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48 Aufsätze BRAK-Mitt. 2/2011<br />

Quaas, Die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Senats für Anwaltssachen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs im Jahre 2010<br />

reichend für die beantragte Aufhebung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung<br />

angesehen wur<strong>de</strong>. Zum Schutze <strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n<br />

ist in<strong>de</strong>ssen zwingend, dass die arbeitsvertraglich vereinbarten<br />

Beschränkungen in Ausübung <strong>de</strong>r anwaltlichen Tätigkeit<br />

nicht nur auf <strong>de</strong>m Papier stehen. Sie müssen auch „gelebt“<br />

und effektiv umgesetzt wer<strong>de</strong>n. 20 Beson<strong>de</strong>res Augenmerk<br />

gilt <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Frage, ob die arbeitsvertraglichen Beschränkungen<br />

vom angestellten Rechtsanwalt und seinen Arbeitgebern<br />

auch eingehalten wer<strong>de</strong>n. Hierzu müssen – auch in Vertretungsfällen<br />

greifen<strong>de</strong> – Sicherungsvorkehrungen getroffen<br />

wer<strong>de</strong>n, die eine effektive Kontrolle <strong>de</strong>r vertraglichen Vereinbarungen<br />

gewährleisten; es bedarf einer ausreichend engen tatsächlichen<br />

Überwachung, um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass <strong>de</strong>r Rechtsanwalt<br />

mit Mandantengel<strong>de</strong>rn in Berührung kommt. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt hat <strong>de</strong>r Senat etwa ein Anstellungsverhältnis<br />

mit einer Einzelkanzlei nicht als ausreichend angesehen,<br />

weil in diesem Fall nicht zuverlässig sichergestellt ist, dass die<br />

Einhaltung <strong>de</strong>r Vereinbarungen auch während urlaubs- o<strong>de</strong>r<br />

krankheitsbedingter Abwesenheit <strong>de</strong>s Einzelanwalts überwacht<br />

wird. 21 Für die notwendige „Überwachung“ <strong>de</strong>s Anwalts ist<br />

nicht ausreichend, dass die erfor<strong>de</strong>rliche Kontrolle <strong>de</strong>r Tätigkeit<br />

<strong>de</strong>s angestellten Rechtsanwalts durch an<strong>de</strong>re Angestellte <strong>de</strong>r<br />

Kanzlei, auch nicht durch einen an<strong>de</strong>ren angestellten Rechtsanwalt<br />

übernommen wird, die zu ihm nicht in vertraglicher Beziehung<br />

stehen. 22 Die Prüfung <strong>de</strong>s Senats unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt<br />

<strong>de</strong>r „Flucht in die Angestelltenalternative“ läuft also letztlich<br />

auf die Frage hinaus, ob <strong>de</strong>r arbeitsvertraglich gebun<strong>de</strong>ne<br />

Rechtsanwalt <strong>de</strong>n Anstellungsvertrag „nur zum Schein“ geschlossen<br />

hat und in Wahrheit weiterhin als selbständiger Anwalt<br />

tätig ist. 23<br />

Zur Ausräumung <strong>de</strong>r Vermutung <strong>de</strong>r Gefährdung <strong>de</strong>r Interessen<br />

<strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n ist – wie ausgeführt – im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rrufsentscheidung die Prognose erfor<strong>de</strong>rlich, dass sich im<br />

Einzelfall die typischen Gefahren, die mit <strong>de</strong>m Vermögensverfall<br />

eines Anwalts verbun<strong>de</strong>n sind, nicht realisieren wer<strong>de</strong>n.<br />

Um die Prognose abzusichern, dass eine solche Gefährdung<br />

<strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n ausgeschlossen ist, kommt es maßgebend<br />

auch darauf an, ob <strong>de</strong>r Anwalt selbst zielgerichtet, ernsthaft<br />

und planvoll die erfor<strong>de</strong>rlichen Schritte zur Stabilisierung seiner<br />

Vermögensverhältnisse unternommen hat. 24 Auch dafür ist<br />

im Regelfall ein mehrjähriger Zeitraum als Grundlage einer solchen<br />

Prognose erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

An<strong>de</strong>rerseits dürfen die arbeitsvertraglichen Beschränkungen<br />

<strong>de</strong>s angestellten Anwalts und insbeson<strong>de</strong>re die Sicherungsvorkehrungen<br />

zu ihrer Überwachung nicht auf unabsehbare Zeit<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sein. Das wäre mit <strong>de</strong>m Berufsbild <strong>de</strong>s Rechtsanwalts<br />

nicht in Einklang zu bringen. Die Prognose muss <strong>de</strong>shalb<br />

auch <strong>de</strong>n Schluss erlauben, dass nach einer gewissen Zeit mit<br />

einer Konsolidierung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse gerechnet<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Insbeson<strong>de</strong>re muss mit <strong>de</strong>n Gläubigern eine Regelung<br />

über die Rückführung <strong>de</strong>r Verbindlichkeiten getroffen<br />

sein, die <strong>de</strong>m Rechtsanwalt ein geordnetes Wirtschaften ermöglicht.<br />

25<br />

20 Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht,<br />

2010, §14 BRAO, Rdnr. 45.<br />

21 BGH, Beschl. v. 5.12.2005, NJW-RR 2006, 559; 26.11.2009 –<br />

AnwZ (B) 27/09, Rdnr. 17; Beschl. v. 8.2.2010 – AnwZ (B) 67/08,<br />

Rdnr. 12, BRAK-Mitt. 2010, 129.<br />

22 BGH, Beschl. v. 18.10.2010 – AnwZ (B) 21/10 u.Vw. auf BGH,<br />

Beschl. v. 5.12.2005 in NJW-RR 2006, 559, 560.<br />

23 BGH, Beschl. v. 18.10.2010 – AnwZ (B) 21/10.<br />

24 BGH, Beschl. v. 13.9.2010 – AnwZ (B) 106/09; Beschl. v. 8 2.2010 –<br />

AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129, AnwBl. 2010, 442, 443<br />

(Rdnr. 11).<br />

25 BGH, Beschl. v. 26.3.2007 – AnwZ (B) 23/06; Beschl. v. 13.9.2010 –<br />

AnwZ (B) 106/09.<br />

d) Probleme bei <strong>de</strong>r Zustellung<br />

Immer wie<strong>de</strong>r kommt es vor, dass einem (ehemaligen) Rechtsanwalt,<br />

<strong>de</strong>ssen Zulassung bestandskräftig o<strong>de</strong>r mit Sofortvollzug<br />

versehen wi<strong>de</strong>rrufen wor<strong>de</strong>n ist, amtliche Schriftstücke seitens<br />

<strong>de</strong>r RAK o<strong>de</strong>r eines Anwaltsgerichts in seinen (bisherigen)<br />

Kanzleiräumen zugestellt wer<strong>de</strong>n. Es mag sich dabei um (weitere)<br />

Wi<strong>de</strong>rrufsentscheidungen <strong>de</strong>r Kammer o<strong>de</strong>r gerichtliche<br />

Ladungen o<strong>de</strong>r Entscheidungen über <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf han<strong>de</strong>ln. In<br />

all diesen Fälle kann sich die Frage stellen, ob eine Ersatzzustellung<br />

<strong>de</strong>s Schriftstücks durch Einlegen in <strong>de</strong>n Briefkasten <strong>de</strong>r<br />

Kanzlei (§ 178, 180 ZPO) wirksam vorgenommen wur<strong>de</strong>. Das<br />

hat <strong>de</strong>r Senat in zwei Entscheidungen aus <strong>de</strong>m Jahre 2010 26<br />

verneint. Wur<strong>de</strong> die Zulassung <strong>de</strong>s Rechtsanwalts im Zeitpunkt<br />

<strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>s Schriftstücks bestandskräftig wi<strong>de</strong>rrufen,<br />

verliert die Kanzlei ihre Eigenschaft als „Geschäftsraum“ (i.S.d.<br />

§§ 178, 180 ZPO). Gleiches gilt mit Anordnung <strong>de</strong>s Sofortvollzuges<br />

<strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs auf Grund <strong>de</strong>s dadurch bewirkten Berufsverbots<br />

(§ 14 Abs. 4Satz 1 i.V.m. §155 Abs. 2 BRAO). Allein<br />

<strong>de</strong>r Umstand, dass <strong>de</strong>r Rechtsanwalt die früheren Kanzleiräume<br />

noch für eine gewisse Zeit weiter nutzt, etwa um von dort<br />

aus seine Zulassungsangelegenheit (§ 155 Abs. 4 BRAO) o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re persönliche Angelegenheiten zu betreiben, führt nicht<br />

dazu, dass es sich hierbei – wie es für eine Ersatzzustellung<br />

nach §178, 180 ZPO erfor<strong>de</strong>rlich wäre – um einen <strong>de</strong>m Publikumsverkehr<br />

dienen<strong>de</strong>n Geschäftsraum han<strong>de</strong>lt, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Rechtsanwalt zur Zeit <strong>de</strong>r Zustellung regelmäßig seiner<br />

Berufsausübung nachgeht. Eine an<strong>de</strong>re Frage ist, ob ein Rechtsanwalt,<br />

<strong>de</strong>r trotz <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>s Sofortvollzuges seine Tätigkeit<br />

fortsetzt, das Kanzleischild nicht entfernt und auch sonst<br />

nicht nach außen kundbar macht, dass er seine berufliche Tätigkeit<br />

aufgegeben hat, <strong>de</strong>n Rechtschein eines nach wie vor betriebenen<br />

Geschäftsraumes gegen sich gelten lassen muss. Das<br />

kann bei dorthin gerichteten Zustellungen durch Dritte <strong>de</strong>r Fall<br />

sein. 27 Die RAK, die die Zustellung veranlasst hat, kann sich<br />

auf einen solchen Rechtsschein nicht berufen. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

dürfte für die Anwaltsgerichte gelten, wenn diese von <strong>de</strong>r Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Sofortvollzuges o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bestandskraft <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung<br />

Kenntnis haben. 28<br />

2. Unvereinbarer Zweitberuf: Dauertätigkeit im öffentlichen<br />

Dienst<br />

Nach §14 Abs. 2 Nr. 8BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft<br />

zu wi<strong>de</strong>rrufen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsanwalt eine Tätigkeit<br />

ausübt, die mit seinem Beruf, insbeson<strong>de</strong>re seiner Stellung als<br />

unabhängiges Organ <strong>de</strong>r Rechtspflege, nicht vereinbar ist o<strong>de</strong>r<br />

das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefähr<strong>de</strong>n kann. Diese<br />

Regelung zielt – ebenso wie die entsprechen<strong>de</strong> Regelung über<br />

die Versagung <strong>de</strong>r Zulassung (§ 7 Nr. 8BRAO) – u.a. darauf ab,<br />

im Interesse einer funktionieren<strong>de</strong>n Rechtspflege das Erscheinungsbild<br />

einer von staatlichen Einflüssen freien Advokatur zu<br />

schützen, in<strong>de</strong>m die beruflichen Sphären <strong>de</strong>r Anwaltschaft und<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Dienstes <strong>de</strong>utlich getrennt wer<strong>de</strong>n. Für die Betroffenen<br />

ist die damit verbun<strong>de</strong>ne Beschränkung ihrer Berufsfreiheit<br />

allerdings nur zumutbar, wenn <strong>de</strong>r Unvereinbarkeitsgrundsatz<br />

nicht starr gehandhabt wird. Erfor<strong>de</strong>rlich ist eine Einzelfallprüfung,<br />

die <strong>de</strong>r Vielgestaltigkeit <strong>de</strong>r Tätigkeiten im öffentlichen<br />

Dienst gerecht wird. 29 Eine Dauertätigkeit im öffentlichen<br />

Dienst kann Belange <strong>de</strong>r Rechtspflege gefähr<strong>de</strong>n, wenn<br />

<strong>de</strong>r Anwalt öffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, bei<br />

<strong>de</strong>nen das rechtsuchen<strong>de</strong> Publikum annehmen kann, die Un-<br />

26 BGH, Beschl. v. 8.2.2010 – AnwZ (B) 91/08; Beschl. v. 18.10.2010 –<br />

AnwZ (B) 22/10, BRAK-Mitt. 2011, 80 (in diesem Heft).<br />

27 BGH, Beschl. v. 16.6.1993, NJW-RR 1993, 1083.<br />

28 BGH, Beschl. v. 18.10.2010 – AnwZ (B) 22/10, BRAK-Mitt. 2011, 80<br />

(in diesem Heft).<br />

29 BGH, Beschl. v. 8.2.2010 – AnwZ (B) 9/09.

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