Abbildung 19: Bedrohungsszenarien durch maritimen Terrorismus 52
Lutz Kretschmann (2011) kombiniert in der Abbildung 19: Bedrohungsszenarien durch maritimen Terrorismus denkbare Szenarien des maritimen Terrorismus nach Greenberg et al. (2006) mit Gruppen von Szenarien nach Stehr (2004), die auf den Aktionsort „Schiff“ angewendet werden. Die Szenarien unter Beteiligung eines Schiffes ergeben: 1. Angriff auf ein Schiff, 2. Angriff mithilfe eines Schiffes, 3. Nutzung eines Schiffes als Transportmittel und 4. Verschärfung der ersten beiden Angriffsszenarien durch Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Im Schaubild ist fett hervorgehoben, welche Szenarien und Kategorien nach der PiraT-Datenbank bereits vorgekommen sind. Demnach ist etwa die Hälfte der in der Literatur beschriebenen Angriffsszenarien bereits Realität geworden (vgl. Tabelle 20 und Abbildung 19: Bedrohungsszenarien durch maritimen Terrorismus). Zu den Szenarien, die noch nicht Realität geworden sind, gehören die Explosion eines LNG-Tankers (Flüssigerdgas; engl. Liquefied Natural Gas); CBRNE-Waffen (Bedrohung durch chemische, biologische, radiologische, nukleare und Explosiv-Waffen / engl. chemical, biological, radiological, nuclear and explosives), der Transport von Bomben in Containern und ihre Explosion im Hafen oder eine Durchfahrtsblockade durch ein versenktes Schiff. Bisher waren auch keine Crewmitglieder in die Vorbereitung der Anschläge verwickelt. Zu weiteren in der Literatur genannten Szenarien gehören zudem der Angriff auf ein Schiff mit tauchenden Selbstmordattentätern oder das In-Brand-Setzen/Rammen/Versenken von Kreuzfahrtschiffen mit mehreren tausend Personen an Bord. Christopher Daase (2002) weist darauf hin, dass Menschen dazu tendieren, große Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit stärker wahrzunehmen als Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinklichkeit. Es ist jedoch zu vermuten, dass Anschlagstypen, die bereits in der Praxis ausgeübt werden, derzeit als wahrscheinlicher eingeschätzt werden können bzw. erneut geschehen könnten. Daher sollte ihnen auch die entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dennoch bleibt es unerlässlich, sich auch mit den potenziell neuen Gefahrenlagen auseinanderzusetzen, um zu einer ausgewogenen Risikoanalyse zu kommen. Diese Szenarien, insbesondere auch der Einsatz von Massenvernichtungswaffen, verdeutlichen, warum sich die Abwehrmaßnahmen auch darauf konzentrieren sollten, diese potenziellen Großschadensereignisse zu vermeiden. Im nächsten Abschnitt werden die multilateralen Anstrengungen untersucht, die Anschläge im maritimen Raum unterbinden oder zumindest den Handlungsspielraum von terroristischen Akteuren einschränken sollen. Im Fazit soll dann resümiert werden, inwiefern diese Anstrengungen die bereits praktizierten und die potenziellen Szenarien erfassen und bearbeiten. 8. Security-Governance-Maßnahmen zur Bedrohungsabwehr Ziel des folgenden Abschnitts ist es, einen ersten kursorischen Überblick über bereits bestehende Koordinierungsstrukturen und -mechanismen zur Eindämmung des Risikos durch maritimen Terrorismus zu geben. Nach Ehrhart/ Petretto/ Schneider (2011: 30) „zeichnet sich Governance [ganz allgemein] dadurch aus, dass sich Akteure in einem bestimmten Politikfeld zusammenfinden, um gemeinsam ein bereits erkanntes Problem anzugehen, obwohl es keine zentrale (regelsetzende) Autorität gibt.“ 48 Genauer definieren Ehrhart/ Pettretto/ Schneider (2011: 10): „Security Governance bezeichnet die kollektive Sicherheitsgewährleistung durch eine Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, die, in einem nichthierarchischen Verhältnis zueinander stehend, verschiedene Mittel, Instrumente und Methoden nutzen, um auf der Basis gemeinsamer Normen, Werte und/oder Interessen ein gemeinsames Ziel zu erreichen.“ Die wichtigsten Security-Governance-Maßnahmen im maritimen Bereich werden in den folgenden Unterkapiteln dargestellt. 49 48 Über die Entwicklung und den Inhalt des Konzepts Security Governance siehe Ehrhart/ Petretto/ Schneider 2010: 10-23 und Ehrhart/ Kahl 2010. 49 Es ist es möglich, dass nicht alle Maßnahmen, die sich gegen Terroristengruppen richten, in diesem Papier berücksichtigt werden. Diese Arbeit fokussiert auf Maßnahmen, die explizit einen maritimen Kontext behandeln und musste eine sinnvolle Auswahl treffen. Dabei könnten auch effektive landbasierten Maßnahmen nicht aufgenommen worden sein, die die genannten Gruppen direkt oder indirekt betreffen. Hinweise diesbezüglich werden gern entgegengenommen. 53