Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Prof. Dr. Friedrich Heckmann,<br />
Sozial- und <strong>Wirtschaft</strong>sethiker, Theologe und Philosoph<br />
Das Handelsblatt – einige von Ihnen werden es lesen und schätzen – bez. die Verlagsgruppe<br />
Handelsblatt GmbH gibt seit Jahren eine wunderbare Reihe von Büchern heraus, die Klassiker der<br />
Nationalökonomie. Dort finden Sie wichtige Schriften zur Entwicklung der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften von Aristoteles und seiner Politeia über Adam Smith28 (An Inquiry<br />
into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776) und Thomas Robert Malthus29 (Essay<br />
on the Principle of Population) bis hin zu Friedrich August von Hayeks Preise und Produktion von<br />
1931. Sie finden jeweils das wieder abgedruckte Originalwerk eines Klassikers und zum anderen<br />
ein Kommentar, wie ich ihn hier zu einem nationalökonomischen Klassiker in der Hand halte.<br />
Erstaunlicherweise hat das Handelsblatt auch diesen Autoren hier, der vor wenigen Tagen 525 Jahre<br />
alt geworden ist, zu den Klassikern der <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften gezählt:<br />
Es ist Martin Luther!<br />
Der evangelische Reformator hat sich in vier berühmten Schriften und Predigten mit ökonomischen<br />
Fragen auseinandergesetzt. In dieser Schrift von 1524 mit „(Von) Kauffshandlung und Wucher“<br />
erklärte und beurteilte er ein zentrales Phänomen der Ökonomie: Den Wert und den Preis beim<br />
Tausch von Gütern, Geld und Dienstleistungen.<br />
Mit Martin Luther betrat nicht der erste <strong>Wirtschaft</strong>sethiker das Feld der <strong>Wirtschaft</strong>sgeschichte –<br />
denn diese Professionsbezeichnung gab es 1524 natürlich noch nicht – und mit Martin Luther betrat<br />
auch nicht der erste Theologe die wirtschaftsethische Bühne und es wird auch nicht der letzte sein,<br />
ich komme darauf zurück.<br />
Luther am Vorabend der Moderne zwischen Mittelalter, Scholastik und Renaissance machte sich<br />
nicht folgenlos Gedanken über die Beurteilung der Ökonomie.<br />
Nach ihm sind viele andere gekommen, die wirtschaftliche Fragen, Fragen der Ökonomie ethisch<br />
reflektieren, die beurteilen wollen, was richtig und was falsch ist - das ist nämlich die ethische<br />
Aufgabe - vor allem in unserer Zeit, einer Zeit, die uns mit einer Fülle von ökonomischen<br />
Problemen bedrängt: die leidige Finanzkrise, die immer kürzer folgenden Zyklen von Aufschwung<br />
und Rezession, sowie Globalisierung, Kurssteigerungen und Kursstürze an den Börsen,<br />
Arbeitslosigkeit, Fusionen und Entlassungen, Umweltprobleme...<br />
Mit Martin Luther habe ich einen wichtigen Strang wirtschaftsethischer Reflektion benannt.<br />
Religiöse, kirchliche und theologische Reflexion wirtschaftlicher Realität und gesellschaftlichen<br />
Umgangs mit der <strong>Wirtschaft</strong> bestimmt bis heute den wissenschaftlichen Diskurs und die öffentliche<br />
28 In seinem wohl berühmtesten Buch entwickelt Adam Smith das erste geschlossene System der Volkswirtschaftslehre.<br />
Auf Smith beziehen sich alle späteren Theoretiker, nehmen Bezug auf seine Thesen, dass es erstens im Menschen einen<br />
natürlich angelegten Ausgleich zwischen Egoismus und Nächstenliebe gibt und dass sich zweitens das <strong>Wirtschaft</strong>s- und<br />
Gesellschaftsleben ohne staatliche Eingriffe selbst reguliert.<br />
29 Wie Adam Smith sich als <strong>Wirtschaft</strong>spolitiker und David Ricardo sich als Wegbereiter des monetären Denkens<br />
ausgezeichnet haben, so liegt der herausragende Beitrag Malthus’ auf dem Gebiet der Sozialwissenschaft. Sein »Essay<br />
on the Principle of Population« entfachte das Interesse und entwickelte Methoden für sozialwissenschaftliche<br />
Untersuchungen. Seine These, die Menschheit verdoppele sich alle fünfundzwanzig Jahre und vermehre sich damit<br />
schneller als die Nahrungsmittel, die für ihre Existenz notwendig seien, war damals nicht zu widerlegen. Malthus war<br />
sich der Bedeutung der von ihm ausgesprochenen Gedanken bewußt - er war überzeugt, die Ursache menschlichen<br />
Elends gefunden zu haben. Seine Forderung, das Anwachsen der Bevölkerung durch Enthaltsamkeit zu stoppen,<br />
schaffte ihm erbitterte Gegner. Dennoch: Sein Buch »darf Anspruch erheben auf einen Platz unter jenen, die den<br />
Fortschritt des Denkens in hohem Maße beeinflußt haben«, schrieb John Maynard Keynes über Malthus’ »Essay«. Und<br />
weiter: »Der Essay ist nicht nur in der Methode apriorisch und philosophisch, sondern er ist im Stil kühn und<br />
rednerisch, mit viel Bravour in Sprache und Gefühl.«<br />
33