EVA SCHÜRMANN, REZENSION: STEFAN MAJETSCHAK UND WILLIAM J. THOMAS MITCHELLthings people do with them.« (204) Er versucht also das an sich Unvereinbare, nämlich einen gegenständlichenund eine ungegenständlichen Begriff des Mediums, zusammen zu denken. »Mediaare not just materials, but … material practices that involve technologie, skills, traditions, andhabits. […] By medium I mean the whole set of material practices that brings an image togetherwith an object to produce a picture.« (198)<strong>Image</strong>, Objekt und Medium verhalten sich zueinander wie folgt: »If images are life-forms, andobjects are the bodies they animate, then media are the habitats or ecosystems in which picturescome alive.« (198)Das letzte Kapitel ist eine Art Abrechnung mit den visual culture studies, deren Fehlschlüsse undGemeinplätze Mitchell auf das Schärfste entlarvt, nicht jedoch ohne zugleich Alternativen aufzuzeigen.Seine Überlegungen sind <strong>für</strong> die hiesigen <strong>Bildwissenschaft</strong>en interessant, denn auch wenndie Eigenheiten der angloamerikanischen Forschungsgepflogenheiten nur begrenzt auf unsereVerhältnisse übertragbar sind, so wäre doch aus Fehlern zu lernen.Was unter visual culture studies diskutiert wird, ist häufig ein Sammelsurium von Einzelstudien, diesich freilich von einigen gemeinsamen Einsichten leiten lassen. Etwa der, dass Sehen und Sichtbaresin eine Reihe von politisch und soziokulturell bedingten Praktiken eingebunden ist. Oderdie, dass die Visualität einer Kultur sich nicht unter Sprach- und Textförmigkeit subsumieren lässt.Ein weiterer gemeinsamer Nenner liegt im Interesse an den technologischen Entwicklungen vonMedien, die das <strong>für</strong>s bloße Auge Unsichtbare sichtbar machen und mit deren Hilfe herkömmlichhergestellte Bilder simuliert und manipuliert werden können. Dahinter steht die kulturkritische Absicht,die Strategien und machtpolitischen Interessen hinter den Massenmedien zu entlarven. Sountersucht man zum Beispiel die Verwendungskontexte von Bildern, die Milieuvoraussetzungenvon Bild und Betrachtern, die historischen und technischen Veränderungen der Wahrnehmung,die Machtförmigkeit herrschender Wahrnehmungsmuster, die gesellschaftliche Verfasstheit vonWahrnehmungskonventionen und dgl. mehr.Viele Kritiker haben bereits angemerkt, dass zur Etablierung der visual culture studies als akademischerDisziplin genauer bestimmt werden müsse, welche systematische Einheit die Studiensich geben können. 2 So hat James Elkins (Elkins, James 2003) die häufig arbiträr wirkende Vielfaltder unter dem Label visual culture studies versammelten Forschungen kritisiert. Es sei gleichsamzu niedrigschwellig, was alles in diese noch junge Disziplin eingehen könne. Auch der Vorwurf derNivellierung wichtiger Unterschiede, u.a. desjenigen zwischen Nicht-Kunst und Hochkunst, wirddieser Hybridform von Forschungen häufig gemacht. Qualitative Differenzen würden oft gänzlichvernachlässigt.Gegen die gängige Konstruktion dessen, was visual culture sei, bringt Mitchell Gegenthesen vor.Seine Diagnose lautet: »The field has trapped itself inside of a whole set of related assumptionsand commonplaces that, unfortunately, have become the common currency of both those who2 Bereits vor Jahren hat Wolfgang Kemp kritisiert, dass es sich bei visual culture studies um eine subventionierteForschungspolitik handele, die die viel beschworene Interdisziplinarität als Deckmäntelchen <strong>für</strong> ein tatsächlich nurundiszipliniertes Sammelsurium von Einzeluntersuchungen benutze. In: Kunsthistorische Arbeitsblätter 7 (2000), S. 43–48.IMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 124
EVA SCHÜRMANN, REZENSION: STEFAN MAJETSCHAK UND WILLIAM J. THOMAS MITCHELLdefend and attack visual studies as a dangerous supplement to art history and aesthetics.« (346)Um aus diesen Engführungen heraus zu kommen, müsse mehr berücksichtigt werden, dass Visualitätnicht nur aus Sichtbarem, sondern auch aus Unsichtbarem, Übersehenem, Ungesehenem,Unsehbarem besteht: »Visual culture entails a meditation on blindness, the invisible, the unseen,the unseeable, and the overlooked; also on deafness and the visible language of gesture; it alsocompels attention to the tactile, the auditory, the haptic, and the phenomenon of synesthesia.«(343) Außerdem sei die übliche Betonung der sozialen Prägung der Wahrnehmungswelt auch umzukehren:»Visual culture is the visual construction of the social, not just the social construction ofvision.« (343) Seine Überlegungen schließen jedoch nicht, ohne am Ende die Notwendigkeit vonvisual studies als akademischer Disziplin ausdrücklich zu verteidigen.Fazit: Es gibt sie schon längst die praktizierte <strong>Bildwissenschaft</strong>. Besser als die theoretische Forderungdanach kann sie sich praktisch an einer schier unerschöpflichen Fülle an Phänomenenbewähren, die nur darauf warten, originell und kritisch, komparativ und singulär interpretiert unddiskutiert zu werden. So schwierig es offenbar ist, einen allgemeinen Bildbegriff konstitutionslogischzu begründen und kriteriell abzusichern, so gut funktioniert es auf der anderen Seite, mitdurchaus unbestimmten und intuitiven Begriffen des Bildlichen operativ zu verfahren. Die Zukunftder <strong>Bildwissenschaft</strong> wird insofern nicht nur von der Gesprächsbereitschaft und der Lernfähigkeitder beteiligten Disziplinen abhängen, sondern auch von den Talenten, die mit den alten und neuenIkonen umzugehen vermögen.LiteraturAbel, Günter (2005): Zeichen- und Interpretationsphilosophie der Bilder. In: Majetschak 2005:13-29.Belting, Hans (2005): Nieder mit den Bildern. Alle Macht den Zeichen. Eine semiotischeVorgeschichte. In: Majetschak 2005: 31-47.Elkins, James (2003): Visual studies. A skeptical Introduction. New York.Funk, Gerd u.a. (Hrsg.)(2000): Ästhetik des Ähnlichen. Zur Poetik und Kunstphilosophie derModerne. Frankfurt am Main.Köchy, Kristian (2005): Zur Funktion der Bilder in den Biowissenschaften. In: Majetschak 2005:215-239.Majetschak, Stefan (Hrsg.)(2005): Bild-Zeichen. Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild.München 2005.Majetschak, Stefan (2005): Sichtvermerke. Über Unterschiede zwischen Kunst- undGebrauchsbildern. In: Majetschak 2005: 97-122.IMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 125
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