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Hinz&Kunzt 278 April 2016

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<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>278</strong>/APRIL <strong>2016</strong><br />

Hauptrolle oder Nebenrolle:<br />

Vor jedem Auftritt spricht er in der<br />

GARDEROBE seinen Text.<br />

Doch seine Kindheit endet abrupt: Der<br />

Vater stirbt, da ist er gerade mal elf Jahre<br />

alt. „Das war sehr hart“, sagt er und<br />

schaut auf seine Hände. Hart für die<br />

vier Kinder, hart für ihre Mutter. Sie<br />

baut notgedrungen die Notschlachterei<br />

aus: „Sie hat damit die ganze Familie<br />

ernährt, sie hat richtig schwer gearbeitet,<br />

Schweine verwurstet, Bratwurst<br />

und Leberwurst gekocht, Schinken gepökelt<br />

– bis sie zu alt war. Von uns Kindern<br />

wollte niemand das Geschäft<br />

übernehmen.“<br />

Was neben der körperlich anstrengenden<br />

Arbeit seine Mutter damals besonders<br />

belastet, erfährt er erst später:<br />

Wie es auf dem Land damals üblich<br />

war, hatte sein Vater seine Verkäufe<br />

stets per Handschlag geschlossen. Als er<br />

jetzt gestorben war, seine Frau an seine<br />

Stelle trat, mochte sich mancher seiner<br />

Kunden nicht mehr daran erinnern,<br />

dass er noch die eine und andere Rechnung<br />

zu begleichen hatte. Und beließ es<br />

dabei. „Das waren ganz schöne Summen“,<br />

sagt Josef Ostendorf.<br />

Er selbst wechselt nach der Mittleren<br />

Reife auf die Handelsschule, aber<br />

Kaufmann zu werden, ist dann doch<br />

nicht sein Ziel. Und er geht nach Münster,<br />

das Abitur nachzuholen: „Ich war<br />

ganz neu an der Schule, ging in die<br />

Theater AG, da waren die Ausgeflippten;<br />

die, die einen nicht mal mit der<br />

Zange anfassten, die einen so von oben<br />

herab anschauten: ‚Ja, was will der<br />

denn hier?‘.“ Bis er das erste Mal mitspielt:<br />

„Da fiel denen die Kinnlade runter!<br />

Da war ich auf einmal deren bester<br />

Freund.“ Und er lacht herzhaft auf und<br />

sagt dann wie nebenher: „Ich konnte<br />

das einfach, Theaterspielen. Wobei –<br />

ich muss im Nachhinein sagen, ich habe<br />

als Junge immer mit den Puppen meiner<br />

Schwestern gespielt. Und ich hatte<br />

120 Ritterfiguren und habe draußen<br />

riesige Burgen aufgebaut.“<br />

Von daher vermutet er in sich eine<br />

Art Grundtalent, in Rollen zu schlüpfen.<br />

„Ich habe auch oft rumgekaspert,<br />

auch in der Schule. Also stand in meinem<br />

Zeugnis: ‚Josef stört häufig den<br />

Unterricht‘.“<br />

Nach dem Abitur fängt er zwar an<br />

zu studieren, Philosophie und Archäologie,<br />

Geschichte interessiert ihn bis<br />

48<br />

heute brennend, aber es ist klar, dass die<br />

Bühne sein Berufsfeld werden soll. Und<br />

er macht sich auf, an verschiedenen<br />

Schauspielschulen vorzusprechen: In<br />

Hamburg fällt er durch, ebenso in Berlin.<br />

„In München hätte es fast geklappt,<br />

und in Bochum haben sie mich dann<br />

genommen.“ Besonders die erste Station<br />

– Hamburg – ist ihm sehr in Erinnerung<br />

geblieben: „Ich bekam wie jeder<br />

nach dem Vorsprechen eine Art Formular<br />

überreicht, wo angestrichen wurde,<br />

was man alles nicht kann, und bei mir<br />

war alles angestrichen: keine Ausstrahlung,<br />

kein Talent – und dann der<br />

Schlusssatz: ‚Wir empfehlen ihm, einen<br />

anderen Beruf zu wählen‘.“<br />

Doch man sieht sich immer zwei<br />

Mal im Leben: „Bei meiner ersten Premiere<br />

in Hamburg habe ich Rolf Nagel,<br />

den damaligen Leiter der Schauspielschule,<br />

wiedergetroffen, der mir sehr<br />

freundlich gratulierte. Ich hab ihm natürlich<br />

erzählt, dass ich genau weiß, woher<br />

ich ihn kenne – und er: ‚Nein, das<br />

kann nicht sein!‘“ Und Josef Ostendorf<br />

lacht wieder kraftvoll und herzlich: „Es<br />

wurde ein sehr schönes Gespräch, eine

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