Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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e eine Erwerbstätigkeit als angestellte Architektin<br />
auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ohne Diplom<br />
kaum mehr realistisch war.<br />
Während sich zahlreiche Studentinnen anschickten,<br />
berufsspezifische Kompetenzen zu erwerben <strong>und</strong><br />
fachliche Aufgaben inhaltlich wie formal zu bewältigen,<br />
war während der Weimarer Republik kein Zuwachs<br />
realer Erwerbsperspektiven von Architektinnen<br />
zu verzeichnen. Zu beobachten war mit der zunehmenden<br />
Verleihung akademischer Weihen <strong>und</strong> formaler<br />
Qualifikationen vielmehr eine Entkoppelung von<br />
Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufsfrage . Die Chancen von<br />
Architektinnen schienen unmittelbar in jenem Maße<br />
zu schwinden, in dem ihre Kompetenzen <strong>und</strong> Ambitionen<br />
sichtbar wurden.<br />
Bereits die Bandbreite der im Studium bearbeiteten<br />
Themen ließen den Diskurs über ‘frauenspezifische<br />
Neigungen’ obsolet erscheinen. Ähnlich ließen die<br />
Wettbewerbsteilnahmen von Architektinnen keine<br />
thematischen Präferenzen erkennen. Frappierend war<br />
hingegen immer wieder die Diskrepanz zwischen de<br />
facto bearbeiteten <strong>und</strong> de facto beauftragten Themen<br />
<strong>und</strong> Aufgabenstellungen. Konnten Berufseinsteigerinnen<br />
in größeren Büros nahezu die ganze Breite denkbarer<br />
Aufträge bearbeiten, so wurden ihnen in kleineren<br />
Büros - insbesondere namhafter Architekten des<br />
Neuen Bauens - lediglich innenarchitektonische Aufgabenstellungen<br />
anvertraut. Aber nicht nur die ‘Größe’<br />
des Büro(chef)s erwies sich als ausschlaggebend<br />
hinsichtlich der zugestandenen Aktionsradien.<br />
Als ebenso groß erwies sich diese Diskrepanz bei näherer<br />
Betrachtung der Außenwahrnehmung. Anhand<br />
der Aufträge, die Architektinnen unter eigenem Namen<br />
ausführen konnten, zeigte sich die Absurdität<br />
<strong>und</strong> Hartnäckigkeit des Zirkelschlusses vermeintlich<br />
geschlechtsspezifischer Eignung erneut: Denn nahezu<br />
nie korrespondierten die ‘beauftragten’ Themen<br />
mit Interessenschwerpunkten, Berufserfahrungen<br />
oder Spezialisierungen, ebenso häufig wie offensichtlich<br />
jedoch mit dem Geschlecht der ‘weiblichen’ ArchitektInnen.<br />
Bei der Vergabe von Aufträgen erwies sich jedoch<br />
das Vertrauen in die Personen als nahezu unauflöslich<br />
mit dem Geschlecht - den Erwartungen an den<br />
Fach-Mann - verquickt. Bereits hier entschied sich,<br />
ob der Beweis fachlichen Könnens überhaupt angetreten<br />
werden konnte. Und angesichts geschlechterkonnotierter<br />
Aufgabenbereiche stand das nicht passgenaue<br />
Geschlecht der Beauftragung von Fach-Frauen<br />
schlicht im Wege. Der Diskurs um die Relevanz<br />
des Geschlechtes - von Fachleuten wie Fachgebieten<br />
- unterlag jedoch Konjunkturen. Er wurde bereits zu<br />
Beginn der zwanziger Jahre, um 1930 <strong>und</strong> auch nach<br />
dem Ende des zweiten Weltkrieges immer dann besonders<br />
virulent, wenn eine größere Anzahl an Pro-<br />
fessionals in einem konjunkturell geschwächten<br />
Berufsfeld ein Auskommen suchte.<br />
Wie eng die berufliche Etablierung an die verliehene<br />
oder verweigerte Statusdistribution geknüpft war,<br />
wurde deutlich, als an der Schwelle zum Berufsfeld<br />
Referenzen wie konkrete Hilfestellungen - sowohl von<br />
<strong>Tessenow</strong> wie von <strong>Bauhaus</strong>meistern - nahezu ausschließlich<br />
an Studenten vergeben wurden. Dabei<br />
zeigte sich, dass Chancen innerhalb des Berufsfeldes<br />
primär genderexklusiv vererbt, der für eine Professionalisierung<br />
so wichtige prospektive Status in direkter<br />
Abhängigkeit zum Geschlecht verliehen wurde.<br />
Paradoxale Wechselwirkungen zwischen Berufsrealitäten<br />
<strong>und</strong> Geschlechterdiskursen kennzeichneten<br />
auch den weiteren Verlauf der Erwerbsbiografien der<br />
Architekturstudentinnen der Weimarer Republik.<br />
Denn sanken während des Nationalsozialismus durch<br />
Retraditionalisierung <strong>und</strong> Rollenzuweisungen die<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong> Chancen freiberuflich tätiger Frauen<br />
weiter, so eröffneten sich ‘arischen’ Kolleginnen<br />
mit der Vertreibung jüdischer ArchitektInnen erweiterte<br />
Tätigkeitsbereiche. Noch weit vor Kriegsbeginn<br />
waren Architektinnen - mit <strong>und</strong> ohne Diplom - unter<br />
der Prämisse der Unsichtbarkeit resp. mit Ausnahme<br />
leitender Positionen auch dort willkommen, wo sich<br />
das Berufsfeld - bspw. durch das Beamtenprivileg -<br />
längst als Männerdomäne reetabliert hatte.<br />
Eine erneute Renaissance erlebte die Differenz zwischen<br />
den Geschlechtern in der Architektur nach<br />
1945, als die Grenzziehung zwischen Damen <strong>und</strong><br />
Herren Architekten insbesondere vom BDA massiv<br />
betrieben wurde. Mit Ausnahme der unmittelbaren<br />
Nachkriegszeit gelang Architektinnen auf Jahre hinaus<br />
überhaupt nur in Teilbereichen des Berufsfeldes<br />
eine Partizipation, während beim Wiederaufbau wie<br />
beim Aufbau eines neuen Deutschland nahezu ausschließlich<br />
alte Kräfte am Werk waren.<br />
Im Laufe der Jahrzehnte waren die Gründe für die<br />
Fragilität beruflicher Etablierung dieser Architektinnen<br />
ganz überwiegend im Berufsfeld selbst zu finden.<br />
Und auch hier zeigten sich die Chancen von Architektinnen<br />
zumindest mittelbar mit Tradition <strong>und</strong> Moderne<br />
verknüpft: Denn während im traditionsorientierten<br />
Kontext immer wieder leichte Öffnungen in Richtung<br />
einer Geschlechteregalität zu verzeichnen waren,<br />
so blieb der ‘Schw<strong>und</strong>’ an Fachfrauen im ‘modernen<br />
Lager’ auch im Laufe der Jahrzehnte hoch.<br />
Die Vielzahl struktureller Stolpersteine auf dem Weg<br />
der Professionalisierung <strong>und</strong> beruflichen Etablierung<br />
dieser Architektinnen lassen sich retrospektiv fast<br />
ausnahmslos als geschlechtsspezifische Exklusionen<br />
der Profession - als ein bestimmtes Geschlecht exkludierende<br />
(Ver-)Hinderungsgründe - erkennen. Und<br />
in einem ‘freien’ Berufsfeld, in dem Entscheidungen<br />
Resümee 311