Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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66 Weshalb der Begriff ‘Schließungsmechanismus’ zur Beschreibung<br />
des ‘doing gender’ i.d.R. nur begrenzt zutreffend ist.<br />
67 Die These, dass gerade Avantgardismen zur Ab- resp. Ausgrenzung<br />
neigen, dies vielleicht sogar ein konstituierendes Element<br />
von Avantgarde ist, findet sich auch bei Orton/Pollock: „`avantgardism´<br />
has it´s own structures of closure and disclosure, its<br />
own way of allowing certain perceptions and rendering others<br />
impossible“, in: Orton, Fred / Griselda Pollock: Avant-Gardes<br />
and Partisans Reviewed, Manchester, 1996, S.142 - Der Glaube<br />
an eine Erneuerung scheint - angesichts mangelnder Anerkennung<br />
wie von Selbstzweifeln - nur durch eine Rückbesinnung<br />
auf den ‘Geist’ wie die Exklusivität einer Glaubensgemeinschaft<br />
möglich. Um dies zu gewährleisten, exkludieren die (noch nicht<br />
anerkannten) ‘Reformatoren’, wobei der Legitimationsaufwand<br />
zum Ausschluss unerwünschter Usurpatoren der Stärkung der<br />
eigenen Einzigartigkeit dient <strong>und</strong> augenscheinlich zum Parameter<br />
der Modernität wird.<br />
68 Heinrich Taut zitiert (im Vorwort der Neuauflage von Taut, Bruno:<br />
Die neue Baukunst in Europa <strong>und</strong> Amerika, Stuttgart, 1979)<br />
seinen Vater nach Aufzeichnungen eines Vortrages aus den<br />
dreißiger Jahren in Japan, in dem Bruno Taut (der 1933 bis Ende<br />
1936 in Japan lebte) „die Härte des Kampfes um die moderne<br />
Architektur“ geschildert habe: „...`Großartig sei die Geschichte<br />
ihrer Geburt. Aber voller Leiden <strong>und</strong> Quälereien ist sie bei den<br />
einzelnen Helden gewesen, die sie zur Welt gebracht haben.´ Er<br />
mag dabei auch an sich selbst gedacht haben. `In meiner Jugend<br />
habe ich furchtbar gearbeitet. Es war nicht leicht, als junger<br />
Mann zur Anerkennung zu kommen.´ “<br />
69 Zu den Ausstellungsbauten „Haus der Frau“ in Köln <strong>und</strong> Leipzig<br />
vgl. auch Stratigakos, 1999, Kap. 7<br />
70 Damit blieb der relative Anteil weiblicher Mitglieder konstant.<br />
Gesamtzahlen nach Jäckh, Ernst: 5.Jahresbericht des Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong>es 1912/13, in: in: Jahrbuch des Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong>es, Jena, 1913, S.97. Zahlen ermittelt nach Mitgliederverzeichnissen<br />
des DWB der Jahre 1912 <strong>und</strong> 1913.<br />
71 So der Erläuterungstext im Amtlichen Katalog zur Ausstellung,<br />
1914, S.199 - Der Katalogtext verhehlt durch Widersprüche die<br />
eigentliche Intention nur mäßig: „Es ist das erstemal, daß auf einer<br />
Ausstellung den Frauen ein besonderes Haus zur Verfügung<br />
gestellt wird, <strong>und</strong> zwar lediglich den auf kunstgewerblichem Gebiet<br />
arbeitenden Frauen (..) Textilgewerbe (..) Muster für Tapeten<br />
<strong>und</strong> Linoleum (..) Mode (..) Schulabteilung (..) Plakatwesen (..)<br />
Keramik (..) Photographie“. Zur Entstehung dieser Idee der Separation<br />
vgl. Droste, 1989, Stratigakos, 1999<br />
72 Erste Vorsitzende des ‘Ausschusses „Haus der Frau” ‘ war<br />
Anna Muthesius, geschäftsführende Vorsitzende Else Oppler-<br />
Legband, Schriftführerin Lilly Reich. Mitglieder waren außerdem:<br />
Alexe Altenkirch, Agnes Grave, Alice Hegemann, Annemarie<br />
Pallat-Hardtleben <strong>und</strong> Else Rehorst. Amtlicher Katalog, 1914,<br />
S.22-23<br />
73 Diesen Verteilungsprozess innerhalb geschlossener Zirkel beschreibt<br />
bspw. Isaacs anhand der Vergabe der Maschinenhalle<br />
an Walter Gropius. Isaacs, Reginald: Walter Gropius, 1985, Berlin,<br />
S.121<br />
„Mentalitätsresistenzen“ (Wierling) erklärt. Erklärungen,<br />
die Haltungen politischen Lagern zuschreiben,<br />
bringen die Akteure in aller Regel zum Verschwinden.<br />
Die Abwehr von Usurpatoren ist jedoch ein aktiver<br />
Prozess 66 , der sich offenbar mit unterschiedlichen<br />
politischen Positionen ebenso problemlos vereinbaren<br />
lässt wie mit fachspezifischen Modernisierungsansprüchen.<br />
Das Mittel der Exklusion ist die diskursive<br />
(Re-)Konstruktion einer Differenz: Erst durch das<br />
Konstruieren <strong>und</strong> Propagieren dieser Differenz als relevant,<br />
kann eine Exklusion plausibilisiert, ‘wirkmächtig’<br />
werden. Das ‘doing gender’ - die Exklusion zur<br />
Wahrung oder Schaffung einer geschlechtsspezifischen<br />
Exklusivität - wird auffällig offensiv von Protagonisten<br />
avantgardistischer Strömungen betrieben.<br />
Sie zeigt sich damit weniger als ‘Schließungsmechanismus’<br />
etablierter, konservativer Kräfte, denn als<br />
‘Ausschlussaktivität’ noch nicht etablierter Akteuere. 67<br />
Die Tendenz, zur Durchsetzung neuer Ideen mit einer<br />
kleinen, feinen Truppe anzutreten, erscheint im Hinblick<br />
auf Gesellschaftsreformen paradox, bedarf es<br />
für deren Umsetzung doch einer breiten gesellschaftlichen<br />
Zustimmung. Das ‘doing gender’ in der klassischen<br />
Moderne der Architekturgeschichte - wie der<br />
sektiererische Prozess von Protagonisten - ist wahrscheinlich<br />
nur psychologisch resp. gruppendynamisch<br />
zu fassen. Auch wenn beispielsweise Bruno<br />
Taut rückblickend die Durchsetzung der Moderne in<br />
der Architektur als „Geburt“ bezeichnet: Im Kampf<br />
um die Durchsetzung der modernen Architektur herrschen<br />
offenbar militärische Regeln <strong>und</strong> einzelne,<br />
‘männliche’ Helden. 68<br />
26 Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />
Bildrechte für online-Ausgabe nicht verfügbar<br />
Häuser der Frau oder Häuser für Frauen? 69<br />
Das ‘Haus der Frau’ auf der Werkb<strong>und</strong>ausstellung<br />
Köln, 1914<br />
Ab 1911 plant der Deutsche Werkb<strong>und</strong> - ebenfalls<br />
mit erheblichen Mitteln der Industrie - 1913 in Köln<br />
eine Ausstellung seiner Mitglieder ins Werk zu setzen.<br />
Die Ausstellung muss um ein Jahr verschoben werden.<br />
Angesichts 5% weiblicher Mitglieder - von 1912<br />
zu 1913 erhöhte sich deren Zahl von 44 auf 77 - sollen<br />
bei der geplanten Ausstellung des Werkb<strong>und</strong>es in<br />
Köln die Arbeiten von Frauen in einem eigenen Ausstellungsgebäude<br />
präsentiert werden. 70 Es soll ein<br />
„besonderes Haus“ werden. Genauso entschieden<br />
wird sogleich festgelegt, dass darin „lediglich den auf<br />
kunstgewerblichem Gebiet arbeitenden Frauen“ die<br />
Möglichkeit zur Präsentation ihrer Arbeiten eingeräumt<br />
werden soll. 71 Dies überwacht ein hierfür gegründetes<br />
Komitee, dessen Mitglieder paritätisch aus<br />
Gestalterinnen <strong>und</strong> Gattinnen verdienter Vertrauensmänner<br />
zusammengesetzt ist. 72<br />
Während junge <strong>und</strong> ältere Architekten des Werkb<strong>und</strong>es<br />
die Vergabe aller anderen - mit exemplarischem<br />
Anspruch errichteten - Ausstellungsgebäude als Direktaufträge<br />
unter sich ausmachen, wird für das<br />
„Haus der Frau“ ein offener Wettbewerb ausgelobt. 73<br />
Die Ausschreibung des ersten dezidiert geschlechtsexklusiven<br />
Architekturwettbewerbs im Deutschen<br />
Reich erweist sich im Sinne des ‘doing gender’ als<br />
geschickter Schachzug berufsständischer Politik. 74<br />
Die Zusammensetzung der Jury wird ebenso wenig<br />
publiziert wie die Anzahl <strong>und</strong> Namen derer, die Entwürfe<br />
zu diesem Wettbewerb einreichen.