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Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel

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206 BHA, LL Wera Meyer-Waldeck, 1950er Jahre, resp. Brief Meyer-<br />

Waldeck an Hannes Meyer vom 9.8.1947. DAM, NL Meyer II<br />

4(10) 81/2-847<br />

nutzen, ihre privaten <strong>und</strong> beruflichen Interessen ausbalancieren,<br />

sind <strong>Tessenow</strong>studentinnen, die in ihrer<br />

Studienzeit ebenfalls berufliche <strong>und</strong> private Interessen<br />

verfolgen, zumeist erst beim Berufseinstieg mit<br />

der Frage konkurrierender Ambitionen konfrontiert.<br />

Und während nur wenige <strong>Bauhaus</strong>studentinnen einen<br />

Einstieg ins Berufsfeld finden, manche in den zuvor<br />

erlernten Beruf, andere ins Elternhaus zurückkehren,<br />

kehrt kaum eine <strong>Tessenow</strong>studentin ins Elternhaus<br />

zurück. Fast alle finden unmittelbar im Anschluss an<br />

das Diplom eine bezahlte Stellung als Architektin <strong>und</strong><br />

damit erstmalig materielle Unabhängigkeit. Während<br />

also <strong>Bauhaus</strong>studentinnen häufig auch außerhalb der<br />

Architektur nach existenzsichernden Perspektiven suchen,<br />

bereits bestehende Arbeits- <strong>und</strong> Lebensgemeinschaften<br />

in die Zeit nach dem Studium ‘verlängern’<br />

<strong>und</strong> dabei manches Mal vermeintlich talentiertere<br />

Partner alimentieren, suchen <strong>und</strong> finden <strong>Tessenow</strong>studentinnen<br />

nach dem Studium eine die eigene<br />

Existenz sichernde Position innerhalb der Architektur,<br />

obschon auch etliche <strong>Tessenow</strong>diplomandinnen ihren<br />

weiteren Berufsweg in Verbindung mit einem Kollegen<br />

als Lebensperspektive planen.<br />

Deutlich wurde, dass das restriktive Frauenbild im<br />

Nationalsozialismus misogynen Tendenzen innerhalb<br />

des Berufsstandes Vorschub leistete <strong>und</strong> sich damit<br />

208 Ambitionen <strong>und</strong> Realitäten<br />

auf die Etablierungsbedingungen von Architektinnen<br />

insgesamt verheerend auswirkte. Im Unterschied zum<br />

Berufsverbot für jüdische KollegInnen - wie im Vergleich<br />

zur Situation der Richterinnen - kann hinsichtlich<br />

‘arischer’ Architektinnen jedoch keinesfalls von<br />

einem ‘Berufsverbot während des Nationalsozialismus’<br />

gesprochen werden. Auch die Nähe zum <strong>Bauhaus</strong><br />

führte keineswegs zu einem Berufsverbot, so<br />

dass bspw. Wera Meyer-Waldecks Behauptung sicherlich<br />

nicht zutrifft, dass sie „arbeitslos wegen Zugehörigkeit<br />

zum <strong>Bauhaus</strong>“ <strong>und</strong> ihr Diplom nur „einen<br />

Pfifferling wert“ gewesen sei. 206 Mit der Retradierung<br />

männlicher wie weiblicher Rollen - der ideologischen<br />

Aufwertung der ‘Mutterpflichten’ - gerät allerdings jede<br />

Erwerbstätigkeit von Frauen unter Legitimationsdruck,<br />

steigen für Frauen die Schwellen beruflicher<br />

Selbständigkeit deutlich an. Da sich die Architekturstudentinnen<br />

der Weimarer Republik Anfang der dreißiger<br />

Jahre auch im ‘Reproduktionsalter’ befinden,<br />

mischen <strong>und</strong> überlagern sich private <strong>und</strong> politische<br />

Motive - insbesondere bei Verheirateten resp. Heiratenden<br />

- in unterschiedlichster Weise. Deutlich wurde<br />

jedoch auch, dass der durch Rassenhass erzwungene<br />

Exodus wie die Ermordung jüdischer KollegInnen<br />

für die Emanzipation von Architektinnen in Deutschland<br />

den entscheidenderen Einschnitt bedeutete.

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