Themenheft Schulreife
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Stillstehen, das Gleichgewicht wahren … das gehört<br />
noch nicht zu ihm. Das entsteht erst in der dritten<br />
Phase. Der Rücken bekommt dann seine charakteristische<br />
doppelte S-Form, das Kind kann entspannt gerade<br />
stehen mit den Füssen nebeneinander. Mit einem Buch<br />
auf dem Kopf laufen zu üben, ist ein beliebtes Spiel,<br />
das erst gelingt, wenn die Bewegung aus der Mitte heraus<br />
gesteuert werden kann, der Kopf stillhalten kann<br />
und die Beine unabhängig davon ihre Arbeit tun.<br />
Figur 3<br />
In dieser Figur sind die folgenden Abschnitte zusammengefaßt.<br />
An der linken Seite die Entwickelung des Denkens, rechts des<br />
Wollens<br />
zielgerichteten Geschicklichkeit des schulreifen Kindes.<br />
Das ist die Entwicklungsrichtung des Willens: Von außen<br />
nach innen. Gleichzeitig gibt es eine Willensentwicklung<br />
von oben nach unten. In ihrer ersten Phase bringen<br />
Wahrnehmung und Eindrücke das Kind in Bewegung,<br />
oft in Verbindung mit Unruhe. In der zweiten Phase entwickelt<br />
sich das Wechselspiel mit der Umgebung durch<br />
das Spielen. In der dritten Phase kann man ein Kind<br />
schon einen Auftrag geben. Es kann dann seine Gliedmaßen<br />
aus der Vorstellung heraus in Bewegung bringen.<br />
Die leibliche Seite der Denkentwicklung<br />
Diese Merkmale der Denkentwicklung kann man vor<br />
allem an der kindlichen Gestalt ablesen.<br />
Der leibliche Aspekt der ersten Phase der<br />
Denkentwicklung<br />
Das Stehen – Das Sich-Aufrichten beginnt mit einem<br />
zur-Ruhe-kommen des Bewegungschaos. Das drückt<br />
sich äußerlich aus in der Art, wie das Kind seinen Kopf<br />
trägt. Das Kind, das gerade eben erst steht, ist sozusagen<br />
noch eine ganz ungegliederte Gestalt. Erst mit 2<br />
Jahren kommt wird der Hals sichtbar, aber der Bauch<br />
wölbt sich noch nach vorn und die Wirbelsäule ist noch<br />
eine ziemlich gerade Linie. In der Kindergartenzeit bewegt<br />
sich das Kind, wenn es gesund ist, noch elastisch<br />
und gelenkig. Es ist in der Bewegung ganz es selber.<br />
Der leibliche Aspekt der zweiten Phase der<br />
Denkentwicklung<br />
Das Bild – Ab 2,5 oder 3 Jahren kann der innerliche<br />
geistige Reichtum des Kindes sich in Bildern manifestieren.<br />
Glücklicherweise will das Kind seine inneren Bilder<br />
gern mit uns teilen: Wenn es spielt oder zeichnet,<br />
zeigt es uns, welche Bilder in ihm leben. Wenn wir ihm<br />
vorlesen, fühlen wir, wie es die Bilder in sich aufnimmt<br />
und sie innerlich bewegt. In dieser Phase lernt das<br />
Kind, seiner Muttersprache neue Bilder zu schenken.<br />
Neue Wortschöpfungen, originell zusammengestellte<br />
Worte die uns als Erwachsene so rühren können dass<br />
wir sie aufschreiben, um sie zu bewahren als Erinnerung,<br />
für später. Es handelt sich hier nicht darum, dass<br />
das Kind die Worte vielleicht noch nicht richtig aussprechen<br />
kann oder uns nicht richtig verstanden hat –<br />
in diesem Alter muss jedes Kind eigentlich neue Worte<br />
erfinden, denn seine schöpferische Bildekraft erstreckt<br />
sich bis in das kulturelle Element der Sprache hinein.<br />
Der leibliche Aspekt der dritten Phase der<br />
Denkentwicklung<br />
Der Spiegel – Das oben Genannte verändert sich in der<br />
dritten Phase, die Phase des Bespiegelns. Ein Kind im<br />
Alter von 5,5 bis 6 Jahren möchte die Worte gern im<br />
richtigen Sinne gebrauchen und sie korrekt aussprechen<br />
können. Falls jetzt noch neue Worte entstehen,<br />
sind es oft Erfindungen oder unsinnige Reime. Gleichzeitig<br />
können jetzt Pausen in den Sprach-und Wortstrom<br />
eintreten. Der Blick kehrt sich nach innen, das<br />
Kind ist imstande, „über etwas zu brüten“. Manchmal<br />
kommt es danach mit einer Frage, manchmal ein erstaunter<br />
Blick, oder ein tiefer Seufzer. Wenn man<br />
Zeuge eines solchen Momentes ist, kann man fragen:<br />
„Begreifst du es?“ oder „schwierig, was?“<br />
Wenn es dann den nächsten Tag noch einmal zurückkommt<br />
auf seine Frage, weiß man, dass sein Kopf jetzt<br />
lernbereit geworden ist.<br />
Die Gestalt verliert jetzt sein kleinkindliches Aussehen,<br />
der Bauch wird schlanker, und eine Taille hält jetzt die<br />
26 <strong>Schulreife</strong>