Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen - KOBRA - Universität Kassel
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94 Da (Teil-)Nachlässe der von mir gesuchten Architekturstudentinnen<br />
nur vereinzelt in deutschen Archiven zu finden waren, befindet<br />
sich die Mehrzahl dieser Primärquellen bei den Architektinnen<br />
resp. ihren Familien. Ein Teilnachlass von Wera Meyer-Waldeck<br />
befindet sich im <strong>Bauhaus</strong> Archiv Berlin. Dort sind auch<br />
Teile des planerischen Nachlasses von Annamarie Mauck archiviert.<br />
Ein Teilnachlass von Annemarie Lange befindet sich im<br />
Schriftstellerarchiv der Akademie der Künste, allerdings keinerlei<br />
planerische Unterlagen. In Deutschland sind bisher nur ausnahmsweise<br />
Werke bzw. Nach-lässe von Architektinnen archiviert.<br />
Der Nachlass der Göttinger Architektin Lucy Hillebrand befindet<br />
sich im Archiv des Deutschen Architekturmuseums in<br />
Frankfurt/Main, Planunterlagen <strong>und</strong> Projektdokumentationen der<br />
Architektin Hilde Weström (geb. 1912) sind in der Berlinischen<br />
Galerie zu finden.<br />
95 Diese Sek<strong>und</strong>ärquellen können darüber hinaus sinnvollerweise<br />
nochmals unterschieden werden nach den Medien bzw. Zielgruppen<br />
dieser Medien, da die Zusammenhänge wer wann wo<br />
wie publiziert - somit einem bestimmten Publikum überhaupt<br />
bekannt gemacht - wird, ein spannendes, aber eben auch eigenes<br />
Untersuchungsfeld darstellt.<br />
96 Oft konnte zunächst entweder biografisches oder oeuvrebezogenes<br />
Material recherchiert werden. Personenbezogen zugängliche<br />
Materialien reichen für eine lückenlose Dokumentation des<br />
Schaffens nur selten aus. Auch für das Selbstverständnis konnten<br />
in der Regel entweder zeitgeschichtliche Aufzeichnungen<br />
oder retrospektive Äußerungen ausgewertet werden.<br />
97 Auch wenn, schon aufgr<strong>und</strong> der Altersdifferenzen innerhalb dieser<br />
Generation eingeschränkt werden muss, dass die individuell<br />
erlebten Konsequenzen dieses politischen Wechsels sehr deutliche<br />
Unterschiede zeitigten.<br />
98 Durchgängig werden nur <strong>Tessenow</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bauhaus</strong>studentinnen<br />
verglichen, punktuell werden Architekt(urstudent)innen anderer<br />
Ausbildungswege, Generationen, Milieus <strong>und</strong> Kollegen herangezogen.<br />
Handlungsperspektiven zu deren Überwindung aufzeigen<br />
noch die Vielfalt biografischer, ökonomischer<br />
oder politisch-kultureller Ambivalenzen der vorliegenden<br />
Werkbiografien erklären. Sie kann jedoch - auch<br />
ohne expliziten Geschlechtervergleich - retrospektiv<br />
das ‘doing gender’ in der Architektur während des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> die verschiedenen [Re-]Aktionsformen<br />
ehemaliger Architekturstudentinnen in traditionell<br />
wie modern orientierten Ausbildungs- <strong>und</strong><br />
Berufsbereichen nachzeichnen.<br />
Zu Quellen, Methoden <strong>und</strong> dem Aufbau dieser<br />
Arbeit<br />
An Primärquellen konnten für diese Arbeit genutzt<br />
werden 94 :<br />
Quellenmaterialien über die Architekturausbildung - in<br />
Form von Veranstaltungsverzeichnissen, Immatrikulationsnachweisen,<br />
Prüfungslisten, Sitzungsprotokollen,<br />
Mitschriften von Unterrichtseinheiten, Zeitungsmeldungen,<br />
Fotos, Zeugnissen <strong>und</strong> Diplomen sowie einzelnen<br />
Studienarbeiten<br />
Quellenmaterialien zum Schaffen von Architektinnen -<br />
in Form von Zeichnungen, Wettbewerbsentwürfen,<br />
Bauakten, Fotos, Schriftwechseln zu einzelnen Bauvorhaben,<br />
Baubeschreibungen, Projektdokumentationen<br />
Quellenmaterialien zur Biografie <strong>und</strong> Berufssituation<br />
von Architektinnen in Form von Selbstzeugnissen aus<br />
der jeweiligen Zeit, darunter Lebensläufe, Briefe, unveröffentlichte<br />
Artikel, Tagebücher, Mitgliedsausweise;<br />
<strong>und</strong> in Form retrospektiver Selbstzeugnisse, darunter<br />
Interviews, Fragebögen, Briefe, Lebensläufe<br />
<strong>und</strong> Werkverzeichnisse<br />
Publizierte Artikel, Manuskripte <strong>und</strong> Bücher von Architektinnen<br />
- Unpublizierte Kurzgeschichten, Romane<br />
von Architektinnen<br />
Daneben konnten an Sek<strong>und</strong>ärquellen ausgewertet<br />
werden 95 :<br />
Publizierte Artikel über Architektinnen <strong>und</strong> Architekturstudentinnen.<br />
Publizierte Zeichnungen von Projekten<br />
<strong>und</strong> Fotos realisierter Bauten. Artikel über das<br />
Berufsbild ‘Architektin’ resp. ‘Innenarchitektin’, Ausstellungskataloge,<br />
Wettbewerbspublikationen.<br />
Schon anhand der Quellenübersicht wird deutlich,<br />
dass die Vergleichbarkeit der Quellen i.d.R. hinterfragt<br />
werden muss. Deshalb wurden die Quellen<br />
mehrfach überprüft, manche Materialien nur in Teilbereichen<br />
herangezogen. Aufgr<strong>und</strong> der Vielfalt der<br />
Provenienzen ist eine direkte Vergleichbarkeit oft<br />
nicht gegeben. 96<br />
14 Was diese Untersuchung möchte<br />
Diese Arbeit stellt Architekturstudentinnen <strong>und</strong> Architektinnen<br />
in den Mittelpunkt der Untersuchung. Ziel<br />
dieser Forschung ist es, anhand der im Anhang dokumentierten<br />
Werkbiografien möglichst viele Facetten<br />
der Ausbildung sowie der Professionalisierung<br />
vergleichend zu beleuchten. Die individuellen wie<br />
strukturellen Rahmenbedingungen dieser Architekturstudentinnen<br />
der Weimarer Republik werden im jeweiligen<br />
Ausbildungskontext, ihre Professionalisierung<br />
innerhalb eines jeweils zu bestimmenden, sich<br />
wandelnden wie vielschichtigen Berufsfeldes untersucht.<br />
Unter der Annahme, dass der Wandel des Berufsfeldes,<br />
der Wandel innerhalb der Architekturausbildungen,<br />
der Wandel der Geschlechterverhältnisse,<br />
der Wandel ökonomischer, politischer, gesellschaftlicher<br />
Rahmenbedingungen wie bestimmter Milieus<br />
interaktiv, jedoch nicht immer im zeitlichen, räumlichen<br />
oder diskursiven Gleichklang erfolgt, werden<br />
den unterschiedlichen Blickwinkeln durchaus verschiedene<br />
Parameter zugr<strong>und</strong>e gelegt. Es scheint nur<br />
so möglich, dem „doing gender“ - der prozessualen<br />
(Re-)Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit - zwischen<br />
den verschiedenen Wandlungsprozessen auf<br />
die Spur zu kommen.<br />
So impliziert der Begriff „Generation“, der bzgl. der<br />
<strong>Bauhaus</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tessenow</strong>sstudentInnen die Geburtsjahrgänge<br />
1893-1913 subsumiert, den Umbruch von<br />
der Kaiserzeit zur Weimarer Republik als historisches<br />
Schlüsselerlebnis. 97 Der Vergleich zwischen bestimmten<br />
Ausbildungsrichtungen erlaubt rückblickend die<br />
Bewertung der Ausbildungsprägung, setzt jedoch zunächst<br />
voraus, dass die Identifikation mit der jeweiligen<br />
Schule vergleichbar stark resp. schwach sei. Der<br />
Verzicht auf einen Vergleich mit den Kommilitonen<br />
resp. Kollegen rückt die Differenz der „Schulen“ <strong>und</strong><br />
die Architekt(urstudent)innen als aktiv Handelnde in<br />
den Mittelpunkt. 98 Dass ihr Aktionsspektrum damit<br />
nicht automatisch dem der Kommilitonen resp. Kollegen<br />
gleichgesetzt werden kann, wird anhand punktueller<br />
Vergleiche immer wieder deutlich. Es existieren<br />
jedoch nahezu keine verschriftlichten Quellen darüber,<br />
ob Architekturstudentinnen <strong>und</strong> Architekturstudenten<br />
der Weimarer Republik über die gleichen<br />
familiären Hintergründe, die gleichen Vorbildungen,<br />
vergleichbare Studienmotivationen <strong>und</strong> Berufsvorstellungen,<br />
dieselbe Anzahl Chancen verfügten. Erst<br />
dann ließe sich ausreichend differenziert interpretieren,<br />
weshalb sie die gleichen oder unterschiedliche<br />
Entwurfsthemen bearbeiteten, dieselben Vorbilder als<br />
die ihren ansahen oder ablehnten. Für die Berufsverläufe<br />
ließe sich dieser Logik folgend darstellen, ob<br />
Architektinnen <strong>und</strong> Architekten dieser Generation<br />
resp. einer Ausbildungsrichtung vergleichbar bzw. inwieweit<br />
sie tatsächlich geschlechterspezifisch agierten,<br />
ob die gleichen oder unterscheidbare Strategien<br />
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