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Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel

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Kuthe wird nach Abschluss ihres Studiums 1921<br />

nicht in der Architektur tätig, sondern Leiterin der<br />

Emailwerkstatt an der Burg Giebichenstein. 87<br />

Das „Wie die Väter so die Töchter...“ 88 wird von der<br />

Generation der Architekturstudentinnen der Weimarer<br />

Republik an Technischen Hochschulen durchexerziert:<br />

Nicht nur die Söhne, auch die Töchter von Architekten<br />

<strong>und</strong> Ingenieuren - <strong>und</strong> nicht nur diese - absolvieren<br />

das akademische Studium <strong>und</strong> das Diplom<br />

erfolgreich, treten im Anschluss an das Diplom auch<br />

fast ausnahmslos in das Berufsfeld ein. Traditionelle<br />

Orientierungen, in der Familie wie im Studium, stehen<br />

der Fächerwahl dieser Studentinnen nicht mehr wirklich<br />

im Wege, sondern wirken sich im Studienverlauf<br />

wie im Studienerfolg sichtbar positiv aus. Auch wenn<br />

Studentinnen zeitweise in familiären Büros mitarbeiteten<br />

89 , im Unterschied zur traditionellen ‘Berufsvererbung’<br />

in den freien Berufen - vom Vater auf den Sohn<br />

- erhält keine der hier betrachteten Architektinnen die<br />

Chance, das väterliche Büro zu übernehmen.<br />

Damit erscheint die von Glaser für die Kaiserzeit beschriebene<br />

Ambivalenz ‘berufsvererbender’ Väter gegenüber<br />

ihren ‘Berufserbinnen’ während der Weimarer<br />

Republik nahezu unverändert. Und an den Hochschulen<br />

scheint ein Konsens unter den Professoren<br />

dafür gesorgt zu haben, ehemalige Studentinnen weder<br />

zu empfehlen noch innerhalb der Fakultäten über<br />

den Status der Hilfsassistentin hinaus zu qualifizieren.<br />

Bildet sich in zahlreichen (Diplom-)Bewertungen der<br />

Arbeiten von Architekturstudentinnen die Wertschätzung<br />

der fachlichen Leistung von seiten der Lehrenden<br />

noch ab, so wird im Anschluss jenseits von Leistungen<br />

geschlechtsexklusiv selektiert. Bei Bonatz<br />

findet sich ein Hinweis, wie während der zwanziger<br />

Jahre „eine aufrichtige Kameradschaft ohne Eifersucht<br />

<strong>und</strong> Neid“ 90 - Selektion <strong>und</strong> Umgangsformen<br />

unter Kollegen ‘vererbt’: „Die Assistenten waren [bei<br />

der gemeinsamen Beurteilung der Diplomarbeiten]<br />

zugegen <strong>und</strong> sollten lernen, wie Männer verschiedener<br />

Auffassung nach dem gerechten Ausgleich suchten.“<br />

91<br />

Ab Mitte der zwanziger Jahre erweisen sich beim Berufseinstieg<br />

von Architekturstudentinnen für etwa ein<br />

Jahrzehnt Kompetenzerwerb wie die formale Zertifizierung<br />

von Studienerfolgen als Schlüssel zum Berufsfeld.<br />

Darüberhinaus entscheiden Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Statusdistribution über Bezüge, erreichbare Stellungen<br />

<strong>und</strong> Aufträge. Nur in Ausnahmefällen erhalten<br />

ehemalige Architekturstudentinnen jedoch diese notwendigen<br />

Referenzen. Dennoch zeichnen sich berufliche<br />

Laufbahnen ab, insbesondere soweit sie eigene<br />

Ressourcen <strong>und</strong> familiäre Beziehungen als Anknüpfungspunkte<br />

nutzen können.<br />

Die frühen dreißger Jahre fallen bei den Studentinnen<br />

der Weimarer Republik mit dem ‘reproduktionsfähigen<br />

Alter’, der Zeit von Heirat <strong>und</strong> Familiengründung<br />

zusammen. Auch wenn das Heiratsalter von Architektinnen<br />

weit über dem Durchschnitt liegt <strong>und</strong> weniger<br />

als 20% der ehemaligen <strong>Tessenow</strong>- wie der architekturinteressierten<br />

<strong>Bauhaus</strong>studentinnen ledig<br />

bleiben, mehr als zwei Drittel heiraten. Die meisten<br />

dieser Architekturstudentinnen heiraten zwischen<br />

1931 <strong>und</strong> 1937 nicht zuletzt deshalb, weil sie eine<br />

Familie gründen möchten. Der Kinderwunsch scheint<br />

bei <strong>Tessenow</strong>diplomandinnen, die bei Heirat meist<br />

älter sind als <strong>Bauhaus</strong>studentinnen, deutlicher ausgeprägt.<br />

Dieser Abwägungsprozess ist in aller Regel<br />

nicht verschriftlicht. 1938 schreibt bspw. die 26jährige,<br />

ehemalige <strong>Bauhaus</strong>studentin Judith Müller-Tourraine<br />

[geb. Káràsz], „daß ich endlich einmal ein Kind<br />

haben möchte, denn ich bin schließlich eine Frau,<br />

wenn ich auch in Hosen herumlaufe <strong>und</strong> für einen<br />

16jährigen Bengel gehalten werde. Es ist mir zwar<br />

klar, daß dies Kind auch nur die Menschheit noch<br />

mehr vermehren würde, aber ich möchte nur eins<br />

haben.“ 92<br />

Komplexität <strong>und</strong> Widerspruch:<br />

Das Modell der Kameradschaftsehe<br />

<strong>Bauhaus</strong>- wie <strong>Tessenow</strong>studentinnen mussten beim<br />

Übergang ins Berufsfeld auf Ermutigungen durch ihre<br />

Lehrer i.d.R. verzichten. 93 Umso wichtiger wurde die<br />

fachliche Motivation, hohe Flexibilität, eine unbeirrbare<br />

Hartnäckigkeit <strong>und</strong> unterstützende Rahmenbedingungen<br />

im privaten Kreis. Nicht überall konnten oder<br />

wollten die Herkunftsfamilien eigene Hilfestellung bieten.<br />

Anders als die Architekturstudentinnen der<br />

Kaiserzeit, die Familiengründungen unter den gegebenen<br />

Umständen i.d.R. meiden, entscheidet sich die<br />

ganz überwiegende Mehrheit der Architekturstudentinnen<br />

der Weimarer Republik nicht eindeutig zugunsten<br />

der Berufspriorität. Selbstbewusst halten die<br />

meisten Studentinnen Beruf <strong>und</strong> Familie für vereinbar.<br />

Dabei scheint insbesondere die Heirat mit einem<br />

Architekten vielversprechend, der Ehevertrag eine Art<br />

Optionsschein, um - wie die Mehrheit der Kollegen -<br />

weder auf Berufstätigkeit noch auf Kinder verzichten<br />

zu müssen.<br />

Claudia Huerkamp hat im Vergleich zwischen den<br />

Studentinnengenerationen festgestellt, dass sich in<br />

der Generation der Weimarer Republik - quer zu allen<br />

Disziplinen - anteilig mehr Frauen gegen die Berufstätigkeit<br />

entscheiden. 94 Es handelt sich dabei offenbar<br />

um ein zeitgeschichtliches ggf. generationenspezifisches<br />

Phänomen. Bei den von ihr näher untersuchten<br />

Medizinerinnen, fiel auf, dass die Gattenwahl häufig<br />

auf einen Kollegen fällt. Dies scheint kein Zufall. Vielmehr<br />

wird erkennbar, dass bei freiberuflichen<br />

Berufseinstiege von Architekturstudentinnen der Weimarer Republik 193<br />

87 Zu Klara-Maria Kuthe (1894 -1981) vgl. Kurzbiografie in: Dolgner,<br />

1993, S.540 - <strong>und</strong> Kap.9, Akademische Ambitionen.<br />

88 So der Titel der Untersuchung von Margot Fuchs über Studentinnen<br />

an der TH München. Fuchs, München, 1994<br />

89 Bspw. Hilde Reiss bei ihrem Onkel, Ruth Josefek bei ihrem Vaer,<br />

Maria Müller bei ihrem Mann. Auch Heidenreich, Lederer,<br />

Loewe, Rossius <strong>und</strong> Zosel könnten - zumindest zeitweilig - in<br />

den väterlichen Büros gearbeitet haben.<br />

90 Bonatz, 1950, S.104ff: „Wir waren sehr verschiedenartige Männer,<br />

(..) aber wir waren eine aufrichtige Kameradschaft ohne Eifersucht<br />

<strong>und</strong> Neid.“ Diesem Kollegium gehörten lt. Bonatz<br />

„Schmoll von Eisenwerth, Bonatz, Fiechter, Janssen, Schmitthenner,<br />

Wetzel, Keuerleber <strong>und</strong> Stortz, später Tiedje“ an.<br />

91 Bonatz, 1950, S.105<br />

92 Schreiben von Judit Müller-Tourraine, Bondegaard, 11.4.1938;<br />

DAM, NL Meyer<br />

93 Im Unterschied dazu wurde bspw. Konrad Wachsmann von<br />

<strong>Tessenow</strong> <strong>und</strong> Poelzig, Egon Eiermann durch Poelzig ermutigt.<br />

Wachsmann erinnert diese Ermutigungen als ausschlaggebend<br />

für seine berufliche Entwicklung. Vgl. Guening, 1986, S.140, zu<br />

Eiermann vgl. Posener, 1993, S.170.<br />

94 Huerkamp, 1996

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