EVA SCHÜRMANN, REZENSION: STEFAN MAJETSCHAK UND WILLIAM J. THOMAS MITCHELLkreditieren ist, würde sich schon innerhalb der analytischen Philosophie begründen lassen, etwawenn Analytiker wie Quine die Fruchtbarkeit und Unvermeidbarkeit dieses Begriffs (v. O. Quine,Willard 1975: 161 ff) anerkennen, und Wittgenstein mit dem Begriff der Familienähnlichkeit ein Alternativkonzeptzu Identität und Differenz anbietet. Umso mehr lässt sich in der hermeneutischenArgumentationslinie damit arbeiten.Aber seit Nelson Goodman in der Absicht, einen abbildlich und naturalistisch verkürzten Bildbegriffzu entkräften, darauf hinwies, dass Ähnlichkeit allenfalls das Explikandum der Theorien picturalerRepräsentation sei, aber sie nicht bereits erkläre, werden Anhänger und Verteidiger nicht müde,ihre einschlägigen Argumente gegen diesen Begriff zu wiederholen. Demnach ist mit Ähnlichkeitschlichtweg weniger erhellt als verdunkelt. Dass Bilder deshalb »überhaupt nichts mit Ähnlichkeitzu tun haben« (Majetschak, Stefan 2003), schüttet das Kind freilich mit dem Bade aus. Bereits <strong>für</strong>die alte Kunst ließe sich zeigen, dass imitatio naturae nicht nur als schlichte Nachahmung der naturanaturata zu verstehen ist, sondern vom Bemühen geleitet ist, die Wirkung der natura naturansauf einen Betrachtenden zu rekreieren.Auch Oliver Scholz wird es nicht leid, gegen den Begriff ›Ähnlichkeit‹ mit analytischen Sprachspielenzu Feld zu ziehen: Wie bereits in seiner Theorie bildhafter Darstellung (Scholz, Oliver R.1991) wird ihm auch in diesem Beitrag (Scholz, Oliver R. 2005: 63-73) Ähnlichkeit zum Formular<strong>für</strong> alle gänzlich unhaltbaren Bildtheorien. Dagegen setzt er einen Begriff des Bildes als einer zwarkonventionalen, aber nicht gänzlich arbiträren Darstellungsform. Wie jemand es mit dem Ähnlichkeitsbegriffhalte, wird ihm zur Gretchenfrage, die über Haltbarkeit oder Unhaltbarkeit einerTheorie im Ganzen entscheidet. Denn jene Leute, die noch immer nicht verstanden hätten, wasScholz seit der ersten Auflage seines Buches 1991 unermüdlich durchexerziert, glaubten zumeistauch, dass Bilder qua Ähnlichkeit in nicht-konventionaler und zugleich nicht-arbiträrer Beziehungzum Dargestellten stünden. Über den Nachweis, dass Bilder hingegen konventionale und arbiträre– wenngleich nicht maximal arbiträre – Zeichen seien, versucht er nun einmal mehr, mit derÄhnlichkeitsthese aufzuräumen. Mindestens <strong>für</strong> den Umgang mit Kunstbildern sind solche Begriffsumfangsanalysenweitgehend fruchtlos. Dass andere Bildtheorien andere Klärungsinteressenwie auch andere Ähnlichkeitskonzepte haben könnten, fällt den Hütern begrifflicher Ordnung nichtein.Wichtiger der Hinweis, dass Bildtheorien die »Verschiedenartigkeit der ›Bildspiele‹« (69) mehr berücksichtigensollten. Als Bildspiele bezeichnete Scholz bereits 1991 analog zu Sprachspielen dieVerwendungskontexte von Bildern, ihre kommunikative Funktion, ihr illustrativer Gebrauch, ihreVerweisungsfunktion im Falle von Hinweisschildern, ihre illokutive Aussagekraft. Diesen Gedankenausführlicher zu erörtern, wäre ergiebiger gewesen als Ähnlichkeit auf einen Begriff sozialer Konstruktionzu reduzieren, der wenig bis gar nicht entwicklungsfähig ist.Man muss indessen weder kultur- und konventionsinvariante Darstellungs- und Wahrnehmungsoptionenannehmen, noch von einer ›objektiven‹ Ähnlichkeit des Gegenstands mit der Darstellungausgehen, um dennoch begründet der Auffassung sein zu können, dass Ähnlichkeit eine <strong>für</strong> Pikturalitätsinnvolle Kategorie ist.IMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 116
EVA SCHÜRMANN, REZENSION: STEFAN MAJETSCHAK UND WILLIAM J. THOMAS MITCHELLKlaus Rehkämper hat Ähnlichkeit schon früh in diesem Sinne verteidigt (Rehkämper, Klaus 2002),auch Bernhard Waldenfels (Waldenfels, Bernhard 2003) oder Martin Seel (Seel, Martin 2000: 277)haben eine Reihe von wichtigen Argumenten da<strong>für</strong> vorgebracht, dass sich der Begriff nicht insgesamtverabschieden lässt. Interessanter noch haben Gert Mattenklott, Michael Pauen und GerdFunk in ihrer Ästhetik des Ähnlichen (Funk, Gerd 2000) entfalten können, welche Anschlussmöglichkeitender Begriff im Gegenteil bietet. Die hier unterbreiteten Vorschläge weisen auf eine weitausgehaltvollere Konzeption des Begriffs hin, als seine Gegner es sich vorzustellen vermögen.Die Herausgeber und Beiträger dieses Bandes entwickeln Ähnlichkeit als eine erschließende Kategorieauch jener Künste, die sich längst vom Mimesisprinzip losgesagt haben, eine Kategorienämlich, jenseits identifizierender Hermeneutik und differenzierender Dekonstruktion. Diese wirdals Aneignung des zu Verstehenden, jene als Überpointierung seiner Andersheit konzeptualisiert.Ähnlichkeit wird dagegen als Vermittlungsbegriff entwickelt, mittels dessen hermeneutische unddekonstruktivistische Vereinseitigungen vermieden werden können. Hier liegen ungleich anregendereÜberlegungen <strong>für</strong> jede Bildtheorie verborgen.Gerd Mattenklott erläutert im Ausgang von Paul Valéry ein Konzept von Ähnlichkeit, demzufolgediese »gleich weit entfernt von imitatio naturae wie von frei imaginierender Produktivität« (Mattenklott,Gert 2000: 182) anzusiedeln sei. Ihre stilbildende Kraft »beruht auf einer Doppelbindungan Gravitation und Transparenz zugleich.« (Mattenklott, Gert 2000: 182) Ähnlichkeit markiert indieser Rekonstruktion also überhaupt keine Eigenschaft von Dingen, sondern eine Form geistigerOperationen, eine ›Funktionsweise der Intelligenz‹ und eine ausbalancierende Tätigkeit, mittelsder eine Beziehung zum Identischen und zum Nichtidentischen aufrecht gehalten werden soll.Demnach wäre Ähnlichkeit kein Prädikat, das der Darstellung als Gegenstand zukäme, sonderneine produktive Verfahrensweise des auslegenden Denkens und Wahrnehmens.Auch die Extensionsüberschneidungen der Begriffe ›Ähnlichkeit‹ und ›Metapher‹ sind erhellend,wie u. a. Wollheim (Vgl. Wollheim, Richard 1991: 17-32) zeigte, als er Metaphern als Modell allesBildlichen entwickelte. Demnach besteht die Leistung des Bildlichen in einer metaphorischen Verähnlichung,durch die eine konventionalisierte Bedeutung in einem neuem Licht erscheinen kann,was dann gar nicht mehr so weit entfernt wäre von Majetschaks Definition des Bildes als eigenständigbestimmender Sichtbarmachung. Auch an Valérys Konzeption der Kunst als metaphorischeBewegung der Verähnlichung des Unähnlichen lässt sich im Rahmen der Metapherntheorienanknüpfen. In all diesen Überlegungen erscheint Ähnlichkeit als eine analogische Verfahrensweise,die mit imitativen Referenzverhältnissen oder illusionistischen Abbildtheorien gar nichts zu tunhat. All das sollte zur Genüge belegen, warum <strong>Bildwissenschaft</strong>ler sinnvollerweise fortfahren, überÄhnlichkeit nachzudenken.Viel Platz räumt der Band auch dem etwas überstrapazierten Streit um die Frage ein, ob Bilder Zeichensind, einem Streit, der oft mehr der forschungspolitischen Profilierung dient, als er der Sacheverpflichtet wäre. Ist die Sache doch eigentlich gar nicht disjunkt: Selbstverständlich können Bilderals Zeichen aufgefasst werden, doch damit ist noch nichts über ihre Besonderheit gegenüberanderen Zeichen gesagt. Bedeutsamer ist vielmehr die nähere Erforschung dessen, wie Phänomenalitätund Zeichenhaftigkeit des Bildes ineinander wirken. Unideologisch betrachtet kann mansich Bildern freilich zeichentheoretisch nähern, ohne deshalb aufzuhören, sie als unersetzbareIMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 117
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