140 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 3/2006Anwaltsgerichtliche RechtsprechungKammer zurückgewiesen. Daraufhin stellte <strong>de</strong>r Verteidigereinen Beweisantrag <strong>de</strong>s Inhalts, dass <strong>de</strong>r Angeklagte sich in ersterInstanz ausführlicher und an<strong>de</strong>rs geäußert habe, als es imProtokoll festgehalten sei. Er bezog sich auf Zeugnis <strong>de</strong>s erstinstanzlichenRichters und <strong>de</strong>r Protokollführerin. Dieser Beweisantragwur<strong>de</strong> zurückgewiesen. Die in ihm behaupteten Tatsachenzur Berufsausbildung und zum Wer<strong>de</strong>gang wur<strong>de</strong>n alswahr unterstellt.Nun beantragte <strong>de</strong>r Verteidiger vor Vernehmung <strong>de</strong>s geschädigtenZeugen die Beiziehung <strong>de</strong>r Akten <strong>de</strong>s Sozialamts.Grün<strong>de</strong>, warum er diese vor Vernehmung <strong>de</strong>s Zeugen R. benötigte,gab er nicht an. Der Vorsitzen<strong>de</strong> lehnte daraufhin <strong>de</strong>nBeiziehungsantrag ab. Der Angeschuldigte beanstan<strong>de</strong>te dieseVerfügung. Daraufhin verließen <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> und die bei<strong>de</strong>nSchöffen <strong>de</strong>n Sitzungssaal zur Beratung. Nach Rückkehrverkün<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> die Entscheidung, dass seine Verfügungbestätigt wer<strong>de</strong>. Daraufhin stellte <strong>de</strong>r Angeschuldigteeinen Befangenheitsantrag mit <strong>de</strong>r Begründung, das Gerichthabe <strong>de</strong>n Sitzungssaal nur für 12 bis 15 Sekun<strong>de</strong>n verlassen. Indieser Zeit sei keine ordnungsgemäße Beratung möglich gewesen.Dieser Befangenheitsantrag wur<strong>de</strong> als unzulässig verworfen,da mit ihm offensichtlich das Verfahren nur verschlepptwer<strong>de</strong>n solle. Der Angeschuldigte habe bereits in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>nVorterminen jeweils unbegrün<strong>de</strong>te Befangenheitsanträgegestellt, weshalb die Verschleppungsabsicht offensichtlich sei.Zu<strong>de</strong>m sei es <strong>de</strong>m Angeschuldigten als langjährigem Strafverteidigerhinlänglich bekannt, dass auch innerhalb einer kurzenZeit eine Beratung stattfin<strong>de</strong>n könne. Nach Verkündung diesesBeschlusses lehnte <strong>de</strong>r Angeschuldigte erneut die gesamteKammer wegen Besorgnis <strong>de</strong>r Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuchstützte er auf die Begründung <strong>de</strong>s zurückweisen<strong>de</strong>nBeschlusses. Auch dieser Antrag wur<strong>de</strong> gem. § 26a Abs. 1Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen. Zur Begründung wur<strong>de</strong>darauf verwiesen, dass das Ablehnungsgesuch keine neuen Tatsachenenthalte, son<strong>de</strong>rn sich lediglich auf die vorangegangeneSachentscheidung <strong>de</strong>r Kammer beziehe. Die Befangenheitsanträge,die sich auf einen Verwerfungsbeschluss, <strong>de</strong>r mit Verschleppungsabsichtbegrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sei, bezögen, könntenkonsequenterweise auch ihrerseits nur das Ziel <strong>de</strong>r Verschleppung<strong>de</strong>s Verfahrens haben. Dies nahm <strong>de</strong>r Angeschuldigtezum Anlass, einen erneuten Befangenheitsantrag zu stellen, mit<strong>de</strong>m er erneut im Wesentlichen geltend machte, Verschleppungsabsichtbestehe nicht. Dieser Antrag wur<strong>de</strong> erneut mitfolgen<strong>de</strong>r Begründung verworfen:„Das Befangenheitsgesuch wird aus <strong>de</strong>n entsprechendanwendbaren Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r vorangegangenen Verwerfungsbeschlüssegleichfalls als unzulässig verworfen. Die Kammerweist darauf hin, dass weitere Befangenheitsanträge, die sichauf bereits ergangene Beschlüsse <strong>de</strong>r Kammer beziehen – ohnedass das Verfahren seinen Fortgang genommen hat – nichtmehr beschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.“Dies nahm <strong>de</strong>r Angeschuldigte zum Anlass, einen viertenBefangenheitsantrag zu stellen und ihn mit <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>sAblehnungsbeschlusses zu begrün<strong>de</strong>n. Diesen Antrag nahm<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> ins Protokoll auf und wollte – ohne über ihnbefun<strong>de</strong>n zu haben – mit <strong>de</strong>r Vernehmung <strong>de</strong>s Zeugen R. zurSache fortfahren.Daraufhin erklärte <strong>de</strong>r Angeschuldigte: „Wenn Sie meinenAntrag nicht beschei<strong>de</strong>n, gehe ich. Es liegt ein Fall <strong>de</strong>r notwendigenVerteidigung vor.“ Als <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> sich weiteranschickte, mit <strong>de</strong>r Vernehmung <strong>de</strong>s Zeugen fortzufahren,erhob sich <strong>de</strong>r Angeschuldigte von seinem Stuhl, zog seineRobe aus und erklärte: „Je<strong>de</strong>nfalls jetzt muss die Sitzung been<strong>de</strong>twer<strong>de</strong>n.“ Weiter erklärte er: „Ich bin nicht mehr da.“ AufAntrag <strong>de</strong>s Vertreters <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft wur<strong>de</strong> daraufhindie Hauptverhandlung ausgesetzt und <strong>de</strong>m Angeschuldigtendie verursachten Kosten gem. § 145 Abs. 4 StPO auferlegt. Fernerentpflichtete ihn <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> und ordnete <strong>de</strong>m damaligenAngeklagten einen neuen Pflichtverteidiger bei.Die gegen diese Entscheidungen eingelegte Beschwer<strong>de</strong> bzw.sofortige Beschwer<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> vom OLG K. verworfen. Dies sahsowohl die Voraussetzungen für die Entpflichtung als gegebenan als auch die Auferlegung <strong>de</strong>r Kosten als berechtigt. DerAngeschuldigte habe schuldhaft die Aussetzung <strong>de</strong>r Hauptverhandlungverursacht. Sein Verschul<strong>de</strong>n entfalle nicht <strong>de</strong>shalb,weil ihm ein an<strong>de</strong>res Mittel zur wirksamen Verteidigung <strong>de</strong>sAngeklagten nicht zur Verfügung gestan<strong>de</strong>n hätte.Diese Feststellungen beruhen auf <strong>de</strong>r Einlassung <strong>de</strong>s Angeschuldigtenund <strong>de</strong>r weiteren Beweisaufnahme, wie sie sichaus <strong>de</strong>m Hauptverhandlungsprotokoll v. 1.7.2005 ergibt.Der Angeschuldigte hat <strong>de</strong>n äußeren Geschehensablauf so eingeräumt,wie ihn <strong>de</strong>r Senat festgestellt hat. Er hat weiter dazuausgeführt, sein Verhalten sei gerechtfertigt gewesen. Er habe<strong>de</strong>n damaligen Angeklagten „vor diesem Richter“ schützenmüssen. Zu<strong>de</strong>m habe er noch im Verhandlungssaal erklärt, ersei bereit, das Mandat fortzuführen, „falls das Gericht sich soverhalten wür<strong>de</strong>, wie ich wollte“. Dies sei allerdings nichtmehr ins Protokoll aufgenommen wor<strong>de</strong>n.Verstoß gem. §§ 43, 49BRAONach <strong>de</strong>n getroffenen Feststellungenhat sich <strong>de</strong>r Angeschuldigteeiner Stan<strong>de</strong>sverfehlunggem. §§ 43, 49 BRAO schuldiggemacht. Er hat gegen die Verpflichtung verstoßen, ein Pflichtverteidigermandatordnungsgemäß durchzuführen. Es ist anerkannt,dass es i.d.R. stan<strong>de</strong>swidrig ist, wenn ein zum Pflichtverteidigerbestellter RA in einem Falle notwendiger Verteidigungeigenmächtig die Hauptverhandlung verlässt, um durch seineAbwesenheit (vgl. § 338 Nr. 5 StPO) <strong>de</strong>ren Unterbrechung zuerzwingen (vgl. BGH, StV 1981, 133, 135 m.w.N.). Dies ergibtsich auch aus <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 145 Abs. 4 StPO, wonach<strong>de</strong>m Verteidiger im Falle einer notwendigen Verteidigung Kostenaufzuerlegen sind, wenn er durch seine Schuld, d.h. insbeson<strong>de</strong>redurch Ausbleiben in <strong>de</strong>r Hauptverhandlung, unzeitigesSich-Entfernen o<strong>de</strong>r Weigerung, die Verteidigung zu führen(§ 145 Abs. 1 StPO), eine Aussetzung <strong>de</strong>s Verfahrens erfor<strong>de</strong>rlichmacht.Aus dieser Regelung ergibt sich auch, dass <strong>de</strong>m Pflichtverteidigerin diesem Zusammenhang keine beson<strong>de</strong>ren Verpflichtungenauferlegt wer<strong>de</strong>n, die einen Wahlverteidiger nicht treffenwür<strong>de</strong>n. Auch ein Wahlverteidiger wür<strong>de</strong> sich – dann allerdingsnur gem. § 43 BRAO – stan<strong>de</strong>swidrig verhalten, wenn ersein Mandat nie<strong>de</strong>rlegt und die Verteidigung einstellt, um sodie Unterbrechung einer Hauptverhandlung zu erreichen. DerAngeschuldigte hat auch, wie das OLG K. zutreffend festgestellthat, gegen diese Norm verstoßen, auch wenn er <strong>de</strong>n Sitzungssaalnicht verlassen hat.Er hat je<strong>de</strong>nfalls, was sich ausseinen Erklärungen: „Je<strong>de</strong>nfallsjetzt muss die Sitzung been<strong>de</strong>twer<strong>de</strong>n.“ und „Ich bin nichtWeigerung, die Verteidigungfortzusetzenmehr da.“ ein<strong>de</strong>utig ergibt, sich geweigert, die Verteidigungweiterzuführen mit <strong>de</strong>m Ziel, die Aussetzung <strong>de</strong>s Verfahrens zuprovozieren.Dies geschah auch vorsätzlich. Denn <strong>de</strong>r Angeschuldigtekannte alle objektiven Umstän<strong>de</strong>, welche zur Verwirklichung<strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s führten. Ziel seines Verhaltens war es auchgera<strong>de</strong>, durch die Beendigung <strong>de</strong>r Verteidigung die Aussetzung<strong>de</strong>s Verfahrens zu erreichen.Sein Verhalten war auch nicht gerechtfertigt. Zwar wird in Literaturund Rspr. angenommen, dass ein Verhalten <strong>de</strong>r hier erör-
BRAK-Mitt. 3/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 141Anwaltsgerichtliche Rechtsprechungterten Art in Ausnahmefällen dann nicht stan<strong>de</strong>swidrig sei,wenn <strong>de</strong>r Verteidiger quasi als „ultima ratio“ zum Schutze <strong>de</strong>sAngeklagten die weitere Mitwirkung am Verfahren aus triftigemGrund ablehne (vgl. BGH, a.a.O., OLG Hamm, JMBl. NRW1967, 105; Dahs, Das Handbuch <strong>de</strong>s Strafverteidigers, 6. Aufl.,Rdnr. 764).Keine „ultima ratio“-RechtfertigungEine solche Rechtfertigung istjedoch nur dann gegeben, wenndurch das Verhalten <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>nbzw. <strong>de</strong>s Gerichts in dieRechte <strong>de</strong>s Angeklagten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Verteidigers rechtswidrig inmassiver Weise eingegriffen wird. Ein solcher Sachverhalt warhier erkennbar nicht gegeben. Dies hat das OLG K. bereitszutreffend festgestellt. So war die Verwerfung <strong>de</strong>r ersten dreiBefangenheitsanträge als unzulässig wegen Verschleppungsabsichtnicht offensichtlich rechtswidrig. Hierbei hat dieKammer zu Recht auch das Vorverhalten <strong>de</strong>s Verteidigers in<strong>de</strong>n vorangegangenen Terminen herangezogen. Schon dieunzulässige Beschwer<strong>de</strong> gegen die Verwerfung <strong>de</strong>s erstenBefangenheitsantrags konnte nur <strong>de</strong>r Verfahrensverschleppungdienen. Dem Angeschuldigten als Fachanwalt für Strafrecht wardies auch bewusst. Gleiches gilt für <strong>de</strong>n auf einen – für ihnerkennbaren und erkannten – falschen Sachverhalt gestütztenzweiten Befangenheitsantrag. Dass ihm bewusst war, dass <strong>de</strong>rBeschluss, mit <strong>de</strong>m über die Befangenheit <strong>de</strong>s abgelehntenRichters entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n war, vor <strong>de</strong>r erneuten Terminierungergangen war, ergibt sich bereits aus <strong>de</strong>m obenwie<strong>de</strong>rgegebenen Inhalt seiner Beschwer<strong>de</strong>. Dass seine Rechtsausführungenim Schriftsatz v. 29.10.2002 zur Frage, wann <strong>de</strong>rstreitige Beschluss ergangen sei, ersichtlich rechtsfehlerhaftsind, war auch <strong>de</strong>m Angeschuldigten bewusst. Er kann keinesfallsernsthaft vertreten wollen, dass <strong>de</strong>r Beschluss, welcherihm gleichzeitig mit <strong>de</strong>r Ladungsverfügung v. 28.8.2002 zugesandtwor<strong>de</strong>n war, erst nach <strong>de</strong>r Ladungsverfügung „ergangen“sei. Hier wollte er sich einen erkennbaren und von ihm erkanntenSchreibfehler <strong>de</strong>r Kanzlei für verfahrensfrem<strong>de</strong> Zielezunutze machen. Die Befangenheitsanträge, die ersichtlichohne sachlichen Grund in <strong>de</strong>r Hauptverhandlung v. 9.12.2002gestellt wur<strong>de</strong>n, waren daher zu Recht als unzulässig verworfenwor<strong>de</strong>n. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,dass dies nichts mit <strong>de</strong>r vom BGH in seiner Entscheidung v.27.2.2004 (BGH – 2 StR 496/03) gerügten Vorgehensweise zutun hat. Der BGH hat in <strong>de</strong>r auch vom AnwG herangezogenenEntscheidung die Zurückweisung „offensichtlich unbegrün<strong>de</strong>ter“Ablehnungsanträge als „unzulässig“ gerügt. So liegt <strong>de</strong>rFall hier nicht. Die Anträge sind nicht etwa als „offensichtlichunbegrün<strong>de</strong>t“, son<strong>de</strong>rn als in Verschleppungsabsicht gestelltals unzulässig zurückgewiesen wor<strong>de</strong>n. Dies ist im Gesetz sovorgesehen (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Dass <strong>de</strong>r Angeschuldigteletztlich dieses Ziel (<strong>de</strong>r Verschleppung) tatsächlich auch verfolgte,ergibt sich aus weiteren Äußerungen im Rahmen <strong>de</strong>rVerhandlung vor <strong>de</strong>m Senat. Ziel <strong>de</strong>r Verhandlungsführung wares offensichtlich, <strong>de</strong>m als unbequem empfun<strong>de</strong>nen Vorsitzen<strong>de</strong>nzu entgehen. Wie <strong>de</strong>r Angeschuldigte selbst erklärte, warihm damals schon bekannt, dass dieser im folgen<strong>de</strong>n Jahr (dieHauptverhandlung fand im Dezember statt) eine große Strafkammerübernehmen sollte.Auch die Erklärung <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n, weitere Befangenheitsanträge,die sich auf bereits ergangene Beschlüsse <strong>de</strong>r Kammerbeziehen – ohne dass das Verfahren seinen Fortgang genommenhat – nicht mehr zu beschei<strong>de</strong>n und die Fortsetzung <strong>de</strong>rHauptverhandlung, ohne <strong>de</strong>n daraufhin gestellten viertenBefangenheitsantrag beschie<strong>de</strong>n zu haben, stellt kein solchesrechtswidriges Verhalten dar, dass <strong>de</strong>r Angeschuldigte die Aussetzung<strong>de</strong>r Hauptverhandlung erzwingen durfte. Wie bereitsdas OLG K. zu Recht ausgeführt hat, fand die Vorgehensweiseihre prozessuale Stütze in § 29 Abs. 2 StPO. Das Gericht durftedie Hauptverhandlung zunächst fortsetzen, ohne über dieBefangenheitsanträge zu befin<strong>de</strong>n. Dies war auch in je<strong>de</strong>mFalle sachgerecht. Zu be<strong>de</strong>nken ist, dass die Zeugen zwischenzeitlichbereits zum dritten Male zu einer Hauptverhandlunggela<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n waren. Auch im Interesse dieser Zeugen warihre sofortige Vernehmung zwingend geboten.Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Rechtfertigunglagen somit nicht vor. Da <strong>de</strong>m Angeschuldigten diese Tatsachenauch allesamt bewusst waren, han<strong>de</strong>lte er auch nicht ineinem Erlaubnistatbestandsirrtum. Sein Verhalten war daherunter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.Er han<strong>de</strong>lte auch schuldhaft. Einetwaiger Verbotsirrtum, § 17StGB, war vermeidbar. Der Angeschuldigteist Fachanwalt fürEtwaiger Verbotsirrtumwar vermeidbarStrafrecht. Er kennt die Regelungen <strong>de</strong>r StPO. Bei einiger Überlegunghätte ihm bewusst sein müssen, dass hier keine Situationvorlag, die sein Vorgehen rechtfertigen könnte. Schwere Verfahrensverstöße<strong>de</strong>s Gerichts lagen ersichtlich nicht vor. Je<strong>de</strong>nfallswaren keine zu erkennen, die es nicht zumutbar erschienen ließen,diese erst mit <strong>de</strong>r Revision geltend zu machen.Auch <strong>de</strong>r Umstand, dass die drei Richter <strong>de</strong>s AnwG <strong>de</strong>n Verbotsirrtum<strong>de</strong>s Angeklagten für unvermeidbar hielten (bzw. seinVerhalten als unvorsätzlich o<strong>de</strong>r gerechtfertigt), kann nicht alsArgument für die Unvermeidbarkeit <strong>de</strong>s Verbotsirrtums herangezogenwer<strong>de</strong>n. Denn diese Wertung beruhte offensichtlichauf einer fehlen<strong>de</strong>n Ausschöpfung <strong>de</strong>s Sachverhalts und aufeiner unzutreffen<strong>de</strong>n Gesamtwürdigung. Eine solche warjedoch für <strong>de</strong>n Angeschuldigten als Fachanwalt für Strafrechtzu erwarten.Der Senat hat als anwaltsgerichtliche Maßnahme auf einenVerweis und eine Geldbuße erkannt. Hierbei hat er zugunsten<strong>de</strong>s Angeschuldigten berücksichtigt, dass er bislang stan<strong>de</strong>srechtlichnoch nicht in Erscheinung getreten ist. An<strong>de</strong>rerseitshan<strong>de</strong>lt es sich jedoch um eine erhebliche Pflichtverletzung.Der Angeschuldigte hat sich vorsätzlich in <strong>de</strong>r Absicht, verfahrensfrem<strong>de</strong>Ziele zu erreichen (Verzögerung <strong>de</strong>s Verfahrens biszum Wechsel <strong>de</strong>s vorsitzen<strong>de</strong>n Richters <strong>de</strong>r Kammer), überRegeln <strong>de</strong>r StPO hinweggesetzt. Ein solches Verhalten inöffentlicher Hauptverhandlung ist geeignet, das Ansehen <strong>de</strong>rAnwaltschaft in beson<strong>de</strong>rem Maße zu schädigen. Die Verhängung<strong>de</strong>r nach begrenztem Vertretungsverbot und Ausschließungdrittschwersten Maßnahme war daher zwingend erfor<strong>de</strong>rlich.Bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Geldbuße ist <strong>de</strong>r Senatdavon ausgegangen, dass <strong>de</strong>r Angeschuldigte nach seinenAngaben in geordneten Einkommens- und Vermögensverhältnissenlebt. Er ist einer von zwei Sozien einer acht Anwälteumfassen<strong>de</strong>n Anwaltskanzlei.Berufshaftpflichtversicherung für einen von <strong>de</strong>r Kanzleipflichtbefreiten RechtsanwaltBRAO §29a,§51*Einem <strong>de</strong>utschen RA, <strong>de</strong>r die gem. § 51 BRAO vorgeschriebeneBerufshaftpflichtversicherung nicht unterhält, ist die Zulassungauch dann zu entziehen, wenn er von seiner Kanzleipflicht inDeutschland befreit ist und eine Kanzlei ausschließlich im Auslan<strong>de</strong>ingerichtet hat.AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.5.2005 – 1 ZU 110/04(n.r.)Volltext unter www.<strong>brak</strong>-<strong>mitteilungen</strong>.<strong>de</strong>