Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Günter Buchholz, Ralf Hoburg ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
3. Was wird von <strong>Wirtschaft</strong>sethik erwartet oder befürchtet?<br />
Diejenigen, die an eine wirtschaftsethische Diskussion sowie an die Implementierung praktischer<br />
wirtschaftsethischer Konzepte positive Erwartungen knüpfen, sind im Prinzip der Auffassung, daß<br />
erstens die empirischen Mängel nicht bagatellisiert oder geleugnet werden können und dürfen, daß<br />
zweitens von den deregulierten Märkten keine Besserung zu erwarten sei, und daß es daher drittens<br />
notwendig sei, die Mängel normativ, durch Gesetz und durch eine verbindliche institutionelle Moral<br />
zu korrigieren.<br />
So gilt bekanntlich nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung im Fall Siemens das Anlegen<br />
„Schwarzer Kassen“ in Unternehmen strafrechtlich als Untreue. Und in manchen Unternehmungen<br />
werden unter der Bezeichnung „Corporate Social Responsibility“ moralische Codices diskutiert und<br />
teils auch implementiert.<br />
Es wird dabei klar gesehen, daß es sich um zusätzliche Einschränkungen, Begrenzungen und<br />
Kontrollen von privatwirtschaftlichen Handlungsspielräumen handeln muß, wenn eine praktische<br />
Besserung erreicht werden soll.<br />
Man vergleiche hierzu auch: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) Beilage der Wochenzeitung<br />
„Das Parlament“, das Heft Nr 31/2008; 28. Juli 2008) mit dem Titel „Corporate Citizenship“.<br />
Und eben wegen dieser drohenden Einschränkungen gibt es andererseits diejenigen, die eine<br />
wirtschaftsethische Diskussion ganz zurückweisen (Vgl. Friedman 1970), und zwar entweder mit<br />
dem Argument, es bestehe gar kein Bedarf aufgrund der Selbstregulierungsfähigkeit der<br />
Marktwirtschaft, das ist die Position der Problemverleugner, oder aber, es seien in der<br />
wettbewerbsgetriebenen <strong>Wirtschaft</strong> ohnehin nur solche zusätzlichen Normen durchsetzbar und<br />
zumutbar, die mit den ökonomischen Verwertungsbedingungen verträglich sind. Das ist die Position<br />
derjenigen, die trotz der aufgetretenen Probleme die unbeschränkte Ausschöpfung aller erreichbarer<br />
Nutzungschancen auch gegen eine moralische Kritik und Normierung verteidigen wollen: damit<br />
alles weitergehen kann wie bisher.<br />
Man kann hier erkennen, daß und in welcher Art und Weise gesellschaftliche Interessen – in diesem<br />
Fall an einer schrankenlosen Kapitalverwertung und Einkommenserzielung – die akademische<br />
Diskussion in den <strong>Wirtschaft</strong>s- und Sozialwissenschaften schon vorab prägen.<br />
Diese Präformierung des Denkens durch vorgängige gesellschaftliche Interessen sind für die<br />
Wissenschaft ein höchst problematischer Umstand, der eine ganz besondere Aufmerksamkeit<br />
verdient.<br />
7