Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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Erwerbstätigkeit – oder des Studiums - der Tochter<br />
ablehnen. Daneben jene, die ein Studium befürworten,<br />
jedoch an den Berufsaussichten zweifeln, weshalb<br />
ihre Skepsis gegenüber dem Architekturstudium<br />
der Tochter zunächst überw<strong>und</strong>en werden muss.<br />
Und drittens finden wir Väter, die ein solches Studium<br />
der Tochter sichtlich unterstützen oder sogar forcieren.<br />
Soweit der Vater dem Studium oder der Fächerwahl<br />
im Wege steht, gelingt es den Töchtern nur auf zeitraubenden<br />
Umwegen resp. nach dem Tod des Vaters<br />
Architektur zu studieren. 22 In den Fällen väterlicher<br />
Skepsis beweisen die Töchter i.d.R. durch Baustellenpraktika<br />
<strong>und</strong> ‘Probesemester’, dass sie den Anforderungen<br />
des Studiums gewachsen sind. Eine Unterstützung<br />
des Studienwunsches finden wir zum einen<br />
bei einigen wenigen Architektenvätern, zum anderen<br />
in großbürgerlichen Elternhäusern. Hier muss der<br />
Studienwunsch nicht mit einer Erwerbsperspektive in<br />
Einklang gebracht werden. Forciert der Architektenvater<br />
den Studienwunsch, ist die Tochter i.d.R. die<br />
Älteste oder das einzige Kind. Mütter von Architekturstudentinnen<br />
der Weimarer Republik scheinen den<br />
Wunsch der Tochter nach einem Studium gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
unterstützt, zuweilen tatkräftig gefördert zu haben.<br />
Einem technischen Studium der Tochter stehen<br />
jedoch auch sie häufig skeptisch gegenüber. Das<br />
Changieren der Studienfaches Architektur zwischen<br />
Technik <strong>und</strong> Kunst dürfte diese Bedenken gemindert<br />
haben. 23<br />
Für die Phase der Etablierung des Frauenstudiums in<br />
den zehner Jahren hat Edith Glaser die Haltung der<br />
Väter gegenüber eigenständigen Studienperspektiven<br />
der Töchter als ambivalent beschrieben <strong>und</strong> mit deren<br />
Einbindung in Berufsverbände erklärt. 24 Im Übergang<br />
von der Kaiserzeit zur Weimarer Republik ist<br />
hinsichtlich der beruflichen Eigenständigkeit der<br />
Töchter kein gr<strong>und</strong>legender Sinneswandel der Väter<br />
zu verzeichnen. Interessenlagen <strong>und</strong> Kräfteverhältnisse<br />
im Berufsfeld scheinen sich angesichts absehbarer<br />
Veränderungen eher zu verhärten.<br />
Auch wenn Architekturstudentinnen der Weimarer<br />
Republik nicht mehr gezwungen sind, ihre Zulassung<br />
zu Fakultäten einzeln zu erkämpfen, so kommen sie<br />
doch häufig nicht umhin, den Studienwunsch gegen<br />
familiäre Vorbehalte erst durchzusetzen. 25 Und selbst<br />
wenn dieser Studienwunsch – wie bei manchen <strong>Tessenow</strong>studentinnen<br />
- auf eine Anregung des Vaters<br />
zurückgeht, so eröffnet sich hiermit ein familiäres<br />
Spannungsfeld: Das Architekturstudium signalisiert<br />
einen ersten Schritt auf dem Weg in eine anspruchsvolle<br />
Berufsperspektive <strong>und</strong> damit in eine Rolle, die<br />
mit bürgerlichen Frauenrollen - wie der Mutter oder<br />
der Hausfrau/herrin - konfligiert. 26 Die entsprechenden<br />
Diskussionen um das Studium als Beginn einer<br />
angemessenen Lebensperspektive werden sowohl in<br />
den Elternhäusern von <strong>Bauhaus</strong>- wie in denen von<br />
<strong>Tessenow</strong>studentinnen geführt. Dabei wird die Studienfachwahl<br />
der Tochter in Familien von <strong>Tessenow</strong>studentinnen<br />
insbesondere hinsichtlich der Berufsperspektive<br />
erörtert. Im Unterschied dazu kommt in<br />
den Familien von <strong>Bauhaus</strong>studentinnen den Chancen<br />
<strong>und</strong> Aussichten des Berufes für die Tochter häufiger<br />
nur nachgeordnete Bedeutung zu. Dass die elterlichen<br />
Vorstellungen hier jedoch ebenfalls von bürgerlichen<br />
Traditionen geprägt sind, wird daran deutlich,<br />
dass sich die weitaus meisten dieser Studentinnen<br />
zunächst Ausbildungen oder Fächern widmen, die<br />
‘höheren Töchtern’ gemäß sind - selbst wenn sie<br />
„wie ein Bub erzogen“ wurden. 27 Sie betreiben Musikstudien<br />
oder Sprachstudien im Ausland, lernen Haushaltung<br />
oder Kindererziehung oder erwerben auf<br />
Handelsschulen Kenntnisse zur Verwaltung des elterlichen<br />
Vermögens.<br />
Während einzelne <strong>Tessenow</strong>- wie <strong>Bauhaus</strong>studentinnen<br />
mit dem Architekturstudium primär einen elterlichen<br />
Wunsch erfüllen, benötigen manch andere einen<br />
Fürsprecher oder müssen die elterliche Akzeptanz<br />
für ein Studium sogar erst erringen. 28 Dabei gelingt<br />
es <strong>Tessenow</strong>studentinnen weit häufiger als <strong>Bauhaus</strong>studentinnen,<br />
ihren Studienwunsch unmittelbar<br />
umzusetzen. Bei elterlichem Widerstand gelingt es<br />
ihnen i.d.R. binnen einem Jahr, die Vorbehalte zu<br />
überwinden. Im Vergleich dazu sind die ‘Umwege’<br />
mancher <strong>Bauhaus</strong>studentinnen weit zeitintensiver,<br />
was erneut auf die höhere Repressivität hinsichtlich<br />
rollenkonformer Erwartungen verweist.<br />
Insgesamt kann die elterliche Haltung dann als eher<br />
besorgt charakterisiert werden, wenn das Architekturstudium<br />
der Tochter - ob <strong>Bauhaus</strong>- oder TH-Studium<br />
- auch das Erststudium ist. Nach Studienbeginn<br />
unterstützen <strong>und</strong> finanzieren die Eltern das Studium<br />
der Tochter jedoch in aller Regel. Sie helfen bei der<br />
Beschaffung von Praktika <strong>und</strong> Unterkunft. Im Einzelfall<br />
intervenieren sie auch. 29<br />
Studienmotivationen <strong>und</strong> Lehrerwahl<br />
Studentinnen kommen aus allen Himmelsrichtungen<br />
ans <strong>Bauhaus</strong>. Sie entscheiden sich für dieses Studium<br />
aus Neugier auf diesen Ort der Avantgarde. Sie<br />
werden zum einen durch Personen im familiären Umfeld,<br />
zum anderen durch Publikationen, Ausstellungen<br />
<strong>und</strong> Vorträge auf das <strong>Bauhaus</strong> – weniger auf einzelne<br />
Lehrende - aufmerksam. Vor Ort sind sie von<br />
der Andersartigkeit des Studiums meist noch mehr<br />
beeindruckt als von den realen Studienmöglichkeiten.<br />
Manches Mal ist die Studienentscheidung auch bereits<br />
von dem Wunsch beflügelt Architektin zu werden.<br />
Bei <strong>Bauhaus</strong>studentinnen steht die Berufswahl<br />
Studiengänge <strong>und</strong> Studentinnen im Vergleich 155<br />
22 So gelang es bspw. Beese oder Meyer nur sukzessive, die väterliche<br />
Ablehnung aufzuweichen. Lore Enders studierte erst<br />
nach dem Tod des (Architekten-)Vaters. Der Anteil ‘vaterloser’<br />
Architekturstudentinnen ist während der Weimarer Republik<br />
jedoch deutlich geringer als während der Kaiserzeit.<br />
23 In der Frauenpresse der zwanziger Jahre wurde bei der Darstellung<br />
des Architekturstudiums häufig die kunstwissenschaftliche<br />
Facette des Faches betont.<br />
24 „Viele setzten sich als Väter für eine qualifizierte Ausbildung ihrer<br />
Töchter ein, aber als Mitglieder der Berufsverbände (..) votierten<br />
sie nicht öffentlich gegen deren Professionspolitik, die<br />
Frauen fast durchweg ausgrenzte.“ Glaser, Edith: Hindernisse,<br />
Umwege, Sackgassen, Die Anfänge des Frauenstudiums in Tübingen<br />
(1904-1934), Weinheim, 1992, S.43<br />
25 Die Vorbehalte sind nun jedoch deutlich weniger massiv als<br />
während der Kaiserzeit. So erinnert bspw. Grete Schütte-Lihotzky<br />
für das Jahr 1916: „Jeder hat mir das ausreden wollen, daß<br />
ich Architektin werde, mein Lehrer [Oskar] Strnad, mein Vater<br />
<strong>und</strong> mein Großvater [der selbst Baudirektor war]. Nicht weil sie<br />
so reaktionär waren, sondern weil sie geglaubt haben, ich werde<br />
dabei verhungern, kein Mensch wird sich von einer Frau ein<br />
Haus bauen lassen.“ Schütte-Lihotzky, Grete: Erinnerungen aus<br />
dem Widerstand, Hamburg, 1985, S.13<br />
26 So soll der Onkel van der Mijl-Dekkers, auf dessen Anraten sie<br />
ans <strong>Bauhaus</strong> ging, den Architekturberuf als für Frauen ‘unpassend’<br />
bef<strong>und</strong>en haben. (Baumhoff, 1994, S.91)<br />
27 Annamaria Mauck im Interview am 17.11.1995.<br />
28 Mit massiven elterlichen Widerständen waren bspw. Beese,<br />
Both <strong>und</strong> Meyer konfrontiert. Die elterliche Skepsis mussten u.a.<br />
Brobecker <strong>und</strong> Korte überwinden. Initiativ wurden hingegen die<br />
Eltern von Bánki, Bernoully, Schöder <strong>und</strong> Wilke resp. Freise. Allerdings<br />
wurden die elterlichen Initiativen – so ist dies für Bánki,<br />
Schöder <strong>und</strong> Wilke dokumentiert – in Ablehnung des ursprünglichen<br />
Fächerwunsches der Tochter ergriffen.<br />
29 Am <strong>Bauhaus</strong> lassen sich mehrere, bei <strong>Tessenow</strong> bisher keine<br />
Versuche elterlicher Interventionen finden. Hier sind die Eltern<br />
häufiger bei der Suche nach geeigneten Praktikumsstellen behilflich.