Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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177 Dokumentieren lassen sich zwischen 1934 <strong>und</strong> 1940 sieben Anträge<br />
architekturinteressierter <strong>Bauhaus</strong>studentinnen, sowie vier<br />
Anträge ehemaliger <strong>Tessenow</strong>studentinnen zwischen 1935 <strong>und</strong><br />
1939. Diese Zahlen weichen jedoch von den realen Mitgliedschaften<br />
ab.<br />
178 Brief Luise Seitz-Zaulecks an die Eltern vom 2.2.1939: „..schicke<br />
ich jetzt endlich den Ahnenkram herzlich dankend zurück, denn<br />
ich habe jetzt mein Mitgliedsbuch der Kammer in Händen.“ NL<br />
Seitz-Zauleck<br />
179 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Sabine Schleiermacher<br />
anhand ihrer Untersuchung über Ärztinnen im Nationalsozialismus.<br />
Bei der von ihr untersuchten Gruppe der bis 1918 approbierten<br />
(zwischen 1850 <strong>und</strong> 1895 geborenen fast 800) Ärztinnen<br />
konstatiert sie insbesondere unter den Verheirateten einen<br />
geringen Organisationsgrad. (Weniger als ein Drittel aller Ärztinnen<br />
waren Mitglieder in Partei <strong>und</strong>/oder NS-Ärzteb<strong>und</strong>) Schleiermacher<br />
stellt dennoch für die ganz überwiegende Mehrheit dieser<br />
Ärztinnen eine ebenso nationalkonservative wie elitär Haltung<br />
fest: „Sie verstanden sich als Garantinnen bei der Durchführung<br />
rassehygienische Vorstellungen bei Frauen.“ - Vortrag<br />
Sabine Schleiermacher im Interdisziplinären Forschungscolloquium<br />
am ZIFG der TU Berlin am 15.12.1999<br />
180 Droste, Magdalena: <strong>Bauhaus</strong>-Designer zwischen Handwerk <strong>und</strong><br />
Moderne in: Nerdinger, Winfried (Hg.): <strong>Bauhaus</strong>-Moderne im Nationalsozialismus,<br />
München, 1993, S.85-100, hier S.97<br />
181 Weißler, Sabine: <strong>Bauhaus</strong>-Gestaltung in NS-Propaganda-Ausstellungen,<br />
in Nerdinger, 1993, S.62. Und Rolf Sachsse kommt<br />
für die Fotografie zu dem Resümee: „So muß sich das <strong>Bauhaus</strong><br />
mit dem Durchschnittsschicksal begnügen, zum Erfolg des NS-<br />
Regimes einiges, zum Widerstand mit ästhetischen Mitteln dagegen<br />
nichts beigetragen zu haben.“ Sachsse, Rolf: Kontinuitäten,<br />
Brüche <strong>und</strong> Mißverständnisse, in Nerdinger, 1993, S.82<br />
182 Nun erstmalig mit eigenem Namen <strong>und</strong> alleinig, d.h. ohne bzw.<br />
anstelle ihres Mannes<br />
183 BArchB, RKK 2400, Box 0233, file 04<br />
184 Maria Müllers Diplom ist bisher ebensowenig bekannt wie die<br />
Themen ihrer Studienarbeiten oder ihres Diploms. Sie hatte<br />
nach dem Besuch des Vorkurses 1928 zumindest zwei Semester<br />
Wandmalerei studiert, eine Werkstatt, die seit der Umstrukturierung<br />
unter Hannes Meyer zur ‘Ausbauabteilung’ gehörte. Ab<br />
dem Wintersemester 1930/31 ist allerdings ihre Zugehörigkeit<br />
zur Bauabteilung belegbar, somit hat sie bis zum Diplom 1932<br />
zumindest vier Semester in der Bauabteilung studiert.<br />
185 Hierfür spricht, dass Müller bereits 1933 in Dessau unter eigenem<br />
Namen im Adressbuch erscheint, aber auch, dass sie diesen<br />
Antrag überhaupt stellt. Über die konkreten familiären Verhältnisse<br />
Maria Müllers ist bisher jedoch wenig bekannt.<br />
ten: Im Falle der Freiberuflichkeit waren sie nachweispflichtig:<br />
sowohl antrags- wie beitragspflichtig<br />
<strong>und</strong> - im Falle eines Umzuges - meldepflichtig. Angestellte<br />
ArchitektInnen waren gehalten, bei einzelnen<br />
freiberuflichen Aufträgen ‘Befreiungen’ von der RKK-<br />
Mitgliedschaft zu beantragen.<br />
Die Aufnahmeanträge an die RKK sind weder vollständig<br />
vorhanden noch sind vorhandene Anträge<br />
immer vollständig. 177 So geben in diesen Quellen zumeist<br />
weniger die Angaben als die Auslassungen <strong>und</strong><br />
Widersprüche zu weiteren Informationen <strong>und</strong> Äußerungen<br />
Aufschluss über Affinitäten <strong>und</strong> Haltungen<br />
von Architektinnen gegenüber beruflichen Organisationen<br />
im Nationalsozialismus. Das entstehende Bild<br />
kann bisher nur anhand einzelner Werkbiografien aufgezeigt<br />
<strong>und</strong> belegt werden. Es bleibt unvollständig.<br />
Die für die Freiberuflichkeit vorgeschriebene Mitgliedschaft<br />
in der Reichskulturkammer erforderte den Ariernachweis<br />
über zwei Generationen. Hierfür wurden<br />
auf einem Vordruck die Angaben über Lebens- <strong>und</strong><br />
Kirchendaten bis zu den Großeltern abgefordert. Gegen<br />
den dadurch bezweckten Ausschluss jüdischer<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen regte sich kein nennenswerter<br />
Widerstand. Ebenso brav wie pflichtbewusst<br />
lieferten ArchitektInnen diese Ariernachweise - wenn<br />
auch nicht immer vollständig - ab. 178 Anhand von Aktenrecherchen<br />
in den Beständen des B<strong>und</strong>esarchivs<br />
zeichnet sich für Architektinnen insgesamt ein geringer<br />
Organisationsgrad in Partei, deren Gliederungen<br />
<strong>und</strong> Berufsverbänden ab. Nach bisherigem Recherchestand<br />
traten manche der ehemaligen <strong>Bauhaus</strong>wie<br />
der <strong>Tessenow</strong>studentinnen der NSDAP bei <strong>und</strong><br />
manches Mal auch wieder aus. Parteikarrieren blieben<br />
die Ausnahme.<br />
Damit stellt sich die berufliche Situation nicht-jüdischer<br />
Architektinnen insgesamt ambivalent, wenn<br />
auch für Berufsfrauen in freien Berufen während des<br />
Nationalsozialismus nicht ungewöhnlich dar 179 : Bei<br />
hoher Assimilationsbereitschaft <strong>und</strong> geringem Organisationsgrad<br />
- im Sinne messbarer Mitgliedschaften<br />
- steigen ihre Berufschancen in Teilbereichen des<br />
Berufsfeldes. Dafür lassen sich zumindest mehrere<br />
Ursachen benennen. Zum einen streben engagierte<br />
Architektinnen mit hohen Erwartungen in das Berufsfeld,<br />
zum anderen zielt die Kammermitgliedschaft nur<br />
auf freiberuflich tätige ArchitektInnen <strong>und</strong> damit auf<br />
jene Statusgruppe innerhalb des Berufsfeldes, in dem<br />
Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind. Darüberhinaus<br />
boten berufsständische Organisationen<br />
wie der NSBdT durch antidemokratische wie antifeministische<br />
Haltungen kaum Identifikationsmuster für<br />
Berufsfrauen. Architektinnen, deren Selbstverständnis<br />
durchaus elitäre Züge aufweist, konnten in berufsorientierten<br />
Organisationen bestenfalls subalterne Positionen<br />
einnehmen. Leitende Funktionen wurden ihnen<br />
204 Ambitionen <strong>und</strong> Realitäten<br />
lediglich innerhalb der NS-Frauenschaft offeriert.<br />
Zu den Motivationen von Architektinnen, diesem oder<br />
jenem Verband wohl oder nicht beizutreten, sind bisher<br />
keine geeigneten Quellen dokumentiert. Festzuhalten<br />
bleibt, dass sich Architektinnen - soweit resp.<br />
sobald sie mit einem Architekten verheiratet sind -<br />
Verbänden <strong>und</strong> Organisationen eher fernhalten: Gattin<br />
eines Mitglieds zu sein ist zur Wahrung eigener<br />
Ambitionen offenbar ausreichend, (Verbands-)Politik<br />
bleibt Männersache.<br />
1993 resümierte Magdalena Droste über die Berufstätigkeit<br />
im Nationalsozialismus: „Weder bei den Freiberuflern<br />
noch bei den angestellten Bauhäuslern gab<br />
es ‘große Karrieren’. Die kleinen, mühsamen, angepaßten,<br />
unauffälligen Existenzen waren die Regel.“ 180<br />
Und Sabine Weißler stellte „für Bauhäusler“ fest,<br />
„was für andere auch zutrifft“ <strong>und</strong> für <strong>Tessenow</strong>studentInnen<br />
bisher kaum in Zweifel gezogen wurde:<br />
„Wo es ging, wurde weitergearbeitet.“ 181<br />
Angesichts der Tatsache, dass über zwei Drittel der<br />
ehemaligen <strong>Tessenow</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bauhaus</strong>studentinnen in<br />
diesen Jahren heirateten oder bereits verheiratet waren<br />
<strong>und</strong> die Erfassungskriterien <strong>und</strong> -methoden verheirateten,<br />
‘arischen’ Ehefrauen in der Regel weniger<br />
Aufmerksamkeit widmeten, sie weniger systematisch<br />
erfassten, kann auf der Basis dieser Quellen nicht<br />
automatisch von einer ‘Systemferne’ oder überwiegenden<br />
Ablehnung des Nationalsozialismus gesprochen<br />
werden. Manches Mal eröffnen die nur bruchstückhaft<br />
vorhandene Informationen lediglich einen<br />
Rahmen für mögliche Interpretationen. So bei Maria<br />
Müller, die 1932 am <strong>Bauhaus</strong> diplomiert hatte <strong>und</strong><br />
sich 1933 im Dessauer Adressbuch mit dem Zusatz<br />
„Architektin“ eintragen ließ. 182 Sie zieht noch 1933<br />
nach Berlin <strong>und</strong> taucht ab 1934 im dortigen Adressbuch<br />
mit dem Zusatz „Innenarchitektin“ auf. Als sie<br />
sich als Architektin im Herbst 1935 um die Aufnahme<br />
in die Reichskulturkammer bewirbt, stellt sie diesen<br />
Antrag zur Aufnahme für die „Gruppe Innenraumgestalter“.<br />
183 Dies lässt - ohne weitere Informationen -<br />
Spielraum für unterschiedliche Interpretationen:<br />
Denkbar ist, dass ihr <strong>Bauhaus</strong>-Diplom durch die aufgeführten<br />
Arbeiten einen Schwerpunkt im Ausbau erkennen<br />
ließ oder sie zu diesem Zeitpunkt Aufträge im<br />
Innenausbau bearbeitete. Evtl. war ihr für die „Fachgruppe<br />
Innenraumgestalter“ die schnellere oder überhaupt<br />
eine Aufnahme in Aussicht gestellt worden. 184<br />
Die Mitgliedschaft als solche war immerhin die Bedingung<br />
jeder freiberuflichen Tätigkeit <strong>und</strong> evtl. stand<br />
Müller zu diesem Zeitpunkt vor einer Scheidung. 185<br />
Angesichts der Meldepflicht drohte FreiberuflerInnen<br />
bei Berufsausübung ohne Mitgliedschaft Berufsverbot,<br />
bei verspäteter Meldung ein Zwangsgeld. Dies<br />
hätte für Maria Müller bedeutet, dass sie - nachdem<br />
sie jahrelang Mitarbeiterin ihres Mannes war - auch