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46 Aufsätze BRAK-Mitt. 2/2011<br />
Quaas, Die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Senats für Anwaltssachen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs im Jahre 2010<br />
Die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Senats für Anwaltssachen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs<br />
im Jahre 2010<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Quaas, M.C.L.*<br />
Der Beitrag ist die Fortsetzung von BRAK-Mitt. 2010, S. 42,<br />
über die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH im Jahre 2009.<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r zum Senat für Anwaltssachen <strong>de</strong>s BGH im Jahr<br />
2010 gelangten Verfahren in Verwaltungssachen ist gegenüber<br />
2009 drastisch zurückgegangen, nämlich von 125 (2009) auf<br />
74 (2010). 1 Nach wie vor bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Hauptanteil <strong>de</strong>r Verwaltungssachen<br />
<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r Zulassung wegen Vermögensverfalls<br />
(Vv). Auch insoweit sind in<strong>de</strong>ssen die Zahlen <strong>de</strong>utlich gesunken:<br />
Waren es 2009 noch 81 Fälle, gingen 2010 lediglich<br />
66 „Vv-Fälle“ ein.<br />
Der Grund für diesen Einbruch liegt im neuen Zulassungsrecht.<br />
Durch die am 1.9.2009 in Kraft getretene BRAO-Reform entschei<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>r Anwaltssenat in Verwaltungssachen in <strong>de</strong>r Regel<br />
nur dann, wenn entwe<strong>de</strong>r die Berufung durch <strong>de</strong>n AGH zugelassen<br />
wur<strong>de</strong> (was die seltene Ausnahme ist) o<strong>de</strong>r die Entscheidung<br />
über die Nichtzulassung <strong>de</strong>r Berufung mit <strong>de</strong>r Nichtzulassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
angegriffen wird. Insoweit sind 2010 in <strong>de</strong>n<br />
74 Verwaltungssachen 17 Anträge auf Zulassung <strong>de</strong>r Berufung<br />
und zwei zugelassene Berufungen nach neuem Recht enthalten.<br />
Sind – womit 2011 zu rechnen ist – die „Altfälle“ abgearbeitet,<br />
wird sich <strong>de</strong>r Anwaltssenat zu einem Spruchkörper entwickeln,<br />
<strong>de</strong>r nur noch höchst selten auf Grund mündlicher Verhandlung<br />
entschei<strong>de</strong>t. Grundsatzentscheidungen <strong>de</strong>s BGH<br />
wird man zukünftig an einer, maximal an zwei Hän<strong>de</strong>n abzählen<br />
können. Hat das die Reform gewollt<br />
I. Entscheidungen in Zulassungssachen<br />
1. Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r Zulassung wegen Vermögensverfalls,<br />
§14 Abs. 2 Nr. 7BRAO<br />
a) Allgemeines<br />
Die Zulassung zur Rechtsanwaltsanwaltschaft ist nach §14<br />
Abs. 2 Nr. 7BRAO zu wi<strong>de</strong>rrufen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsanwalt in<br />
Vermögensverfall geraten ist, es sei <strong>de</strong>nn, dass dadurch die Interessen<br />
<strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n nicht gefähr<strong>de</strong>t sind. Ein Vermögensverfall<br />
wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über<br />
das Vermögen <strong>de</strong>s Rechtsanwalts eröffnet o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rechtsanwalt<br />
in das vom Insolvenzgericht o<strong>de</strong>r vom Vollstreckungsgericht<br />
zu führen<strong>de</strong> Verzeichnis eingetragen ist.<br />
Wie aus <strong>de</strong>r verfassungsmäßigen 2 Bestimmung <strong>de</strong>s §14 Abs. 2<br />
Nr. 7BRAO ersichtlich, hängt <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r Zulassung zur<br />
Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls von zwei Voraussetzungen<br />
ab, die kumulativ vorliegen müssen: Der betroffene<br />
* Der Autor ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Medizinrecht<br />
und Richter im Senat für Anwaltssachen <strong>de</strong>s BGH; für die wertvolle<br />
Unterstützung <strong>de</strong>s Beitrags danke ich Herrn Carsten Lembach, zur<br />
Zeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BGH.<br />
1Neben <strong>de</strong>n Verwaltungssachen, über die hier berichtet wird, gibt es<br />
die Disziplinarsachen wegen Verletzung von Anwaltspflichten, die<br />
konstant (niedrig) geblieben sind. 2010 waren insoweit 11 Eingänge<br />
zu verzeichnen.<br />
2Vgl. Bartosch-Koch, AnwBl. 2008, 737, BRAK-Mitt. 2010, 27.<br />
Rechtsanwalt muss sich in Vermögensverfall befin<strong>de</strong>n und die<br />
Interessen <strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong>n müssen dadurch gefähr<strong>de</strong>t sein.<br />
Bei<strong>de</strong> Voraussetzungen unterliegen uneingeschränkter gerichtlicher<br />
Nachprüfung. Insoweit prüft das Gericht, ob im Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung ein Vermögensverfall vorlag. Davon ist<br />
auszugehen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte<br />
finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen<br />
kann, geraten und außer Stan<strong>de</strong> ist, seinen Verpflichtungen<br />
nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbeson<strong>de</strong>re die<br />
Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen<br />
ihn. 3 Gegenstand <strong>de</strong>r gerichtlichen Überprüfung ist damit –<br />
allein – das Vorliegen von ungeordneten Vermögensverhältnissen.<br />
Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um ein materielles Prüfungskriterium,<br />
das auf eine inhaltliche Ordnung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse abzielt.<br />
In <strong>de</strong>r gerichtlichen Praxis ist das Vorliegen <strong>de</strong>s Vermögensverfalls<br />
im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung regelmäßig unstreitig.<br />
Streitig ist dagegen die Frage, ob sich die Vermögensverhältnisse<br />
<strong>de</strong>s Betroffenen im Laufe <strong>de</strong>s (gerichtlichen) Verfahrens<br />
so gebessert haben, dass <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsgrund nachträglich<br />
weggefallen ist. Dafür – also für „geordnete Vermögensverhältnisse“<br />
– muss <strong>de</strong>r Rechtsanwalt vollen Beweis erbringen. Er<br />
muss eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen For<strong>de</strong>rungen<br />
vorlegen, die auch Angaben enthält, welche <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen<br />
bereits erfüllt wor<strong>de</strong>n sind und wie die noch offenen<br />
For<strong>de</strong>rungen erfüllt wer<strong>de</strong>n sollen. Die in <strong>de</strong>r Aufstellung gemachten<br />
Angaben sind zu belegen. 4<br />
Maßgeben<strong>de</strong>r Beurteilungszeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung<br />
<strong>de</strong>s Vorliegens <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsvoraussetzungen ist grundsätzlich<br />
– da es sich <strong>de</strong>r Sache nach um eine „Anfechtungsklage“<br />
(§ 42 Abs. 2 VwGO) han<strong>de</strong>lt – <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>de</strong>r letzten<br />
Behör<strong>de</strong>nentscheidung (d.h. <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rrufsverfügung durch die<br />
Rechtsanwaltskammer – RAK). Im flexiblen Verfahren <strong>de</strong>s FGG<br />
und aus grundrechtlichen (Art. 12 GG) sowie prozessökonomischen<br />
Grün<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r Anwaltssenat in<strong>de</strong>ssen in ständiger<br />
Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />
Sach- und Rechtslage nach Erlass eines belasten<strong>de</strong>n VA stets in<br />
allen Verfahrensstadien berücksichtigt wer<strong>de</strong>n können. Namentlich<br />
gilt dies für die Konsolidierung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse<br />
erst im Beschwer<strong>de</strong>verfahren vor <strong>de</strong>m Anwaltssenat, die<br />
zur Aufhebung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs führt, obwohl <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf ursprünglich<br />
rechtmäßig war. Dieser Umstand fin<strong>de</strong>t dann lediglich<br />
noch in <strong>de</strong>r Kostenentscheidung Berücksichtigung. 5 Ob an<br />
dieser Rechtsprechung auch nach Einführung <strong>de</strong>r VwGO in <strong>de</strong>r<br />
Anwaltsgerichtsbarkeit festzuhalten ist, 6 wird <strong>de</strong>r Senat voraus-<br />
3St. Rspr., Senat, Beschl. v. 25.3.1991 – AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt.<br />
1991, 102; Beschl. v. 26.3.2007 – AnwZ (B) 45/06, n.v.<br />
4BGH, Beschl. v. 31.3.2008 – AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221<br />
(nur LS).<br />
5Beispielhaft BGH, Beschl. v. 6.11.1998, BRAK-Mitt. 1999, 37; s.a.<br />
Johnigk/Kirchberg, BRAK-Mitt. 2009, 215, 221.<br />
6So Kleine-Cosack, AnwBl. 2009, 619, 625; Johnigk/Kirchberg,<br />
BRAK-Mitt. 2009, 214, 221 f.; Schmidt-Räntsch, Gaier/Wolf/<br />
Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, §14 BRAO Rdnr. 365; a.A.<br />
Degen/Milsch, VBl. BW Son<strong>de</strong>rbeilage 11/2009, S. 6.