Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
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Mein Einwand dagegen ist die sehr pragmatische Überlegung, dass in pluralistischen und<br />
individualistischen Gesellschaft kein Konsens über das Prinzip des guten Handelns mehr besteht.<br />
So wie sich individuelles Handeln aufgelöst hat in die Erfordernisse der Situation, ist auch<br />
ökonomisches Handeln kontextabhängig. Eine Ethik, die sich auf die Festlegung von Prinzipien des<br />
guten Handelns festnageln ließe, wäre im Keim bereits erstickt. Wie kommt es – das ist meine<br />
kritische Rückfrage an den Kollegen – zu der Entschei-dungsfindung – welche Ziele im<br />
Unternehmen als gut und damit als „ethisch“ gerechtfertigt anzusehen sind?<br />
Vielmehr ist der Begriff der Ethik in Aufnahme der Subjektivitäts- und Handlungstheorien als<br />
Reflexion der Moral zu verstehen, deren Ziel die Übernahme von Verantwortung in konkreten<br />
Handlungssituationen ist. Im Begriff der Ethik, wie ihn der Kollege verwendet, fehlt mir der Aspekt<br />
der Wertorientierung des Handelns. Die Ethik in Bezug auf ökonomisches Handeln lässt sich von<br />
hier aus betrachtet gut ergänzen durch den systemtheoretischen Aspekt der Umwelt des<br />
Unternehmens.<br />
Mit den Eckwerten von „Wertorientierung“ als unternehmensethischem Grundsatz und der<br />
Einbeziehung der sozialen Umwelt von Unternehmen wird jedes Unternehmen zu einem sozialen<br />
Akteur im gesellschaftlichen Feld. 21 Mit dieser Beschreibung der Grundlage der Ethik als<br />
„Wertorientierung“ öffnet sich ein weites Feld normativer Beschreibungen einer<br />
Unternehmenskultur oder Unternehmensphilosophie. Der Begriff des „Wertes“ setzt dabei eine<br />
ethische Normorientierung voraus. Die Wertorientierung des Handelns ist es, die das gute Handeln<br />
des Kaufmanns ausmacht, denn der gute Kaufmann wird so handeln, dass er nicht den Gewinn um<br />
jeden Preis realisiert, sondern ihm geht es um die Zufriedenheit des Kunden und demnach um den<br />
Aspekt der „Nachhaltigkeit“. Damit ist die „Wertschätzung“ von Personen, fairen Tauschprozessen<br />
und Sachen ein wichtiger Bestandteil unternehmens-ethischer Reflexion, die es in jedem<br />
Studiengang als „soziale und ethische Kompetenz“ eigens zu vermitteln gilt. Dadurch wird der<br />
Faktor „Sozialität“ als neuartige Kategorie in die Ökono-mie eingeführt. Das ist an sich nichts<br />
Neues, denn im Mittelalter war die wirtschaftliche Aktivität eingegliedert in den organischen<br />
Zusammenhang der gesamten Gesellschaft. Noch in der frühen Neuzeit hatte die <strong>Wirtschaft</strong> eine<br />
soziale Funktion. Es existierte die Lehre vom „gerechten Preis“ (iustus pretium) und das kirchliche<br />
Zinsverbot entwickelte eine Wirkung in der Gesellschaft. Dies änderte sich erst mit dem<br />
Aufkommen des Utilitarismus, der mit John Stuart Mill theorieprägend wurde.<br />
Ich stimme mit dem Kollegen Günther <strong>Buchholz</strong> deshalb darin überein, dass es primär die<br />
Orientierung an den Stakeholdern ist, die den Referenzrahmen einer Unternehmensethik als den<br />
Prinzipien wertorientierten unternehmerischen Handelns bilden sollte. Aber wer sind diese? Zu den<br />
Stakeholdern gehört dann neben den Interessen des Unternehmens selbst auch das Interesse des<br />
lokalen Gemeinwesens und seiner sozialen und ökonomischen Entwicklung. Es wird eine<br />
wissenschaftliche Aufgabe der Zukunft sein, die sozialen Interaktionsprozesse der Unternehmen mit<br />
ihrer Umwelt genauer zu erforschen. Die neu erschienene Studie der Bertelsmann-Stiftung über<br />
Unternehmen als Sozialpartner bietet hier etliche Anregungen. 22<br />
Vierter Zwischenruf: Mahnung zur Bescheidenheit oder: wider die Erwartungen<br />
Ethik ist nicht das Allheilmittel für die Probleme, deren Wurzeln woanders liegen. Was kann also<br />
die Unternehmensethik bzw. ein wirtschaftsethischer Diskurs im konkreten Dialog zwischen<br />
Unternehmen und Wissenschaft leisten? Der aus der Perspektive des Kollegen der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften benannte Diskurs über Gerechtigkeitsfragen steht natürlich einem<br />
protestantischen Denker durchaus wohl, waren es doch die Aspekte des jüdischen und paulinischen<br />
Gerechtigkeitsbegriffs, die Martin Luther in der Reformation zum Klingen ge-bracht und die dann<br />
in der Französischen Revolution neu aufgegriffen wurden. Ich möchte den Aspekt der Gleichheit,<br />
wie ihn der Kollege in seinen Thesen abschließend reflektiert, aufnehmen: Aus theologischer Sicht<br />
21 So agieren inzwischen die Management-Lehrbücher für den Bereich der NPO’s. Uto Meier/ Bernhard Sill (Hg.),<br />
Zwischen Gewissen und Gewinn. Wertorientierte Personalführung und Organisationsentwicklung, Regensburg 2005.<br />
22 Vgl. Bertelsmann-Stiftung (Hg.), Grenzgänger – Pfadfinder – Arrangeure. Mittlerorganisationen zwischen<br />
Unternehmen und Gemeinwohlorganisationen, Gütersloh 2008.<br />
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