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Themenheft Schulreife

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Wie gesagt entwickelt sich das Gefühl in der atmenden<br />

Bewegung zwischen Hingabe an die Welt und Verweilen<br />

im eigenen Innern. Für ein junges Kind ist die Umgebung<br />

noch vorherrschend und das Kind hat noch<br />

nicht die Fähigkeit, sich vor der Umgebung zu verschließen.<br />

Die Möglichkeit des oben genannten Atmens<br />

kommt erst langsam an das Kind heran, und ungefähr<br />

in der Zeit des Übergangs in die erste Klasse<br />

kommt sie in Sicht. Das Kind kann dann, wenn es sich<br />

in einer sicheren Situation befindet, schon überraschend<br />

originell seine Gefühle äußern. Fühlt es sich<br />

unsicher, schweigt es, oder spricht eine allgemein gehaltene<br />

Antwort aus.<br />

Atem und Sprache<br />

Der Atem ist Träger der Sprache. Die Sprache ist Träger<br />

der Verbundenheit zwischen Menschen. An der Sprachentwicklung<br />

lässt sich daher Vieles über die Phasen der<br />

Gefühlsentwicklung ablesen. Zu Anfang ist das Kind<br />

umgeben von Sprache, es wird umhüllt und geformt<br />

durch sie. Dann fängt es selber an zu babbeln und<br />

Laute auszusprechen. Im günstigen Fall führt das zur<br />

Kommunikation mit den Eltern und anderen Menschen<br />

in der Umgebung. Dann gewinnen die Laute mehr und<br />

mehr an Bedeutung. Sie fangen an, dem Kind etwas<br />

mitzuteilen. Danach kann es nicht nur die Worte, sondern<br />

auch die Bedeutung der Worte erfassen und nach<br />

und nach selber aussprechen.<br />

Das ist notwendig für die Entwicklung des Denkens (es<br />

weiß was es sagt), aber auch für die Gefühlsentwicklung.<br />

Die Sprache stellt das Kind in eine bedeutungsvolle<br />

Wechselwirkung mit der Umgebung hinein.<br />

Nicht nur Geborgenheit und Sicherheit sind Voraussetzungen<br />

für eine gesunde Gefühlsentwicklung. Auch<br />

Enttäuschung und Einsamkeitsgefühle sind notwendige<br />

Erlebnisse. Enttäuschungen erfahren und hinnehmen,<br />

Einsamkeit erleben und aushalten, lehren ein<br />

Kind hinnehmen und aushalten im Allgemeinen. Wie<br />

sollte es das sonst lernen? Eine bestimmte Reife auf<br />

dieser Ebene braucht das Kind, um lernen zu können.<br />

Es muss sich selber vertrauen können, sich in der Klasse<br />

wohl fühlen und den Lehrer so wahrnehmen und zulassen<br />

können, das es ihm vertrauen kann, dass es<br />

hören und begreifen kann, was er erzählt.<br />

Die Beurteilung der Gefühlsreife ist viel weniger objektiv<br />

abzugeben als eine Einschätzung der Lernreife und<br />

der <strong>Schulreife</strong>. Bevor man es merkt, beschreibt man an<br />

Stelle der Eigenschaften des Kindes die seiner Umgebung.<br />

Die Gefühlsreife wiegt weniger schwer als die<br />

Denk- und Lernreife, wenn es um die Frage geht, ob ein<br />

Kind in die erste Klasse kommen soll oder nicht. Sie<br />

kann höchstens ein zusätzliches Kriterium für den Beschluss<br />

sein.<br />

Die Art der Schule, die Größe und Zusammensetzung<br />

der ersten Klasse, die Erfahrung des Lehrers sind genauso<br />

wichtige Faktoren wie die emotionellen und sozialen<br />

Fähigkeiten des Kindes. So etwas lässt sich<br />

schlecht in einem objektiven Urteilssystem unterbringen.<br />

Wenn man an dem Schritt in die erste Klasse zweifelt,<br />

muss man auch einschätzen, ob ein eventuelles<br />

zusätzliches Kindergartenjahr dem Kind helfen würde.<br />

Körperliche Merkmale<br />

Bisher haben Sie lesen können, wie der Prozess des<br />

Denkreif- und Schulreif -werdens sich ausdrückt in der<br />

Entwicklung verschiedener Fähigkeiten und des Benehmens<br />

eines Kindes. Im folgenden Abschnitt wollen wir<br />

den körperlichen Aspekt davon besprechen. Wir gehen<br />

ja davon aus, dass ein Kind nicht nur durch sein Benehmen<br />

und seinen Stil, sondern auch durch seinen leiblichen<br />

Ausdruck zeigt, wie weit es in seiner Entwicklung<br />

gekommen ist .Mit anderen Worten: Wenn wir gut hinschauen,<br />

muss es möglich sein, an der Gestalt und der<br />

Motorik, am Augenaufschlag und an Essgewohnheiten<br />

zu erkennen, inwiefern ein Kind sich in seine Körperlichkeit<br />

eingelebt hat. Abstrakter gesagt: Inwiefern<br />

sein Geist seine Leiblichkeit schon durchdrungen und<br />

umgeformt hat. * In anthroposophischer Sprache: in wie<br />

weit der Formkräfteleib, der Ätherleib schon geboren ist.<br />

In seinem Buch Die Entwicklungsphasen des Kindes 1<br />

beschreibt Bernard Lievegoed die aufeinander folgenden<br />

Entwicklungsphasen Streckung, Füllung und Reifung,<br />

die sich in jeder Siebenjahresperiode finden lassen.<br />

Damit ist eine Entwicklungsrichtung von unten<br />

nach oben beschrieben. Die Streckung von den Gliedmaßen<br />

aus, die Füllung vor allem des Rumpfes, und die<br />

Reifung vom Kopf aus. Das ist die Entwicklungsrichtung<br />

des Denkens.<br />

Lievegoed beschreibt weiter, wie das Kind sich während<br />

dieser drei Phasen präsentiert. An der Motorik lässt es<br />

sich besonders deutlich beschreiben: Der Weg geht vom<br />

Bewegungschaos des jungen Kindes über die emotionell<br />

geladenen Bewegungen der Kindergartenzeit bis hin zur<br />

1 ISBN 9783880691230<br />

<strong>Schulreife</strong> 25

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