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78 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 2/2011<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
Sie gab allerdings an, dass bei <strong>de</strong>r Kontrolle vor Verlassen <strong>de</strong>r<br />
Kanzlei alle Fristen für <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Tag gestrichen waren<br />
und sie davon ausgegangen sei, dass <strong>de</strong>r Anwalt selbst die Frist<br />
gestrichen habe.<br />
Wer tatsächlich die Frist gestrichen hatte, blieb also offen. Aus<br />
<strong>de</strong>r ei<strong>de</strong>sstattlichen Versicherung ergab sich allerdings, dass die<br />
Kanzleiorganisation die Möglichkeit vorsieht, dass auch <strong>de</strong>r<br />
Anwalt selbst die Friststreichung vornehmen kann. Das wäre<br />
für sich genommen nicht schädlich. Der BGH verlangt allerdings<br />
in einem solchen Fall zweierlei. Zum einen muss zur<br />
Begründung <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantrags vorgetragen und<br />
glaubhaft gemacht wer<strong>de</strong>n, dass es im konkreten Fall ausgeschlossen<br />
war, dass <strong>de</strong>r Anwalt selbst die Frist versehentlich<br />
verfrüht gestrichen hatte; an<strong>de</strong>rnfalls wäre <strong>de</strong>ssen Verschul<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>m Mandanten nach §85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen, was<br />
einer Wie<strong>de</strong>reinsetzung entgegenstün<strong>de</strong>. Des Weiteren hat er<br />
auch jegliche Organisationsfehler auszuschließen. Der BGH<br />
verlangt, dass für <strong>de</strong>n Fall, dass verschie<strong>de</strong>ne Personen in <strong>de</strong>r<br />
Kanzlei die Friststreichung vornehmen dürfen, auch vorgetragen<br />
wird, welche organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung<br />
von Fehlerquellen bei Kompetenzüberschneidungen vorgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n. Zu bei<strong>de</strong>n Fragen war im Wie<strong>de</strong>reinsetzungsantrag<br />
nicht ausreichend Stellung genommen wor<strong>de</strong>n, so<br />
dass dieser letztlich scheiterte.<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab<br />
Delegierung <strong>de</strong>r Fristenkontrolle und überobligatorische<br />
Kontrollen<br />
1. Je<strong>de</strong>nfalls nach Ablauf einer beanstandungsfreien sechsmonatigen<br />
Probezeit kann ein Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung<br />
einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
und sorgfältig überwachten Rechtsanwaltsfachangestellten<br />
überlassen. (amtlicher Leitsatz)<br />
2. Fehler <strong>de</strong>s Anwalts bei überobligatorischen Kontrollen wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>m Anwalt nicht zugerechnet. (eigener Leitsatz)<br />
BGH, Beschl. v. 13.1.2011 – VII ZB 95/08<br />
Anmerkung:<br />
Das OLG hatte nach Versäumung sowohl <strong>de</strong>r Berufungs- als<br />
auch <strong>de</strong>r Berufungsbegründungsfrist Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n<br />
vorigen Stand verweigert und die Berufung als unzulässig verworfen.<br />
Die Anwaltskanzlei hatte vorgetragen, dass man die<br />
Fristennotierung und -überwachung einer im Oktober 2007<br />
eingestellten ausgebil<strong>de</strong>ten Rechtsanwaltsfachangestellten<br />
übertragen habe. Nach einer Phase intensiver Kontrolle und<br />
Überprüfung <strong>de</strong>r von ihr bearbeiteten Fristen habe man festgestellt,<br />
dass die Mitarbeiterin ausgesprochen sorgfältig und<br />
zuverlässig arbeite, und nur noch stichprobenartige Kontrollen<br />
durchgeführt. Zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Probezeit zum 22.4.2008 habe<br />
die Kanzlei beschlossen, die Mitarbeiterin fest zu übernehmen.<br />
Es sei vereinbart wor<strong>de</strong>n, bis En<strong>de</strong> Mai 2008 wie<strong>de</strong>r eine intensivere<br />
Kontrolle darauf hin durchzuführen, ob die Sorgfalt <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeiterin nach Bestehen <strong>de</strong>r Probezeit etwa nachlasse. In<br />
dieser Phase wur<strong>de</strong> in einem Fall die Berufungsfrist im elektronischen<br />
Fristenkalen<strong>de</strong>r versehentlich auf <strong>de</strong>n 23.7.2008 statt<br />
auf <strong>de</strong>n 23.6.2008 notiert.<br />
Das OLG begrün<strong>de</strong>te die Ablehnung <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />
damit, dass bei <strong>de</strong>n vorgetragenen intensiven Kontrollen <strong>de</strong>r<br />
sachbearbeiten<strong>de</strong> Anwalt die hier im Einzelfall versehentlich<br />
unterbliebene Fristnotierung selbst hätte bemerken müssen, so<br />
dass von einem Anwaltsverschul<strong>de</strong>n auszugehen sei.<br />
Der BGH gewährte Wie<strong>de</strong>reinsetzung und stellte fest, dass die<br />
Delegierung <strong>de</strong>r Notierung üblicher Fristen an eine zuverlässige<br />
und erprobte ausgebil<strong>de</strong>te Fachangestellte nach Ablauf <strong>de</strong>r<br />
sechsmonatigen Probezeit zulässig sei. Einer Kontrolle je<strong>de</strong>r<br />
Fristnotierung im Einzelfall habe es daher nicht mehr bedurft.<br />
Da eine Pflicht zur Kontrolle im Einzelfall nicht (mehr) bestand,<br />
führte die überobligatorisch durchgeführte Kontrolle nicht zu<br />
einer Verschärfung <strong>de</strong>r Sorgfaltspflichten im Einzelfall. Unterläuft<br />
einem Anwalt bei einer überobligatorischen Kontrolle ein<br />
Fehler, wird dieser <strong>de</strong>r Prozesspartei nicht zugerechnet (BGH,<br />
NJW 1995, 1682; NJW 1992, 1047).<br />
Rechtsanwalt Holger Grams<br />
Berufsrechtliche Rechtsprechung<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
*Leitsatz <strong>de</strong>r Redaktion (Orientierungssatz)<br />
Zur Führung <strong>de</strong>r Berufsbezeichnung <strong>de</strong>s Aufnahmemitgliedstaats<br />
RL 89/48/EWG; RL 98/5/EG<br />
1. We<strong>de</strong>r die Richtlinie 89/48/EWG <strong>de</strong>s Rates v. 21.12.1988 über<br />
eine allgemeine Regelung zur Anerkennung <strong>de</strong>r Hochschuldiplome,<br />
die eine min<strong>de</strong>stens dreijährige Berufsausbildung<br />
abschließen, in <strong>de</strong>r durch die Richtlinie 2001/19/EG <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Parlaments und <strong>de</strong>s Rates v. 14.5.2001 geän<strong>de</strong>rten Fassung<br />
noch die Richtlinie 98/5/EG <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments und <strong>de</strong>s<br />
Rates v. 16.2.1998 zur Erleichterung <strong>de</strong>r ständigen Ausübung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsanwaltsberufs in einem an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaat als <strong>de</strong>m, in<br />
<strong>de</strong>m die Qualifikation erworben wur<strong>de</strong>, stehen <strong>de</strong>r Anwendung<br />
nationaler Bestimmungen, gleich ob Rechts- o<strong>de</strong>r Verwaltungsvorschriften,<br />
die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind,<br />
wie Vorschriften über Organisation, Stan<strong>de</strong>spflichten, Kontrolle<br />
und Haftung, auf alle Personen, die <strong>de</strong>n Rechtsanwaltsberuf im<br />
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, insbeson<strong>de</strong>re hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>s Zugangs zu diesem Beruf, entgegen.<br />
2. Die Richtlinien 89/48 und 98/5 ergänzen einan<strong>de</strong>r dadurch,<br />
dass sie für die Rechtsanwälte <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten zwei Wege <strong>de</strong>s<br />
Zugangs zum Rechtsanwaltsberuf in einem Aufnahmemitgliedstaat<br />
unter <strong>de</strong>r dortigen Berufsbezeichnung einführen.<br />
EuGH, Urt. v. 3.2.2011 – C-359/09<br />
Volltext unter www.<strong>brak</strong>-<strong>mitteilungen</strong>.<strong>de</strong><br />
Zulassung zur Eignungsprüfung für die Ausübung <strong>de</strong>s<br />
Anwaltsberufs in Österreich<br />
RL 89/48/EWG; RL 2001/19/EG<br />
1. Im Hinblick auf <strong>de</strong>n Zugang zum reglementierten Beruf <strong>de</strong>s<br />
Rechtsanwalts im Aufnahmemitgliedstaat kann sich, vorbehaltlich