22Alle vereinbarten Schritte werden eng mit den Vertretern andererBerufsgruppen abgesprochen. Dazu gehören vor allem der Arzt,der Psychologe und der zuständige Sozialarbeiter. Hier kommt einweiterer entscheidender Wirkfaktor zum Tragen. Um den Patientenoptimal zu begleiten und zu unterstützen, müssen alle an derBehandlung Beteiligten in die gleiche Richtung arbeiten. Der Patientselbst wird ebenfalls laufend über diese Absprachen informiertund muss sich immer mit den daraus resultierenden Massnahmeneinverstanden erklären. Die Freiwilligkeit ist zwingendeVoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie auf einer Psychotherapiestation.Wegbegleiter BezugspersonFür die gesamte Dauer dieses Prozesses hält die Bezugsperson verlässlichden Kontakt zum Patienten. Sie fragt nach seinem Befinden,bespricht mit ihm Angst machende Situationen im Vorausund im Nachhinein. Je nach Verlauf werden die Ziele und die dazugehörendenMassnahmen angepasst und neu auf ihre Wirksamkeitüberprüft. Die Bezugsperson beobachtet den Patienten in seinemtäglichen Verhalten auf der Station. Zieht er sich zurück?Scheut er den Kontakt zu einzelnen Patienten oder der ganzenGruppe? Wie verhält er sich im Zusammensein mit den anderen?Wie wirkt er, wenn er das Wort ergreift? Stetig erhält der PatientRückmeldungen von seiner Bezugsperson, bekommt dadurchOrientierung und erfährt vor allem, ob seine Gefühle mit seinerWirkung nach aussen übereinstimmen. Manchmal fühlt er sichvielleicht innerlich ängstlich und unsicher, wirkt nach aussen jedochruhig und ausgeglichen. Gemeinsam mit der Bezugspersonerarbeitet er Verbesserungsvorschläge, probiert diese wiederumaus und trainiert im Schutz der Station das neu erlernte Verhalten.Natürlich gibt es immer wieder Rückschläge. Manchmal wirdder Wunsch aufzugeben für den Patienten übermächtig. Die Sehnsuchtnach dem Alkohol wird gross, er hat nur wenig Vertrauen insich selbst. Von unseren Patienten wissen wir, wie wichtig es für sieist, dass wir Pflegenden an sie glauben. Sie selbst haben den Glaubenan sich oft schon längst verloren oder zweifeln immer wiederdaran. Die Bezugsperson versucht den Patienten trotz aller Rückschlägeimmer wieder zu motivieren. Sie gibt ihm Halt und Zuversicht.Schliesslich hat uns die Erfahrung gezeigt, dass auchHumor sehr heilend wirken kann. Immer wieder bestätigen unsPatienten, dass gelegentlich humorvoller Umgang schwereMomente leichter erträglich macht.Die zwischenmenschlichen Wirkfaktoren der Bezugspersonzusammengefasst:■ Wertschätzung■ Zuverlässigkeit■ Verständnis■ «Einfach nur da sein»■ Klarheit■ Orientierung■ Akzeptanz■ Zuversicht■ Ehrlichkeit■ Respekt■ Schutz■ Gerechtigkeit■ Offenheit■ HumorSchlussgedankenDer professionelle Auftrag der psychiatrischen Pflege orientiertsich immer wieder neu am Bedürfnis der Menschen, die unsereHilfe in Anspruch nehmen. Für ein modernes Pflegeverständnissind sich verändernde gesellschaftliche Anforderungen wie auchdie Bedürfnisse des Einzelnen gleichbedeutende Impulsgeber. PsychiatrischePflege kann und muss sich der Gesellschaft zeigen. Siesoll Ängste nehmen statt Angst machen.
Bettina Baldo, Monika-Rosanna Corrodi, Tanz- und BewegungstherapieArbeit über den Körper – ein Weg derIdentitätsfindung«Ich kann im Körpermein Gleichgewichterfahren, obwohlmein ganzes Lebenaus dem Gleichgewicht zu fallen scheint. Diese körperliche Erfahrunggibt mir im Moment viel Vertrauen, auch meine Aussenwelt wiederin ein Gleichgewicht bringen zu können …» So äussert sich eine Patientinganz beglückt am Schluss einer Bewegungstherapiestunde.In unserer Arbeit als Tanz- und Bewegungstherapeutinnenstehen die zahlreichen, vielfältigen, facettenreichen Erfahrungenüber den Körper als Brücke zur Identität im Mittelpunkt.Identität ist ein viel benutzter Begriff. Wörtlich bedeutet ersoviel wie Übereinstimmung einer Person oder Sache mit dem,was sie ist oder als das, was sie bezeichnet wird. In der Umgangssprachewird das eigene Selbstverständnis z.B. als Mutter, Tochter,als Berufstätige oft mit dem Begriff der eigenen Identität gleichgestellt.Identität wird nicht selten als Verbindung eines Ich-Leistungsprozessesbeschrieben und unser Körper oft als Werkzeugeingesetzt. Doch wenn der Körper rebelliert, bringt dies den Menschenaus dem Gleichgewicht.Jeder Augenblick, jede Erfahrung eines Menschen ist irgendwoim Körper gespeichert und drückt sich in der Körpersprache, inder Bewegung, im Tanz bewusst oder unbewusst aus. Im therapeutischenProzess werden Störungen und Probleme erlebbar unddamit veränderbar.Hier setzt die Tanz- und Bewegungstherapie an. Sie ist eineTherapieform, die immer den ganzen Menschen auf der körperlichen,geistigen sowie seelischen Ebene anspricht.Der Mensch hat keinen von der Seele getrenntenKörperKörper, Geist, Seele stehen immerzu in gegenseitiger Wechselwirkungzueinander – ein universelles Lebensgesetz. So wirkt sicheine körperliche Erkrankung wie z.B. eine Knieverletzungeinschränkend auf die körperliche Mobilität aus, die Gedankenkreisen um den Schmerz und dessen Bekämpfung, gleichzeitigdrückt dieses Unbehangen auf die emotionale Stimmung und verunsichertseelisch enorm. Oder ein seelischer Schmerz blockiertden freien Gedankenfluss, der Muskeltonus steigt und zeigt sichzum Beispiel in heftiger Nackenverspannung und daraus resultierendenKopfschmerzen.Wenn der eigene Körper – es Diheim sii, wo er sich wohl fühlenkann – durch negative Erfahrungen besetzt ist, kann für dessenBewohner eine Distanz zum eigenen Körper entstehen, welche wiefolgt umschrieben wird:«Ich bin nicht, was ich einmal war.»«Ich bin leer.»«Ich spüre meinen Körper nicht.»«Ich weiss nicht, was mir gut tut.»Den Zugang zum Körper suchen und wieder finden ist ein zentralesAnliegen. Die Arbeit über den Körper führt hin zum Erlebender eigenen Identität. Der Mensch lernt wieder, seinen Körper zubewohnen – ein unaufhörlicher Individualisierungsprozess ist imGang.Transfer in den AlltagDer Mensch als Leibsubjekt ist durch ein integriertes «Wahrnehmen– Verarbeiten – Handeln» unlösbar mit der Lebenswelt verflochten,von der er bewegt, beeinflusst, gestaltet wird und die erwiederum durch sein Tun und Wirken bewegt, bearbeitet, beeinflusst– in konstruktiver und auch in destruktiver Weise (Petzold,1969).Wenn ein Patient für eine Gruppe oder Einzeltherapie angemeldetist, ist es die Arbeit der Bewegungstherapeutin, eine tragfähigeBeziehung zu schaffen, wo der Klient Vertrauen und Sicherheiterfahren kann.In unserer therapeutischen Arbeit unterstützen wir den Patientenauch in der Austrittsphase und versuchen, eine Brücke zu schlagenzum Alltag, den der Patient vielleicht neu und anders gestaltenwill. So können individuellauf ihn zugeschnitteneKörperübungsprogrammeeinwichtiger Anker undunterstützend für eineNeuausrichtung imAlltag sein. Vermittlungz.B. von Yogakursenin der Nähe des«Körper, Geist und Seelestehen immerzu ingegenseitiger Wechselwirkungzueinander –ein universelles Lebensgesetz.»Wohnortes des Patienten oder ein Angebot, über eine gewisse Zeitambulant noch an vereinzelten Bewegungsangeboten (z.B. Körperwahrnehmung,Rhythmische Bewegung und Tanz etc.) in der23
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