Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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133 So äußert Alfred Gellhorn 1957 über seine frühere Mitarbeiterin:<br />
„Frau Paula Maria Canthal (..) war sehr begabt, zielbewusst <strong>und</strong><br />
vital. Aufgr<strong>und</strong> ihrer Wettbewerbserfolge kam sie in die Auswahl<br />
junger Talente, die (..) von Stadtbaurat Martin Wagner aufgefordert<br />
wurden, auf der letzten Berliner Bauausstellung 1931 (..) je<br />
einen Bau zu übernehmen. Unter diesem qualifizierten Nachwuchs<br />
waren Eiermann, Müller-Rehm, von Steinbüchel <strong>und</strong> andere,<br />
die heute prominent sind <strong>und</strong> die neue Elite bilden. Bei ungestörtem<br />
Fortgang wäre auch sie auf jeden Fall so weit gekommen.“<br />
NL Canthal, Schreiben Alfred Gellhorn vom 5.8.1957<br />
134 Vgl. Kap 7, S.207<br />
135 „Auf eine Bewerbung bei einer Behörde wurde mir mitgeteilt,<br />
dass Arbeitskräfte meiner Berufsausbildung nicht infrage kämen.<br />
(..) Es wurde mir bekannt, das(s) für die bescheidene Arbeit, für<br />
die ich mich beworben hatte, Schreinergesellen eingestellt wurden.“<br />
Kattina Both, Schreiben vom 28.5.1947<br />
136 So bspw. Margarete Zak, Pola Hoffmann, Eva Güterbock, Charlotte<br />
Zentner<br />
137 Lilia [Johanna Julia Katharina ] Sofer, 1896 in Wien geboren,<br />
studierte ab dem WS 1914/15 an der TH Dresden, wo sie 1920<br />
das Diplom ablegt. Nach Wien zurückgekehrt, besucht sie die<br />
Schule von Max Reinhardt. 1923 heiratet sie den Kaufmann Lois<br />
Erich Pollak (1891-1980), 1924 <strong>und</strong> 1935 Geburt von Söhnen.<br />
Sie emigriert 1938 über Frankreich in die USA. Unter dem Namen<br />
Lilia Skala vermerken Filmografien zahlreiche Rollen, darunter<br />
in „Lilies of the Field“ (1963) oder „House of Games“<br />
(1987). - Für Hinweise zum Studium Sofers danke ich Despina<br />
Stratigakos, für Hinweise zur Emigration Herbert Koch.<br />
138 Der Nachlass der aus Russland stammenden, 1967 nach Toronto<br />
emigrierten Alexandra Biriukowa (1895-1967) befindet sich im<br />
IAWA, Blacksburg, VA.<br />
139 Hill, Schwerin, Beckmann, Gaebler, Markos-Ney - <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />
auch Busse - werden nicht mehr in der Architektur tätig.<br />
140 DAM, NL Meyer, Brief Ricarda Schwerin an Hannes Meyer vom<br />
4.3.1948<br />
141 Vgl. FN 135<br />
142 Petzinger, 1984, S. 47<br />
143 AdKS, PA Lange, LL 1952<br />
144 Auch gemeinsam mit Ulrich gelang dies nicht. Auch Ulrich erhielt<br />
nahezu keine Chancen, ihre gestalterischen Fähigkeiten<br />
auch im Raum umzusetzen. Sie arbeitet in der Malerei, experimentiert<br />
mit abstrakten Collagen, verschiedenen Techniken <strong>und</strong><br />
wechselnden Sujets.<br />
145 Everyday Art Quarterly, 1949, Nr.13, S.10 - Diese Haltung beinhaltet<br />
eine so vielfältige Mission für „well designed products“,<br />
dass das Bauen von Häusern nur eine Facette darstellt. Reiss<br />
empfiehlt im Quarterly kommentarlos die Rezeption moderner<br />
Häuser bekannter <strong>und</strong> unbekannter Architekten. „Surprisingly,<br />
few institutions have originated exhibitions of architecture or city<br />
planning.“ Ibid., S. 4<br />
ArchitektInnen vernichtete. 133 Daneben zeigten häufige<br />
Wechsel der Berufsfelder zwischen 1933 <strong>und</strong><br />
1945 - so bspw. bei Herzenstein oder Harte -, dass<br />
sie sich propagandistischen <strong>und</strong> ideologischen Hürden<br />
zu entziehen <strong>und</strong> dennoch in Kernbereichen des<br />
Berufsfeldes tätig zu bleiben suchten. 134 Mehrfache<br />
Gratwanderungen zwischen Arrangement <strong>und</strong> Rückzug<br />
unternahm auch Both: Sie ist wiederholt arbeitslos,<br />
nennt sich um 1940 „Katharina” <strong>und</strong> macht die<br />
Erfahrung, dass für die von ihr angepeilten Stellen<br />
„Arbeitskräfte meiner Berufsausbildung nicht infrage<br />
kämen“. 135<br />
Auch bei den exilierten Architektinnen fanden wir<br />
Wechsel in andere Berufsfelder. Bei den Wenigsten<br />
ist das berufliche Schicksal nach der Emigration bekannt.<br />
136 Die aus Wien stammende Lilia Sofer emigriert<br />
1938 in die USA, wo sie unter dem Namen Lilia<br />
Skala als Schauspielerin erfolgreich tätig wird. 137 Auch<br />
die fast gleichaltrige Alexandra Biriukowa, die bereits<br />
1914 in St.Petersburg, 1925 in Rom ein zweites Mal<br />
in der Architektur diplomiert hatte, gab nach wenigen<br />
Jahren im Berufsfeld auf <strong>und</strong> erlernt den Beruf der<br />
Kinderkrankenschwester. 138 Ebenfalls auf der Suche<br />
nach Berufsperspektiven möchten Andor <strong>und</strong> Eva<br />
Weininger in den dreißiger Jahren nach England oder<br />
die USA auswandern. 1948 emigrieren Matty <strong>und</strong><br />
Hannes Beckmann aus Prag in die USA. Sie suchen<br />
nach NS- <strong>und</strong> KZ-Erfahrung einen Neubeginn. Matty<br />
Beckmann findet eine Perspektive als Lehrerin.<br />
Auch wenn die genauen Umstände der Wahl eines<br />
neuen Berufsfeldes bei Architektinnen i.d.R. nicht bekannt<br />
sind: Seit Architektinnen um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
das Berufsfeld betraten, sind sie auf der Suche<br />
nach einem akzeptablen beruflichen Umfeld.<br />
Spiegeln die Berufswechsel exilierter Architektinnen<br />
eine Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität, die in der Regel überlebensnotwendig<br />
war 139 , so verweist bereits die Flexibilität,<br />
mit der Architekturstudentinnen der Weimarer<br />
Republik im In- <strong>und</strong> Ausland ausweichen, auf ebenso<br />
begrenzte wie fragile Berufsperspektiven. „Wir zogen<br />
es aus politischen <strong>und</strong> persoenlichen gründen vor,<br />
unsere berufe aufzugeben <strong>und</strong> als handwerker zu arbeiten“,<br />
skizziert Ricarda Schwerin in einem Brief an<br />
Hannes Meyer die Entscheidung zum Berufswechsel.<br />
140 So plausibel Brüche in Erwerbsbiografien aufgr<strong>und</strong><br />
von Kulturdifferenzen bei Emigration scheinen<br />
mögen, immigrierte Architektinnen kehren dem Berufsfeld<br />
auch hier nur dann den Rücken, wenn ihnen<br />
qua Professionskultur eine Akkulturation in Form einer<br />
eigenständigen Berufsausübung nicht zugestanden<br />
wird.<br />
„Zur Verwirklichung der Bauaufgaben, die ich mir als<br />
Ziel meines Schaffens gesteckt habe <strong>und</strong> um derentwillen<br />
ich die Schwierigkeiten des Berufes <strong>und</strong> die<br />
mir reichlich entgegengebrachte Herabsetzung aus-<br />
286 Vom Auftauchen <strong>und</strong> Verschwinden<br />
hielt, fand ich keine Möglichkeit“, beschreibt Kattina<br />
Both 1947 ihre Gründe, das engere Berufsfeld zu verlassen.<br />
141 Nach fast zwanzig Jahren im Beruf - davon<br />
16 Jahre als angestellte Architektin in Privatbüros -<br />
zieht sie sich resigniert zurück <strong>und</strong> arbeitet als Schätzerin.<br />
142 Zeitgleich <strong>und</strong> nach knapp sieben Jahren als<br />
angestellte Architektin bei der Reichspost scheidet<br />
Gisela Ehren aus dem Berufsfeld aus. Sie war im<br />
Auslandseinsatz für die Interradio 1944 in rumänische<br />
Kriegsgefangenschaft geraten <strong>und</strong> konnte erst 1946<br />
nach Deutschland zurückkehren.<br />
Nach zwölf Jahren im Beruf kündigt Annemarie Lange<br />
ihre Stelle als Regierungsrätin zum 31.5.1947. Sie<br />
wechselt aus der Verantwortung für den Wiederaufbau<br />
der Verkehrsinfrastruktur des Oderbruchs in die<br />
Funktion einer Lektorin im Kinderbuchverlag in Berlin.<br />
In den fünfziger Jahren stellt sie diesen Wechsel als<br />
freiwillig dar. 143 Anfang der fünfziger Jahre verlässt<br />
Hilde Reiss nach knapp zwanzig Jahren das engere<br />
Berufsfeld <strong>und</strong> eröffnet in Palo Alto ein Einrichtungsgeschäft.<br />
Leonie Pilewski, die als freie wie auch als<br />
angestellte Architektin tätig war, macht bereits Anfang<br />
der vierziger Jahre - nach knapp 20 Jahren im<br />
Berufsfeld <strong>und</strong> mehreren Jahren als Architektin einer<br />
Wohnungsbaukooperative in Stockholm - endgültig<br />
ihr Hobby zum Beruf <strong>und</strong> widmet sich der Malerei.<br />
Und Klara Küster, die als angestellte Architektin sowohl<br />
in freien Büros als auch in öffentlichen Ämtern<br />
tätig wurde, kehrt dem Berufsfeld nach mehr als zehn<br />
Jahren definitiv den Rücken: Sie absolviert Ende der<br />
fünfziger Jahre ein Pädagogisches Seminar <strong>und</strong> arbeitet<br />
ab den sechziger Jahren als Lehrerin.<br />
Auch wenn die Anlässe oder gar die Gründe der Berufswechsel<br />
häufig nicht benannt werden, deutlich<br />
wird anhand der Berufswechslerinnen, dass die Architektur<br />
zahlreichen Studentinnen der Weimarer Republik<br />
keine akzeptablen Berufsmöglichkeiten bietet.<br />
So eröffnet bspw. das „House of Today“ Hilde Reiss<br />
zwar keine Karriere als Entwerferin, doch es erlaubt<br />
ihr, in einer selbstbestimmten Umgebung gute Gestaltung<br />
<strong>und</strong> moderne Formgebung unter die Leute<br />
zu bringen. Reiss hatte sowohl in Partnerschaft wie<br />
auch angestellt die Erfahrung gemacht, dass ihre<br />
Ambitionen <strong>und</strong> Überzeugungen innerhalb von Hierarchien<br />
zunichte gemacht wurden. Zudem hatte sie<br />
Mitte der dreißiger Jahre in New York City erlebt,<br />
dass sie nahezu keinen Zuschlag für eine Realisierung<br />
erhielt, selbst wenn sie publizieren konnte,. 144<br />
Als sie Anfang der fünfziger Jahre eine Stelle als<br />
angestellte Architektin in San Francisco annimmt, erlebt<br />
sie die Anweisungen <strong>und</strong> Entscheidungen des<br />
Bürochefs als ebenso wenig sachgerecht wie bevorm<strong>und</strong>end.<br />
So ist das inakzeptable Arbeitsklima im<br />
Büro Erich Mendelsohns der Anlass ihrer Kündigung.<br />
145 Ihre Entscheidung für die Tätigkeit als Kura-