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60 Aufsätze BRAK-Mitt. 2/2011<br />

Diskussionspapier <strong>de</strong>s BRAK-Präsidiums zur Berufsethik <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte<br />

rung an verschie<strong>de</strong>nen Kanzleistandorten, die Errichtung von<br />

so genannten Chinese Walls o<strong>de</strong>r auch ein Verzicht <strong>de</strong>r Mandanten<br />

auf die Einhaltung <strong>de</strong>r Verschwiegenheitspflicht vermögen<br />

hieran nichts zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Etwas an<strong>de</strong>res kann im Einzelfall für die außergerichtliche Beratung<br />

und Vertretung gelten, wenn die erfor<strong>de</strong>rlichen Vorkehrungen<br />

gegen einen auch nur unbewussten o<strong>de</strong>r zufälligen<br />

Wissenstransfer zwischen <strong>de</strong>n jeweiligen Bearbeitern einschließlich<br />

<strong>de</strong>s zugeordneten Büropersonals getroffen wor<strong>de</strong>n<br />

sind und ihre strikte Einhaltung gewährleistet ist.<br />

c) Als wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Interessen sind nicht nur rechtliche, son<strong>de</strong>rn<br />

auch wirtschaftliche Interessenkonflikte anzusehen. Trotz<br />

gleichgerichteter rechtlicher Interessen verbietet sich <strong>de</strong>shalb<br />

bei gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen (wie z.B. bei einem<br />

beabsichtigten Unternehmenskauf o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

einem Bieterverfahren) die gleichzeitige Vertretung dieser Mandanten,<br />

und zwar auch dann, wenn die Verschwiegenheit z.B.<br />

durch die Bildung getrennter Teams und so genannter „Chinese<br />

Walls“ gewährleistet ist. Etwas an<strong>de</strong>res gilt nur dann, wenn die<br />

betroffenen Mandanten über die Mehrfachvertretung informiert<br />

wor<strong>de</strong>n sind und ihr zugestimmt haben. Sofern mit betroffenen<br />

Mandanten beson<strong>de</strong>re Mandatsbedingungen vereinbart wer<strong>de</strong>n,<br />

die aus Sicht <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Mandanten die Besorgnis erwecken<br />

können, es wür<strong>de</strong>n nicht alle Mandanten mit <strong>de</strong>m gleichen<br />

Einsatz vertreten (z.B. Erfolgsprämien), ist auch über solche<br />

Mandatsbedingungen zu informieren.<br />

d) Bei fehlen<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r zu bearbeiten<strong>de</strong>n Lebenssachverhalte<br />

ist die Übernahme eines Mandats gegen einen gleichzeitig<br />

o<strong>de</strong>r früher vertretenen Mandanten (z.B. gleichzeitige Vertretung<br />

für und gegen dieselbe Versicherungsgesellschaft o<strong>de</strong>r<br />

dieselbe Behör<strong>de</strong>) zulässig. Eine ungeteilte Loyalität gegenüber<br />

einem Mandanten ist nicht zu for<strong>de</strong>rn; auf regelmäßige und andauern<strong>de</strong><br />

Mandatsbeziehungen zu einem Mandanten muss<br />

aber vor Annahme eines Gegnermandates hingewiesen wer<strong>de</strong>n<br />

(vgl. BGH NJW 2008, 1307). Bei für die Mandatsführung relevanten<br />

Kenntnissen aus <strong>de</strong>m früheren o<strong>de</strong>r parallel geführten<br />

Gegnermandat ist die Mandatsübernahme abzulehnen.<br />

2. Vertretungsverbot und Mediation<br />

a) Anwälte und Anwältinnen dürfen in einer Angelegenheit,<br />

mit <strong>de</strong>r sie vorher schon einmal befasst waren, nicht als Mediator<br />

tätig wer<strong>de</strong>n; umgekehrt ist die Übernahme eines anwaltlichen<br />

Mandates in einer Angelegenheit, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anwalt o<strong>de</strong>r<br />

die Anwältin zuvor als Mediator tätig war, ausgeschlossen.<br />

b) Ist ein Anwalt o<strong>de</strong>r eine Anwältin als Mediator tätig, sollte<br />

er/sie um <strong>de</strong>r Unparteilichkeit <strong>de</strong>r Mediation willen von keinem<br />

<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Mediation Beteiligten zeitgleich ein an<strong>de</strong>rweitiges,<br />

nicht die Mediation betreffen<strong>de</strong>s Mandat annehmen.<br />

3. Vertretungsverbot und Eigeninteressen<br />

Eine Vermischung von Mandanteninteressen mit Eigeninteressen<br />

<strong>de</strong>r Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen (wie z.B. wirtschaftliche<br />

Verflechtungen, Begünstigungen durch einen beratenen<br />

Erblasser) sollte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

C Zur Gewissenhaftigkeit<br />

1. Gewissenhaftigkeit und berufliche Praxis<br />

a) Die Gewissenhaftigkeit in <strong>de</strong>r Berufsausübung zeigt sich in<br />

<strong>de</strong>r konsequenten Beachtung <strong>de</strong>r berufsrechtlichen und berufsethischen<br />

Regeln von <strong>de</strong>r Mandatsanbahnung an über die<br />

Mandatsführung bis hin zur Abrechnung <strong>de</strong>r anwaltlichen Tätigkeit.<br />

b) Zur Gewissenhaftigkeit <strong>de</strong>r Berufsausübung gehört eine<br />

Kanzleiorganisation, die unabhängig von <strong>de</strong>r jeweiligen Tätigkeit<br />

die beson<strong>de</strong>ren Anfor<strong>de</strong>rungen an die Sorgfalt, Transparenz<br />

und Kompetenz anwaltlicher Tätigkeit erfüllt. Das gilt<br />

auch für standardisierte Tätigkeiten wie z.B. das „Masseninkasso“.<br />

2. Gewissenhaftigkeit und Mandatsführung<br />

a) Eine gewissenhafte Mandatsführung verlangt Kompetenz,<br />

Transparenz, Sorgfalt, Vorsicht, Einsatzbereitschaft und Folgenverantwortung.<br />

b) Die für eine gewissenhafte Mandatsführung notwendige<br />

Kompetenz ist nur durch eine regelmäßige und intensive Fortbildung<br />

zu gewährleisten. Die Fortbildungsanfor<strong>de</strong>rungen an<br />

Fachanwälte sollten für alle Anwälte und Anwältinnen ein<br />

Maßstab für Inhalt und Umfang <strong>de</strong>r Fortbildung sein.<br />

c) Die Tätigkeit eines gewissenhaften Rechtsanwalts geht über<br />

die rechtlich korrekte Bearbeitung <strong>de</strong>s Mandats hinaus – <strong>de</strong>r<br />

Anwalt ist mehr als ein „Rechtstechniker“. Er be<strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>shalb<br />

über die Interessen seines Mandanten hinaus auch die Folgen<br />

seines Han<strong>de</strong>lns für <strong>de</strong>n Mandanten, aber auch <strong>de</strong>ssen Gegner,<br />

Dritte und das Gemeinwohl. Er ist in diesem Sinne ein kritischer<br />

Begleiter seines Mandanten, ohne aber seine persönlichen<br />

Maßstäbe an die Stelle <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s Mandanten zu setzen.<br />

In einem nicht zu beheben<strong>de</strong>n Konflikt darf <strong>de</strong>r Anwalt<br />

das Mandat nie<strong>de</strong>rlegen.<br />

d) Zur gewissenhaften Mandatsführung gehört nicht nur die<br />

Unterrichtung <strong>de</strong>r Mandanten über <strong>de</strong>n Fortgang <strong>de</strong>r Sache gemäß<br />

§11 BORA, son<strong>de</strong>rn auch das sorgfältige Abwägen von<br />

Prozessrisiken und <strong>de</strong>s Für und Wi<strong>de</strong>r von Vergleichen ohne<br />

Rücksicht auf Honorarinteressen.<br />

e) Eine Prozessführung und <strong>de</strong>r Abschluss von Vergleichen, die<br />

mit ungerechtfertigten Belastungen von Versicherern (Haftpflicht-,<br />

Rechtschutzversicherung) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Staatskasse verbun<strong>de</strong>n<br />

sind, (z.B. durch missbräuchliches Ausnutzen steuerlicher<br />

o<strong>de</strong>r sozialrechtlicher Vorteile bei Abfindungsvergleichen im<br />

Arbeitsrecht o<strong>de</strong>r auch im Rahmen von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren)<br />

kann strafrechtlich relevant sein, verstößt<br />

aber auf je<strong>de</strong>n Fall gegen <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r Gewissenhaftigkeit.<br />

3. Gewissenhaftigkeit und Vergütung anwaltlicher Tätigkeit<br />

a) Anwälten und Anwältinnen steht als Teilnehmern am Wirtschaftsleben<br />

wie je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Wirtschaftssubjekt eine angemessene<br />

Honorierung ihrer Tätigkeit zu. Aus ihrer beson<strong>de</strong>ren<br />

Funktion als Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege folgt aber, dass nicht nur<br />

wirtschaftliche Interessen das anwaltliche Han<strong>de</strong>ln bestimmen<br />

dürfen. Vielmehr ist im Zweifel <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>s Mandanten<br />

und <strong>de</strong>r Rechtspflege <strong>de</strong>r Vorrang einzuräumen, also z.B. ein<br />

Strafprozess nicht unnötig hinauszuzögern, um zusätzliche<br />

Hauptverhandlungstage abrechnen zu können, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Streitwert<br />

nicht künstlich hochzutreiben.<br />

b) Bei <strong>de</strong>r Vorbereitung und <strong>de</strong>m Abschluss von Vergütungsvereinbarungen<br />

sind die Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und<br />

Integrität <strong>de</strong>r Anwaltschaft in beson<strong>de</strong>rem Maße gefor<strong>de</strong>rt.<br />

Über die gesetzlichen Vorgaben <strong>de</strong>r §§ 3 a–4 b RVG hinaus erfor<strong>de</strong>rt<br />

das Gebot <strong>de</strong>r Transparenz eine nachvollziehbare Erläuterung<br />

<strong>de</strong>r jeweiligen Honorarfor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r „üblichen Vergütung“<br />

i.S.d. §34 Abs. 1Satz 2RVG i.V.m. §612 Abs. 2 BGB,<br />

<strong>de</strong>r voraussichtlich insgesamt anfallen<strong>de</strong>n Kosten, <strong>de</strong>r Risiken<br />

<strong>de</strong>r Rechtsdurchsetzung und <strong>de</strong>r möglichen Erstattungsansprüche.

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