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Themenheft Schulreife

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Hose auf ihrem Platz, der Rippenbogen hat einen spitzen<br />

anstatt eines stumpfen Bogens bekommen.<br />

Die leibliche Seite der Willensentwicklung<br />

Es ist schwierig, sich bei einem ähnlichen Entwurf zur<br />

Beschreibung der Willensentwicklung kurz zu fassen,<br />

äußert das Kind sich doch in seinem Hunger nach Entdeckungen,<br />

in der Lebendigkeit seines Spiels und der<br />

Geschicklichkeit seiner Bewegungen. Ein Teil der<br />

<strong>Schulreife</strong>tests richtet sich auf die Untersuchung dieser<br />

Seite: Kann das Kind mit einer Hand werfen und fangen,<br />

kann es auf ein Bein hinken und tauspringen, ist<br />

es lateralisiert, 2 sind seine unwillkürlichen Bewegungen<br />

zum großen Teil schon verschwunden, 3 und so weiter.<br />

In den folgenden Abschnitten können Sie lesen,<br />

wie die „Innenseite“ dieser Willensentwicklung aussieht.<br />

Die Frage lautet: Was geschieht im Körper des<br />

Kindes, während es die drei Stufen der Willensentwicklung<br />

durchmacht?<br />

Die leibliche Seite des ersten Aspektes der<br />

Willensentwicklung. Das Wahrnehmen<br />

Wir unterscheiden drei verschiedene Phasen.<br />

– Die erste Phase. Was passiert innerlich, wenn das<br />

Kind wahrnimmt? Um eine Antwort auf diese Frage<br />

geben zu können, müssen wir die Annahme, das<br />

Kind nehme auf die gleiche Art wahr wie wir, vergessen.<br />

Je jünger eine Kind ist, desto weniger Details<br />

es wahrnimmt. Kurz lenkt es seine Aufmerksamkeit<br />

auf ein glänzendes Blatt, dann wird sein<br />

Blick wieder diffus. Kein Eindruck, auch jeder sinnliche,<br />

bleibt außerhalb des Kindes, so wie es bei gesunden<br />

Erwachsenen der Fall ist. Jeder Eindruck<br />

wirkt bis tief in den Leib hinein. Die Farben und<br />

Klänge der Welt färben und durchklingen das Kind.<br />

Das ist auch richtig so, denn so bildet es sich seinen<br />

Leib, seiner Umgebung gemäß in der es aufwächst.<br />

Aber so kann es natürlich nicht immer bleiben, nach<br />

und nach verschiebt sich die Sinneswahrnehmung<br />

immer mehr in Richtung Peripherie. Das Kind beginnt,<br />

aus seinen Augen herauszuschauen, die Außenwelt<br />

als Außenwelt zu betrachten. Solange der<br />

Tisch noch die Schuld dafür bekommt, dass es sich<br />

gestoßen hat und ihm sein Bein weh tut, ist dieser<br />

Schritt noch nicht vollzogen.<br />

– Die 2. Phase. Die Wahrnehmung verändert sich. In<br />

der Mittelphase, von 2,5. bis zu 4 2/3 Jahren, ist die<br />

Wirkung der Wahrnehmungen immer mehr auch<br />

emotionell gefärbt. Jetzt kann das Kind wahrnehmen,<br />

dass die Luft z.B. „drohend“ aussieht, die<br />

Wärme drückend ist oder eine Stimme tröstend<br />

wirkt. Das ist keine rein sinnliche Wahrnehmung<br />

mehr. Es kann dem Kind helfen, wenn es in dieser<br />

Phase dazu eingeladen wird, seine Wahrnehmungen<br />

in Erfahrungen zu verwandeln. Der Erwachsene<br />

kann dabei helfen, die Gefühle in Worte zu fassen,<br />

z.B.: „So ein großer Lastwagen! Da hast du dich erschrocken<br />

!“<br />

– Die 3. Phase. Der nächste Schritt auf dem Weg in<br />

die <strong>Schulreife</strong> ist jetzt, die Außenwelt so sehen zu<br />

lernen, wie sie wirklich ist. Die Wirklichkeit, und<br />

nichts anderes als die Wirklichkeit. Der Sonnenuntergang<br />

macht den Himmel orange-rot. „Dieses Lied<br />

kenne ich schon „ oder eine Szene wie: „Du weißt<br />

doch, dass ich keinen Broccoli mag !“ „Schmeckst<br />

du ihn denn heraus?“ „Nein, aber ich habe doch gesehen,<br />

wie du ihn in den Topf getan hast!“ In dem<br />

Moment ist der Sechsjährige damit beschäftigt, die<br />

Eindrücke außer sich zu lassen, seine Sinne ganz an<br />

die Peripherie seines Organismus zu lenken.<br />

Die leibliche Seite des 2. Aspekts der<br />

Willensentwicklung. Das Fügen<br />

Die Entwicklung des Fügen-Könnens beginnt in der<br />

zweiten Phase.<br />

– In der mittleren Phase vom 2 1 ⁄3 bis zum 4 2 ⁄3 Jahr liegt<br />

der Schwerpunkt der Willensentwicklung auf dem<br />

Erobern der Außenwelt: Das Kind will sie begreifen<br />

und an ihr teilnehmen, statt sie nur wahrzunehmen.<br />

Die Welt besteht für ein 2 1 ⁄2 bis 5jähriges Kind nicht<br />

aus der abstrakten Außenseite, die wir Erwachsenen<br />

vielleicht für die echte Welt ansehen, sondern ist voll<br />

von geheimnisvollen Wirkungen. Für ein Kindergartenkind<br />

hat alles eine Bedeutung, und Zwerge gibt es<br />

wirklich! Wenn es gerade keine sieht, heißt das nur,<br />

dass sie weggelaufen sind – gerade eben waren sie<br />

noch da. In diesem Alter ist das Kind ein magischer<br />

Realist. Der Bauklotz ist ein Boot, und im nächsten<br />

Moment eine Ampel. „Ich bin der Direktor vom Zirkus,<br />

und du bist der Löwe!“ Das Kind dieses Alters ist<br />

der selbstverständliche Mittelpunkt der Schöpfung,<br />

denn es steht mitten in ihr. Das Leben schreitet von<br />

einem Fest zum nächsten, von einem Theaterstück<br />

zum andern, von einem Drama zum folgenden. Der<br />

2 Unter Lateralisation verstehen wir das Entwickeln einer dominanten Seite im Gebrauch von Händen, Füssen, Augen und Ohren.<br />

3 Das junge Kind hat die starke Neigung, seine Gliedmaßen symmetrisch zu bewegen. Die eine Hand macht unbewusst die Bewegungen<br />

der anderen mit. Das führt zu den symmetrischen unwillkürlichen Bewegungen.<br />

<strong>Schulreife</strong> 27

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