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„Feuer & Flamme“ – Tag des Denkmals in Imst<br />
Die RUNDSCHAU im Gespräch mit Univ.-Ass. Mag. Stefan Handle<br />
Am 27. September wird in ganz Österreich der Tag des Denkmals<br />
begangen. Um dem materiellen Kulturerbe als stillen Zeitzeugen<br />
die verdiente Aufmerksamkeit zu bescheren, finden bundesweit<br />
verschiedenste Veranstaltungen statt – in Imst liegt der<br />
Fokus, ganz dem diesjährigen Motto „Feuer & Flamme“ entsprechend,<br />
auf dem Großen Brand von 1822, eine der größten Brandkatastrophen<br />
in der Geschichte Tirols. Um diesem prägenden<br />
Ereignis und seinen Folgen nachzuspüren, werden Führungen zu<br />
ausgewählten Punkten der Stadt unter der fachkundigen Leitung<br />
von Univ.-Ass. Mag. Stefan Handle, selbst Imster, angeboten. Die<br />
rundschAU traf den Historiker, Hausforscher und wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiter an der Fakultät für Archäologien an der<br />
Uni Innsbruck vorab zu einem ausführlichen Gespräch.<br />
Von Manuel Matt<br />
„1822 war die Stunde Null, es<br />
brennt alles komplett nieder – und<br />
alles was danach entsteht, sind<br />
schnell aus dem Boden gestampfte,<br />
nüchterne, billigst hergestellte Zweckbauten.<br />
Das ist praktisch das, was in<br />
vielen Köpfen und auch in der Literatur<br />
herumgeistert.“ Wenn es um Geschichte<br />
geht, leuchten seine Augen<br />
auf – die Leidenschaft für historische<br />
Tatsachen und Bausubstanz kann<br />
Univ.-Ass. Mag. Stefan Handle auf<br />
Parties wohl kaum verbergen.<br />
Schon früh habe er angefangen, alles<br />
an Literatur zu „verschlingen“, was<br />
es damals zum Thema Imster Stadtgeschichte<br />
gegeben hatte, erzählt der<br />
Historiker, der sich selbst als „Fanatiker“<br />
beschreibt. Später habe er dann<br />
begonnen, historisches Bildmaterial<br />
zu sammeln und auch selbst Häuser<br />
vor dem Abriss zu fotografieren – der<br />
einstige Gymnasiast mit ausgeprägtem<br />
Forschungsinteresse ist heute studierter<br />
Historiker und wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter an der Fakultät für Archäologien<br />
an der Universität Innsbruck,<br />
der zudem auch als Gutachter für das<br />
Bundesdenkmalamt tätig ist.<br />
KatAKlysmus. Jeder, der hier<br />
aufgewachsen ist oder eine der Volksschulen<br />
besucht hat, hat davon gehört:<br />
Ein Inferno, wie es das Land<br />
Tirol bis dato nur selten erlebt hatte,<br />
legte die Stadt Imst am 7. und 8. Mai<br />
1822 in Schutt und Asche. Laut dem<br />
damaligen Imster Kreishauptmann<br />
blieben lediglich nur 14 von 220 Häusern<br />
vom Großen Brand verschont,<br />
darunter auch das Haus Dr.-Carl-<br />
Pfeiffenberger-Straße 5 mit seinem<br />
Wandgemälde „Maria mit Kind“, das<br />
erst vor kurzem dank einer aufwendigen<br />
Restaurierung in altem Glanz<br />
erstrahlt. Die danach einsetzenden<br />
Abbruch- und Wiederaufbauarbeiten<br />
prägten das Erscheinungsbild<br />
der Stadt entscheidend mit. Über die<br />
Foto: Thomas Koch-Waldner<br />
Ein brennendes Interesse an Geschichte:<br />
Univ.-Ass. Mag. Stefan Handle<br />
möglichen Gründe für das Entstehen<br />
der Katastrophe gibt der Historiker,<br />
der sich zunächst eigentlich der Theologie<br />
verschrieben hatte, gerne Aufschluss:<br />
„Diese Ursachenforschung<br />
fängt ja schon unmittelbar nach<br />
dem Ereignis an. Man findet dann<br />
relativ schnell heraus, dass es aus Ungeschicklichkeit,<br />
aus Fahrlässigkeit<br />
entstanden ist. Es ist so, dass heiße<br />
Asche auf den Dachböden deponiert<br />
worden ist, die man zum Waschen gebraucht<br />
hatte. Diese wird vom Wind<br />
erfasst und dann kann man sich vorstellen,<br />
was passiert: Das Feuer bricht<br />
oben am Lain aus, in einem Haus, das<br />
heute nicht mehr existiert, das man in<br />
den 90ern abgerissen hatte, und von<br />
dort nimmt dann das Unglück seinen<br />
Lauf…“<br />
Forschung. „Es sind diese<br />
lokalgeschichtlichen Themen, die<br />
mich interessieren – und Imst gibt da<br />
wahnsinnig viel her“, so Handle, der<br />
gleichzeitig die nur wenigen Publikationen<br />
über die Geschichte der Stadt<br />
bedauert: „Es gibt das Stadtbuch<br />
von 1954, das aus den 70er Jahren<br />
und das aus den 90er Jahren. Darüber<br />
hinaus ist nicht wirklich viel an<br />
Peintner goes Peking<br />
Imster Künstler vertritt Österreich im Reich der Mitte<br />
(tamt) Elmar Peintner wurde zum dritten Mal in Folge die Ehre<br />
zuteil, Österreich bei der 6th Beijing International Art Biennale<br />
zu vertreten, und ist somit der einzige Künstler, der dreimal zu<br />
dieser wichtigen Biennale eingeladen wurde.<br />
Eine internationale Jury, darunter<br />
auch Dr. Beate Reifenscheid, Direktorin<br />
des Museums Ludwig, hat die<br />
Arbeiten des renommierten Künstlers<br />
aus Imst für die 6th Beijing International<br />
Art Biennale, wo unter<br />
anderem schon berühmte Kunstschaffende<br />
wie Anselm Kiefer, Tony<br />
Cragg oder Sam Francis vertreten<br />
waren, ausgewählt. Die Ausstellung,<br />
die bisher eine Million Besucher anziehen<br />
konnte und von Medien besonders<br />
wahrgenommen wird, ist ab<br />
24. September im National Art Museum<br />
of China in Peking zu sehen.<br />
Peintner ist in Fernost sowieso seit<br />
langem kein Unbekannter mehr: Zu<br />
dieser siebten Ausstellung in China<br />
kommen noch 29 Ausstellungen in<br />
Japan und einige in Südkorea, Malaysia,<br />
Taiwan und Thailand hinzu<br />
– insgesamt stehen so 354 Ausstellungen<br />
und 21 Preise zu Buche, berichtet<br />
der Ausnahmekünstler.<br />
Stolz zeigt sich Elmar Peintner<br />
auch über seine Einzelausstellung<br />
Forschung passiert. Interessanterweise<br />
ist das auch beim Brand von Imst<br />
so, wo man eben meinen würde,<br />
dass dieses ungemein wichtige Kapitel<br />
die Historiker mehr angelockt<br />
hätte.“ Aufgrund der Erkenntnisse<br />
aus seinen frühen bauhistorischen<br />
Beobachtungen erwachte alsbald der<br />
Wunsch, selbst einen Artikel über<br />
diese zerstörerische Feuersbrunst zu<br />
verfassen. Nach einem Besuch im<br />
Landesarchiv in Innsbruck beschloss<br />
Handle ob der Fülle an Material zu<br />
diesem Thema, den Artikel zu einem<br />
Forschungsprojekt auszubauen. Dieses<br />
ist noch in Arbeit – auch weil er<br />
ein „relativ pedantischer Mensch“<br />
sei, wie der Historiker selbst mit<br />
einem Lächeln zugibt. „Mir liegt dieses<br />
Thema am Herzen, weil mir Imst<br />
am Herzen liegt und weil ich sehe,<br />
das dies ein Thema ist, dass man trotz<br />
seiner Wichtigkeit bisher vernachlässigt<br />
hat.“ Zudem habe es auch aktuelle<br />
städtebauliche Relevanz, da der<br />
Brand „oft als Argument für einen<br />
Abriss verwendet worden ist. Man<br />
hat so argumentiert, dass 1822 sowieso<br />
alles abgebrannt ist, dementsprechend<br />
ist alles eh nichts wert, weil es<br />
billigst gebaut worden ist – das kann<br />
man ja abreißen, ohne Rücksicht darauf<br />
zu nehmen“, skizziert Handle<br />
die Überlegungen, die wohl zu der<br />
großen Abrisswelle beginnend in den<br />
50er Jahren geführt haben. „Das setzt<br />
sich bis in die Gegenwart fort“, so<br />
Handle mit mehr als nur einer Spur<br />
Bedauern. Dieses Argument zu entkräftigen,<br />
sei eine der Hauptintentionen<br />
seiner Arbeit. Er hofft auf eine<br />
Neuinterpretation, ohne aber die Katastrophe<br />
zu relativieren.<br />
Termin in Imst: Auf den<br />
Spuren des Infernos. Wer<br />
sich selbst vom reichen Wissensschatz<br />
und der profunden Erzählkunst des<br />
Geschichtsgelehrten überzeugen<br />
möchte, seien die zweistündigen<br />
Führungen am Tag des Denkmals,<br />
dem 27. September, um 10 und 14<br />
Uhr ans Herz gelegt. Treffpunkt ist<br />
dabei das Haus der Fåsnåcht (Streleweg<br />
6, Imst). Mehr über die bewegte<br />
Geschichte der Stadt Imst erfährt<br />
man auf der Facebookseite Handles:<br />
www.facebook.com/historicalimst<br />
Ein Tiroler Künstler, geschätzt über alle<br />
Grenzen hinweg: Elmar Peintner. <br />
im Innsbrucker Ferdinandeum<br />
vergangenes Jahr: Noch nie zuvor<br />
stürmten so viele Kunstbegeisterte<br />
zu einer Vernissage im Tiroler Landesmuseum.<br />
RUNDSCHAU Seite 20 23./24. September 2015