Themenheft Schulreife
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Die Entwicklung der Kreativität vom Kindergartenalter bis in das Schulalter<br />
Geseke Lundgren<br />
Kind und Gesellschaft:<br />
In unserer modernen Gesellschaft gilt immer mehr die<br />
Devise „je früher desto besser“. Dieses betrifft auch<br />
die Fragen der Kindererziehung und Pflege. In immer<br />
mehr Ländern werden Krippenplätze in Massenprogrammen<br />
angeboten, um den Frauen den Weg in den<br />
Beruf zu ebnen – im Kampfe um die Gleichberechtigung<br />
der Frau wird so das Kind zum Spielball in einer<br />
Gleichung – bei der immer irgendeiner in seinen Bedürfnissen<br />
zurückstecken muss. In Folge der Etablierung<br />
von Krippenplätzen wird schnell eine positive<br />
Argumentation dazugestellt, mit der bewiesen werden<br />
soll, dass es besser für das kleine Krabbelkind ist,<br />
sich mit 15 anderen Gleichaltrigen in einer Krippe betreuen<br />
zu lassen als im Heim zu „versauern“. Das Kind<br />
braucht „Stimulanz“, Austausch, soll so früh wie möglich<br />
professionell „gefördert“ werden. Schnell wird<br />
das schlechte Gewissen, was wohl jede Familie plagt,<br />
die ein knapp 1 Jahr altes Kind aus dem Haus gibt, erleichtert<br />
– durch die Argumentation, dass dem Kind<br />
in der Krippe ein viel besseres pädagogisches Angebot<br />
präsentiert wird als zu Hause. Spätere Probleme sowohl<br />
in der sozialen Selbstständigkeit, der Bindungsunfähigkeit<br />
als auch dem daraus entstehenden Stress<br />
werden damit offiziell nicht in Zusammenhang gebracht.<br />
<strong>Schulreife</strong>?<br />
Ähnlich kann man sehen, wie auch das Einschulungsalter<br />
immer tiefer in die frühe Kindheit herabsinkt – eine<br />
Tendenz, die vielerseits durch das Bedürfnis nach Stimulanz<br />
und Herausforderung motiviert wird (unterschwellig<br />
wird damit behauptet, dass ein Kind im Kindergarten<br />
grundsätzlich unterstimuliert ist und auch<br />
nicht in rechter Weise herausgefordert wird). Auch<br />
meint man, dass es wichtig sei – die Kinder früher in<br />
den strukturierten Lernprozess einzugewöhnen, da es<br />
sich zeigt, dass immer mehr Kinder Schwierigkeiten<br />
haben zu fokussieren und den Stoff wirklich aufzunehmen.<br />
Also fängt man ganz einfach früher an …! Die<br />
lauten Proteste von Kinderpsychiatern, Entwicklungsexperten<br />
und Pädagogen verklingen oft ungehört.<br />
Bewegungsdefizite: Die grössten Probleme, die wir<br />
heute in den frühen Schuljahren haben, beruhen auf<br />
der unzureichend ausgereiften Bewegungsfähigkeit<br />
des Kindes und damit einhergehenden körperlichen<br />
Unruhe, Probleme in der Konzentration und soziale Inkompetenz.<br />
Ja – was machen wir denn da? Trainingsprogramme<br />
für Kleinkinder? Immer mehr Unterstützunglehrer<br />
in den frühen Klassen? Oder greifen wir<br />
ganz einfach zur Medizin (Ritalin, Amphetamin) um<br />
den Kindern ein wenig extra Zentralstimuli zu schenken,<br />
damit sie endlich fokussieren können?<br />
Eigentlich ist das ein Ûbergriff auf das Recht des Kindes<br />
zu einer natürlichen Entwicklung. Zunächst einmal<br />
soll es sich in seinem eigenen Körper voll und ganz<br />
etablieren und „des eigenen Körpers Herr werden“,<br />
bevor man diese Konzentration auf andere Inhalte<br />
lenkt und fordert. Erst wenn das Kind einigermassen<br />
bei sich selbst angekommen ist, kan es seine Energie<br />
auf die Interaktion mit der Aussenwelt richten. Hier<br />
liegt eine grosse Aufgabe für den Kindergartenbereich.<br />
Es wird immer schwieriger in der heutigen Zeit der sitzenden<br />
und medienkonsumierenden Gesellschaft, diese<br />
Defizite der gesunden und natürlichen Bewegungsmöglichkeit<br />
auszugleichen.<br />
Situation in Schweden: Hier in Schweden kann ich<br />
mich des Eindruckes nicht erwehren, dass hinter dieser<br />
grandiosen „6-Jahresreform“, die im Jahre 196 durchgeführt<br />
wurde und allen 6-jährigen einen Platz in einer<br />
schulvorbereitenden Klasse anbot, im Grunde nur finanzielle<br />
Beweggründe standen. Ein Schulkind hat<br />
einen „Personalschlüssel“ von 15:1 hier in unserem<br />
Lande. Verglichen mit dem Kindergartenkind – welches<br />
mit dem Betreuungsbedarf von 9:1 (3-jährige 5:1) erheblich<br />
„teurer“ ist! Die Eltern wurden massiv mit Reklame<br />
für die viel bessere pädagogische Betreuung bearbeitet<br />
und es wurden Argumente aneinander gereiht,<br />
die damit motivieren sollten, dass die 6-Jahresklasse<br />
eine so gute Vorbereitung für die Schule sein sollte.<br />
Ausserdem passt das ja auch in die Argumentation „je<br />
früher desto besser“! Immer weniger wurden die Eltern<br />
über ihre im Grundgesetz festgelegte Wahlmöglichkeit<br />
zwischen Kindergarten und Schule für die 6-jährigen<br />
informiert. Es besteht in den kommunalen Einrichtungen<br />
keine Wahl mehr, alle 6-jährigen besuchen die<br />
schulvorbereitende Klasse. 2% der Kinder besuchen<br />
diese Klasse nicht, das sind diejenigen, die sich auf<br />
Grund der aktiven Wahl der Eltern im Waldorfkindergarten<br />
befinden.<br />
44 Die Entwicklung der Kreativität vom Kindergartenalter bis in das Schulalter