Berlin.Friedrichstraße Ausgabe 3/2013 (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
people | interview<br />
→ Und haben Sie schon eine <strong>Berlin</strong>er Currywurst<br />
gegessen?<br />
Nein, noch nicht. In der Tat, das habe ich bis<br />
jetzt versäumt. Ich schäme mich. (lacht) Aber<br />
<strong>Berlin</strong>er Kindl habe ich schon probiert.<br />
→ Können Sie uns vielleicht einen Tipp geben,<br />
wo man in <strong>Berlin</strong> gut polnisch essen kann?<br />
Ich bin gerade dabei, enge Freunde zu überzeugen,<br />
ein gutes polnisches Restaurant in<br />
<strong>Berlin</strong> zu eröffnen. Ich kann leider im Moment<br />
keines ausdrücklich empfehlen. Aber<br />
ich hoffe, dass sich das bald ändern wird. Das<br />
ist auch ein Versäumnis, muss man sagen.<br />
Und das ist auch sehr erstaunlich, bei so vielen<br />
Polen in <strong>Berlin</strong> und der Nähe zur polnischen<br />
Grenze.<br />
Frank Nehring im Gespräch mit Dr. Jerzy Margański in der Botschaft in <strong>Berlin</strong>-Grunewald.<br />
→ Herr Botschafter, wir danken Ihnen für das<br />
Gespräch.<br />
→ Genau genommen sind Sie Zeit Ihres Berufslebens<br />
Diplomat bzw. außenpolitisch tätig.<br />
Haben Sie diesen Weg von vornherein geplant?<br />
Nein, das war gar nicht geplant. Wenn es<br />
den Umbruch 1989/1990 nicht gegeben hätte,<br />
wäre ich nicht Diplomat geworden. Ende<br />
der 90er Jahre war ich aufgrund meiner Doktorarbeit<br />
über Hegel im Breisgau. Das war<br />
eine philosophische Arbeit und ich hatte es<br />
überhaupt nicht im Sinn, Diplomat zu werden,<br />
obwohl ich neben der Philosophie und<br />
Theologie auch Politikwissenschaften studiert<br />
habe. Nach der Wende 1989 haben sich für<br />
Polen und seine Außenpolitik, aber auch für<br />
Menschen, die überhaupt nie im Sinne hatten,<br />
etwas für dieses autoritäre Regime zu machen<br />
oder zu arbeiten, ganz neue Möglichkeiten<br />
ergeben. Und so ist auch in meinem Kopf die<br />
Idee entstanden, etwas für mein Land zu machen.<br />
Und so kam es, dass ich zu einem der<br />
ersten Mitarbeiter des 1990 neu einberufenen<br />
Botschafter Polens wurde. Und bei dieser diplomatischen<br />
Laufbahn bin ich geblieben und<br />
ich bin froh darüber, denn es ist ein sehr interessanter<br />
Beruf.<br />
→ Wie nehmen Sie die Stadt und auch die <strong>Berlin</strong>er<br />
wahr? Haben sie sich seit Ihrem ersten<br />
Aufenthalt verändert?<br />
Ja, den Eindruck habe ich. Genau wie <strong>Berlin</strong><br />
noch offener geworden ist, sind die Menschen<br />
lockerer geworden, im Umgang miteinander<br />
und mit anderen. Man kann immer noch zu<br />
spüren bekommen, was die <strong>Berlin</strong>er Schnauze<br />
bedeutet. Aber man kann damit leben –<br />
irgendwie besser als vorher. Ich glaube, hier<br />
fühlt man sich als Ausländer gut aufgehoben.<br />
<strong>Berlin</strong> ist aus vielerlei Gründen eine »weiche<br />
Metropole«, angefangen bei der Architektur<br />
<strong>Berlin</strong>s, von der wir gesprochen haben. <strong>Berlin</strong><br />
ist eine Stadt mit vielen Zentren, eine Stadt<br />
mit einer relativ niedrigen Bebauung, die Architektur<br />
wirkt nicht aggressiv, nicht rausfordernd,<br />
sondern gibt einem ein gutes Gefühl.<br />
Die Menschen sind freundlicher im Umgang<br />
geworden, zeigen viel mehr Akzeptanz für<br />
andere.<br />
→ Könnten Sie vielleicht versuchen, den<br />
typischen <strong>Berlin</strong>er mit drei Adjektiven zu<br />
beschreiben? Sie haben ja schon die <strong>Berlin</strong>er<br />
Schnauze angesprochen …<br />
Dazu stehe ich auch. (lacht) Drei sogar?<br />
Ich denke jetzt an Kieze und das ist nicht<br />
so einfach. Es ist schwierig, diese Kieze auf<br />
einen Nenner zu bringen, weil die Leute<br />
wirklich unterschiedlich sind. Aber wenn<br />
Sie auf einen gemeinsamen Nenner steuern<br />
möchten, dann ist doch in <strong>Berlin</strong> wirklich<br />
etwas geblieben, was in West-<strong>Berlin</strong> vor der<br />
Wieder ver einigung geläufig war: eine Art<br />
Wert, der sich auch nach der Wiedervereinigung<br />
bewährt hat. Die linke Szene, die es damals<br />
gab, hat West-<strong>Berlin</strong> sehr stark geprägt.<br />
Offenheit für das Neue, das Progressive, diese<br />
etwas jugendliche Lebensart, das hat die Stadt<br />
geprägt – bereits damals. Ich denke, das ist<br />
etwas, was sich in <strong>Berlin</strong> heute nach der Wiedervereinigung<br />
bewährt und durchgesetzt hat<br />
und präsent ist, dieser jugendhafte Lebensstil,<br />
der eben vielleicht auch anderen hilft, sich gut<br />
und dazugehörig zu fühlen.<br />
Das Interview führten Frank Nehring und<br />
Janine Pirk-Schenker.<br />
Steckbrief<br />
Dr. Jerzy Margański<br />
• 1955 geboren in Tarnobrzeg, Polen<br />
• Magister der Philosophie an der Jagiellonen-<br />
Universität Krakau, 1981<br />
• Doktor der Philosophie an der Jagiellonen-<br />
Universität Krakau, 1990<br />
• Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.,<br />
1985 –1989<br />
• Botschaft der Republik Polen in Bonn,<br />
1990 –1995<br />
• Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten<br />
in Warschau, Direktor der Abteilung<br />
für Westeuropa, 1995 –1997<br />
• Leiter der Außenstelle der Botschaft der<br />
Republik Polen in <strong>Berlin</strong>, 1997–1999<br />
• Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten<br />
in Warschau, Leiter des Ministerbüros,<br />
1999 –2001<br />
• Botschafter der Republik Polen in Bern,<br />
2001–2005<br />
• Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten<br />
in Warschau, 2005 –2008, u. a. als Leiter der<br />
Abteilungen Informationssysteme, Europa<br />
und Strategie sowie Planung der Außenpolitik<br />
• Botschafter der Republik Polen in Wien,<br />
2008 –2012<br />
• seit Februar <strong>2013</strong> Botschafter der Republik<br />
Polen in <strong>Berlin</strong><br />
12 <strong>Berlin</strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 3 <strong>2013</strong>