Chronik von RAD-Rennsportveranstaltungen in Mecklenburg ...

21.08.2001: OSTSEE-ZEITUNG/Sport
Rad-Rennsportchronik - Mecklenburg-Vorpommern
Dassow radelt auf Spuren von Jens Voigt - Radprofi unterstützt in alter Heimat Jugendarbeit
Der Tour de France-Star Jens Voigt besucht seine alte Heimat Dassow. Gestern Abend bereitete die mecklenburgische Kleinstadt
dem Sportler einen großen Empfang. Dassow ist eine Radsport-Hochburg und Jens Voigt ist daran nicht ganz unschuldig.
Dassow (OZ) Eric Frank schiebt ein knallgelbes Rennrad durch Dassow. Er will es verkaufen, im Fahrradladen von Ingo Eichberg,
seinem Trainer.
Der 13-Jährige ist eine der großen Nachwuchshoffnungen vom Sportverein Dassow 24. Amtierender Landesmeister. Dass es der
großgewachsene Junge einmal bis in die Bundesliga schafft, gilt fast als sicher.
Das nagelneue Rennrad hat Eric am Wochenende aus Hamburg mitgebracht. Wie sein Namensvetter Erik Zabel stand auch der
Dassower bei den HEW-Cyclassics auf dem Siegerpodest. „Eric hat als jüngster von 30 Teilnehmern auf dem Ergometer über 1000
Meter die schnellste Zeit hingelegt. Als Siegprämie gab's das Rad“, erklärt Trainer Ingo Eichberg. Nur, mit der 3000 Mark teuren
Rennmaschine kann das Radsporttalent nichts anfangen. „Ich habe schon drei Räder und die sind viel besser“, meint der 13-Jährige,
der in seiner dreifarbigen Kluft aussieht wie ein kleiner Profi.
Dassow – die Kleinstadt im äußersten Nordwesten Mecklenburg-Vorpommerns gilt seit Jahrzehnten als Hochburg des Radsports.
In Hamburg haben die Mecklenburger ihre Klasse einmal mehr bewiesen. Sie belegten Platz fünf in der Mannschaftswertung. Erich
Eichberg (45), Jüngster der drei Eichberg-Brüder, sprintete in der Einzelwertung gar auf Platz vier.
Für seinen ehemaligen Schützling Jens Voigt verlief das erste Weltcup-Rennen in Deutschland nicht so erfolgreich. Nach einem
Sturz musste der 29-Jährige vorzeitig vom Rad steigen. Die Zwangspause währte aber nur kurz. Wer Glück hatte, konnte Dassows
berühmtesten Sohn gestern beim Rad fahren auf der Landstraße zwischen Kalkhorst und Boltenhagen beobachten. „Die Schwellung
am Knie ist abgeklungen. Ich bin wieder fit“, verkündete Voigt nach dem Training in Dassow.
Für drei Tage besucht der Ausnahmesportler seine alte Heimat und selbstverständlich auch den Nachwuchs vom SV Dassow 24.
„Ich bin schon beeindruckt, was der Verein mit wenig Geld auf die Beine stellt“, meint Voigt und sagt mit Blick auf seinen ehemaligen
Trainer Ingo Eichberg: „Ihr macht hier wirklich gute Arbeit!“
Eric Frank, André Friedrich, Steffen Karow, Christian Scheffler und die anderen jungen Radsportler kleben Jens Voigt förmlich an
den Lippen. Sie sind endlich ganz dicht dran an ihrem großen Vorbild. Nicht wenige der Jungs sind nur wegen ihm auf das Rennrad
gestiegen. „Er ist schon ein toller Sportler“, meint Eric ehrfürchtig.
Mit 60 Mitgliedern hat der Dassower Sportverein die größte Radsport-Sektion im Nordosten. Wann immer im Land Rennen
stattfinden, sind die rot-silber-schwarzen Trikots der Dassower in der Spitze dabei. Der Verein räumte bei den letzten
Landesmeisterschaften allein sieben Titel ab. „Unsere Jungs sind schon richtige Kracher. Seitdem Jens in der Weltspitze mitfährt, ist
die Nachwuchsarbeit ein Selbstläufer. Die Motivation ist riesig, das Engagement der Dassower groß“, lobt Ingo Eichberg.
Seit knapp drei Jahren betreibt der 50-Jährige einen Fahrradladen in Dassow. „Radcenter – Wir machen Profis . . .“ steht in großen
Buchstaben über dem Eingang. Ein großer Anspruch, aber nicht gelogen. Jens Voigt ist der erste Star, den die radsportverrückten
Dassower herausgebracht haben und bestimmt nicht der letzte. Da sind sich Ingo Eichberg und seine Trainerkollegen fast sicher.
Eichberg fuhr selbst lange Zeit erfolgreich Rad. „In meiner Jugend habe ich 30 Titel geholt.“ Seit einiger Zeit ist es vorbei mit dem
Sport. Bandscheibenvorfall. Aber das hindert Eichberg nicht daran, den Nachwuchs weiter zu trainieren. „Jetzt gebe ich halt vom Auto
aus Anweisungen“, meint er. Ende der Woche steht die Kids-Tour in Berlin an. „Das größte Nachwuchsrennen Europas. Wir schicken
allein vier Talente“, betont Eichberg. Vordere Plätze für die Dassower Jungs sind fast vorprogrammiert. Die Vorbereitungen laufen wie
bei den Großen. Sechs Tage in der Woche Training. Ausdauerlauf, Kraftsport. Selbst auf die Ernährung schauen die Profis von
morgen ganz genau. „Wenn ich zuviel auf die Waage bringe, gibt es abends nur Salat“, verrät André Friedrich (15). Jens Voigt lacht.
Trotz seines großen Erfolgs ist der Vater zweier Kinder auf dem Teppich geblieben. Sympathisch und locker, wie ihn die Dassower
kennen. „Jedes Jahr schickt Jens uns Brillen, Helme und auch Shirts von seinen Sponsoren. Die verteilen wir an die Besten aus dem
Team. Das ist für die Jungs natürlich immer ein zusätzlicher Ansporn“, weiß Eichberg. Und auch an seinen ehemaligen Trainer denkt
Voigt. Im Radcenter hängt ein gelbes Trikot, das der Profi einst bei der Niedersachsen-Rundfahrt gewann.
Schon am Wochenende in Berlin wird es für Eric, Frank und die anderen ein Wiedersehen mit ihrem Idol Jens Voigt geben. Der
verkündete gestern, dass er den Startschuss für das Nachwuchsrennen geben wird. Er tut das nicht zuletzt auch für den Dassower
Sportverein. „Ich versuche, mehrmals im Jahr nach Mecklenburg zu kommen. Nicht nur wegen meiner Familie. Die Nachwuchsarbeit
des Vereins liegt mir schon am Herzen“, sagt Voigt.
SIMONE GAU
Radsprtverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Christian Herzog
02.01.2011 21:57:27
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