf Ölplattformen oder Kreuzfahrtschiffen, zum Schmuggel von ABC-Waffen in Containern oder<br />

zum gezielten Versenken von Schiffen zur Blockade von Seewegen, dass die Auswirkungen katastrophal<br />

sein könnten. Das macht eine genaue Analyse notwendig.<br />

Der „Securitization“-Ansatz der Kopenhagener Schule definiert ein Sicherheitsproblem als einen<br />

Sprechakt, der ein politisches Problem mit einem Sicherheitsbegriff verbindet (vgl. Daase 2011:<br />

62; Buzan/Waever/de Wilde 1998). In diesem Sinne sind auch die eigenen Ergebnisse immer wieder<br />

kritisch zu hinterfragen und zu kontextualisieren: Ziel des Papiers ist hierbei nicht eine<br />

„Versicherheitlichung“ des Seehandels, sondern das Problembewusstsein in diesem Bereich zu<br />

schärfen und maritime Gewalt im (deutschen) Sicherheitsdiskurs zu thematisieren. 3<br />

2 „Über 90 Prozent des gesamten Welthandels, fast 95 Prozent des Außenhandels der Europäischen Union und nahezu<br />

70 Prozent des deutschen Im- und Exports werden über den Seehandel abgewickelt. (…)“. Die „…380 deutschen<br />

Reedereien [nehmen] zusammen weltweit den dritten Platz bei der Masse transportierter Güter ein“ (Marine<br />

2011). „Die von deutschen Reedern kontrollierte Containerschiffsflotte ist nach wie vor die größte der Welt und<br />

umfasste zu Beginn des Jahres 2011 insgesamt 1.776 Containerschiffe über 1.000 BRZ mit 62,3 Mio. dwt und verfügte<br />

mit 5,27 Mio. TEU über 32,1% der weltweiten Containerkapazitäten. Allerdings führten nur 297 von diesen<br />

Schiffen die deutsche Flagge“ (vgl. Flottenkommando 2011: 53).<br />

Ein beträchtlicher Teil des Außenhandelsvolumens wird somit über die Seehäfen abgewickelt: Der grenzüberschreitende<br />

Verkehr Deutschlands auf dem Seeweg hat in den vergangenen Jahren mengenmäßig stark zugenommen.<br />

Für Deutschland spielt dabei auf der Importseite der Bezug von (Energie-)Rohstoffen eine besondere Rolle.<br />

Auf der Exportseite ist die Sicherheit der Handelsrouten vor allem für die exportorientierten Branchen (Fahrzeug,<br />

Maschinenbau) von zentraler Bedeutung (vgl. Engerer 2011: 27).<br />

Es besteht die Befürchtung, dass maritime Gewalt den Seehandel durch Zeitverzögerungen empfindlich stören<br />

kann. Die heutige Just-in-time-Arbeitsteilung ist auf zeitlich sicher planbare Seeverbindungen angewiesen. Das<br />

Ausmaß des Schadens ist aber sicherlich abhängig davon, ob Seewege wirklich (zeitweise) gänzlich blockiert werden.<br />

Ein Ausfall eines wichtigen Seeweges könnte dazu führen, dass eine einfache Substitution nicht zeitnah möglich<br />

ist, weil ganze Regionen abgeschnitten wären. Für eventuelle Folgeschäden, wie z.B. ein „Bandabriß“ in einer<br />

branchenspezifischen Produktionskette, gibt es keine Versicherungshaftung.<br />

3 Die deutschen Bemühungen zur Verhütung terroristischer Anschläge finden v.a. im Rahmen der Europäischen<br />

Union und damit im Sinne eines normativen Multilateralismus statt, der die Verbindung von Interessen und Werten<br />

als Ziel und Methode deutscher Sicherheitspolitik sieht (vgl. Staack 2011: 217). Im Rahmen eines erweiterten<br />

Sicherheitsbegriffs geriet transnationaler Terrorismus in den Fokus als Bedrohungsfaktor jenseits von klassischer<br />

militärischer Konfrontation. Ergänzend gilt das Verständnis von Sicherheit als „menschliche Sicherheit“. Dieser<br />

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