Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fotos: Uwe Arens, Jeri Heiden, Jean-Marc Lubrano, Miguel Reveriego<br />
LEONARD COHEN<br />
Tausend Sänger<br />
für ein „Hallelujah“<br />
Die seltsame Karriere eines Popsongs.<br />
Oder: Den Seinen gibt’s der<br />
Herr im Schlaf. Von Christian Stolberg<br />
Unsere kleine Geschichte beginnt im<br />
Jahre des Herrn 1985. Da veröffentlicht<br />
der Dichter und Songschreiber<br />
Leonard Cohen nach mehrjähriger Pause,<br />
die er sich für die Arbeit an dem Lyrik- und<br />
Prosaband „Book of Mercy“ gegönnt hat, das<br />
Album „Various Positions“. Es bringt ihm<br />
die besten Kritiken seit langem ein, besonders<br />
zwei Songs haben es den Vertretern der Feuilletons angetan: Das<br />
Eröffnungsstück „Dance Me To The End Of Love“ und ein für Cohens<br />
Verhältnisse überraschend hymnisches Stück namens „Hallelujah“.<br />
Dennoch verkauft sich das Werk schleppend, über die eingeschworene<br />
Fangemeinde des Kanadiers hinaus zeigt es kaum Wirkung. Die Pop-<br />
Öffentlichkeit scheint ihn etwas aus den Augen verloren zu haben.<br />
Immerhin: Cohens Duettpartnerin auf dem Album und zeitweilige<br />
Lebensgefährtin Jennifer Warnes bringt zwei Jahre später unter dem<br />
Titel „Famous Blue Raincoat“ ein Tribute-<br />
Werk mit Songs des Meisters heraus, das<br />
besseren Absatz fi ndet und das Cohen’sche<br />
Schaffen auch einer jüngeren Generation<br />
von Popfans wieder ins Bewusstsein rückt.<br />
„Hallelujah“ ist nicht darauf enthalten. Ansonsten<br />
bleibt die Lage ruhig. Zwar nimmt<br />
1992 der Velvet-Underground-Mitgründer<br />
John Cale für ein weiteres Tribute-Album eine bemerkenswerte Version<br />
von „Hallelujah“ auf – aber auch Cale ist eher ein Fall fürs Feuilleton,<br />
große Wellen schlägt seine Bearbeitung nicht.<br />
Cohen ist im Kloster, doch sein Song „arbeitet“<br />
Das sieht zwei Jahre später schon etwas anders aus, als der junge Singer/<br />
Songwriter Jeff Buckley eine ergreifende Fassung von „Hallelujah“ einspielt,<br />
die nicht nur den Hörgewohnheiten der „Alternative“-Generation<br />
bestens entspricht, sondern auch in einem wirkungsvollen Videoclip<br />
Verbreitung fi ndet.<br />
1995 erscheint erneut ein Tribute-Album<br />
zu Ehren Cohens, von einer ganzen Reihe<br />
von Stars besungen. „Hallelujah“ ist berücksichtigt,<br />
interpretiert vom (für religiös<br />
anmutende Themen immer zu begeisternden)<br />
U2-Sänger Bono. Danach ist für fast<br />
ein Jahrzehnt wieder weitgehend Schicht<br />
im Schacht. Zwar kennen nun<br />
nicht mehr nur eingefl eischte<br />
Cohen-Fans „Hallelujah“ , gelegentlich<br />
spielt auch mal ein<br />
Jazzmusiker wie der Trompeter<br />
Chris Botti eine instrumentale<br />
Fassung der anrührenden<br />
Melodie ein, aber auffällig ist<br />
das alles nicht. Leonard Cohen<br />
selbst hat sich derweil in<br />
ein buddhistisches Kloster zurückgezogen,<br />
wo er die nächs- Dem Mann mit Hut / geht’s finanziell<br />
ten Jahre viel meditiert.<br />
wieder gut: Dichter Leonard Cohen<br />
Erst 2004 kommt wieder<br />
Bewegung in die Sache: Mit<br />
k. d. Lang (auf dem Album „Hymns Of The 49th Parallel“, Warner)<br />
und Rufus Wainwright präsentieren zwei hochgehandelte Stars ihre<br />
Lesart von „Hallelujah“ – und mit einem Mal kommt das Stück auf dem<br />
nordamerikanischen Kontinent richtig in Mode. Diverse Künstler aus<br />
der in den USA sehr lebendigen christlichen Musikszene, aber auch<br />
Folk-, Elektronik-, New Age- und Easy-Listening-Acts, ja selbst ein<br />
„Jazz Mandolin Project“ nehmen sich nun des Songs an. Leonard Cohen<br />
kommt der plötzliche Nachfrageschub gelegen – er stellt nämlich etwa<br />
zu dieser Zeit fest, dass er fast pleite ist. Seine langjährige Managerin<br />
und Finanzberaterin Kelley Lynch hat offenbar die regelmäßigen Rückzüge<br />
des Künstlers in die Einsiedelei genutzt, um tief in dessen Kassen<br />
zu langen. Mehr als fünf Millionen Dollar<br />
fehlen, ein langwieriger Rechtsstreit beginnt.<br />
Der 70-jährige Barde rafft sich Anfang 2008<br />
noch einmal zu einer Welttournee auf , um<br />
so die verloren gegangene Altersvorsorge<br />
wieder hereinzuholen.<br />
Der singende Poet könnte<br />
beruhigt schlafen<br />
An Weihnachten 2008 erobert die Sängerin Alexandra Burke mit einer<br />
Soulfassung von „Hallelujah“ Platz Eins der britischen Charts – nun<br />
gibt es auch in Europa kein Halten mehr. Mehr als zwanzig Jahre nach<br />
seiner Entstehung ist Cohens Lied ein veritabler Klassiker, der eine Bearbeitung<br />
nach der anderen erfährt. Auch in Deutschland, wo etwa der<br />
Sänger Björn Casapietra auf dem im März 2010 erscheinenden Album „A<br />
Celtic Prayer“ seine operngeschulte Stimme an der Komposition versucht.<br />
Auch das vorliegende <strong>SONO</strong> ist durchaus ein<br />
Beleg für die immer noch wachsende Popularität<br />
dieses Songjuwels: Nicht nur unsere<br />
Titelheldin Renée Fleming hat auf ihrem<br />
Pop-Album „Dark Hope“ den Song interpretiert,<br />
auch Amanda Jenssen, die wir in der<br />
Rubrik „Neue Gesichter“ vorstellen (siehe<br />
Seite links) hat sich schon daran versucht<br />
– 2007 live im Halbfi nale der schwedischen<br />
John Cale war einer der Casting-Castingshow „Pop Idol“. Leonard<br />
ersten, die „Hallelujah“ Cohen kann derweil sein graugewordenes<br />
sangen, Jeff Buckley, Haupt nächtens in aller Ruhe betten – der<br />
k.d.lang, Björn Casa- Herr gibt es ihm inzwischen tatsächlich im<br />
pietra und Alexandra Schlaf. Denn nicht nur wegen „Hallelujah“,<br />
Burke (v.o.n.u.) folgten sondern auch dank einiger anderer gern gecoverter<br />
Songs rieseln rund um die Uhr leise<br />
die Tantiemen auf sein Konto …<br />
17