ELIZE BISANZ: ZUM ERKENNTNISPOTENZIAL VON KÜNSTLICHEN BILDSYSTEMEN.voraus: Zuerst ist der Plan da, das Territorium wird auf dessen Grundlage projiziert. Wir könnennoch einen Schritt weiter gehen und proklamieren, dass überhaupt die Konzepte des Plans, derKartierung, des Territoriums keine essentielle Rolle <strong>für</strong> die Gesetzmäßigkeiten der räumlichen Organisationspielen. Der reflexive und der identifikatorische Raum zwischen dem Schema und demTerritorium verschwinden, es bleiben nur noch Koexistenzen.Mit der Simulation verschwindet der repräsentationale Raum. Ihre Logik ist nicht mehr spekularund diskursiv, sondern nuklear und genetisch. In diesem Übergang zur räumlichen Zeichenstrukturverliert Referentialität ihren statischen Charakter. Das Reale der simulierten Welt existiert alseine operationale Erfahrung. Nachahmung und Reproduktion als zentrale Kategorien des rationalkonstruierten Sehens verlieren ihre Effizienz als operationale Ebenen. Diese Dekonstruktion derCartesianischen Welt-Ordnung wird oft als eine kulturelle Irritation empfunden, verursacht durchdie Unterbrechung zwischen dem körperlichen und dem mentalen Ich (Selbst). Das hyperrealeSehen, so Baudrillard, ist von der imaginären Welt getrennt. Sein Ort, sein Territorium ist die Widerholungvon Modellen und die simulierte Produktion von Differenz. Die Frage, die wir uns in diesemZusammenhang stellen sollten, lautet: Welche Auswirkungen haben die zeichenstrukturellen Verschiebungen,das heisst: das Verschwinden der reflexiven Distanz auf die visionäre Eigenschaftunseres Sehvermögens?3. TelepräsensEine weitere strukturelle Veränderung der visuellen Kommunikation wird durch die Telepräsenz verursacht.Die Dichotomie zwischen dem Sender und dem Empfänger ist im Konzept der Telepräsenznicht mehr ausreichend, die multimodale und multidirektionale Natur einer netzwerkartigeninteraktiven Kommunikation zu erklären. Die Bilder in Telepräsenz werden nicht versandt, sondernvermittelt, ohne einen Sender zu haben, der bestimmte Bedeutungen an einen Empfänger sendet.Telepräsenz ist keine dialogische Erfahrung, sondern eine bidirektionale individuelle Erfahrung.Eine wichtige Auswirkung dieses Zustands auf die Entwicklung unserer visuellen Fähigkeiten istzum Beispiel die Unterbrechung des logischen Bezugs zwischen Zeit und Raum. In Telepräsenzwird Zeit zur absoluten Gegenwart, real. Der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten ist nichtmehr eine gerade Linie, wie in der dialogischen Zeit, sondern einfach die reale Zeit. Mit diesertechnischen Veränderung beginnen Orte (locations) ihre Schwerkraft zur territorialen Grenzgebundenheitzu verlieren. Durch die Überwindung der Grenze und die Eliminierung des Abstandszweier Topoi, des eigenen Ortes und des vermittelten Ortes, wird die klassische Bedeutung vonGrenzen obsolet. Diese Veränderung in der Strategie des Kommunikationsaktes wird durch qualitativeVeränderungen der Elemente von Lokalitäten unterstützt.In Telepräsenz bestehen Orte aus Bildern, deren wichtigster Ausdruck die reale Zeit ist. Das Ergebnisist eine Telerealität, die in realer Zeit dem realen Raum von Objekten und Orten vorhergeht.Die Medien der Vermittlung, wie Monitore, Video-Geräte oder Kameras, sind nicht nur Medien derInformationsvermittlung, sondern auch eine Art Prothesen, die stellvertretend <strong>für</strong> das biologischeIMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 74
ELIZE BISANZ: ZUM ERKENNTNISPOTENZIAL VON KÜNSTLICHEN BILDSYSTEMEN.Auge als eine sensorische Oberfläche fungieren, auf der Informationsimpulse der bildhaften Lokalitätvermittelt werden.Die Auswirkungen der digitalen Medien auf unsere Umwelt sind immens. Die kulturelle Erfahrungeines gemeinsamen öffentlichen Raumes wird in Telepräsenz vorrangig durch das öffentliche Bildvermittelt. Bilder in Telepräsenz sind keine klassischen Repräsentationen, sondern sie sind Licht-Bilder, ein Teil der ›gesehenen‹ oder ›durchleuchteten‹ Territorien. Telebilder bestehen aus Teilinformationen,die nicht durch das Auge wahrgenommen werden, sondern durch Gleichungen undFormeln errechnet werden. Insofern werden sie auf dem Prinzip eines immunologischen Systemskonstruiert. Die Veränderungen der Logik des visuellen Bewusstseins – verursacht durch die neuentechnischen Möglichkeiten – gehen mit Veränderungen in der wissenschaftlichen Logik einher. DerAusgangspunkt der permanenten Interaktion zwischen der <strong>Gesellschaft</strong> und der Wissenschaft istunser symbolisches Bewusstsein.Die heutige Anwendung digitaler Bilder als wissenschaftliche Dokumente zeigt eine meta-strukturelleSinnproduktionsschicht, die die digitale Information der post-cartesianischen kulturellenProduktion neu strukturiert. Die Anwendung von Bildern als konstruierte Repräsentationen vonTerritorien impliziert eine fundamentale Neubewertung des visuellen Ichs.4. Die Mars-BilderDie konstruierten Mars-Bilder zeigen das starke Band zwischen Bildern und Wirklichkeitskonstruktionen.Die Bildprozessierung ist zugleich ein Prozess der Erfindung neuer Wirklichkeiten, allerdingsnicht unbedingt durch die externen visuellen Sinne, sondern durch das mentale, geistigeSehen, das die Kompetenzen der Informationsprozessierung mit visionären Simulakren verbindet.Worauf basiert die Legitimität dieser Bilder, territoriale Macht zu repräsentieren?Auf der einfachen technischen Ebene sind die Mars-Bilder zunächst das Produkt der HRSC-Kamera(high resolution stereo camera). Wie eine übliche Kamera liest sie die Daten durch eine Linse,die auf die Mars-Oberfläche gerichtet wird, jedes Mal wenn der Mars-Express den tiefsten Punktseiner elliptischen Laufbahn erreicht hat. Hinter der Linse befindet sich ein komplexes System vonParallel-Sensoren, die empfindlich <strong>für</strong> die Farben rot, grün, blau und Infrarotlicht sind. Die Kameranimmt Informationen von der Mars-Oberfläche durch drei unterschiedlich ausgerichteten Punkteauf: nach vorne, nach unten und rückwärts. Die Informationen werden zur Erde gesandt, wo sieprozessiert und zu einem digitalen Modell konstruiert werden. Die digitale Prozessierung gestaltetdreidimensionale Ansichten, indem unterschiedliche Schattenqualitäten durch unterschiedlicheFarben differenziert werden, die zusammen die Bilder vom Mars komponieren.Die Autoren, Produzenten oder Konstrukteure der Mars-Bilder nennen die Bilder ›echte‹ Bilder.Eine nähere Betrachtung des Echtheitsanspruchs, der ›Richtigkeit‹ oder ›Falschheit‹ der digitalenMars-Bilder verdeutlicht ihre Beschaffenheit und zeigt eine Verschiebung in der Zeichenqualitätder HRSC-Bilder im Vergleich zu mechanischen photographischen Bildern; sie zeigen eine Dis-IMAGE I Ausgabe 4 I 7/2006 75
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