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KEITH JARRETT & CHARLIE HADEN<br />
Entspannte Eminenzen<br />
Es kann ernüchternd sein, Musikern beim Älterwerden<br />
zuzuhören. Im Fall von Keith Jarrett und<br />
Charlie Haden aber hat es Charme. Von Ralf Dombrowski<br />
Die Frage ist: Was bleibt und was kann<br />
noch kommen? Im Mai wurde Keith<br />
Jarrett 65 Jahre alt, sein vorangegangenes<br />
Album mit Solo-Konzerten aus Paris<br />
und London hat er bereits „Testament“ genannt.<br />
Um sein Vermächtnis muss sich der<br />
erfolgreichste Jazzpianist unserer Zeit zwar<br />
keine Sorgen machen, zu profund hat er Spuren<br />
in der Geschichte seines Genres hinterlassen.<br />
Trotzdem hat sich Jarrett während der<br />
vergangenen zwei Jahrzehnte vor allem mit<br />
Variationen zu den Themen „Trio“ und „Solo“<br />
beschäftigt und damit den Eindruck erweckt,<br />
als habe er das Interesse an anderen Formen<br />
und Kombinationen verloren. Das mag durchaus<br />
inhaltliche Gründe haben, Gleichmut etwa,<br />
Gelassenheit, vielleicht auch Gewöhnung an<br />
Partner, mit denen man in bewährter Qualität<br />
arbeitet. Denn was soll ein Musiker, der weiß,<br />
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dass er im Prinzip alles spielen kann, noch machen?<br />
Auf eine mögliche Antwort stieß Keith<br />
Jarrett durch Zufall. Anfang 2007 drehte der<br />
Dokumentarfi lmer Reto Caduff ein Portrait<br />
über Charlie Haden. Der Bassist aus Iowa zählt<br />
nicht nur zu den Wegbereitern der jazzenden<br />
Moderne. Er spielte außerdem immer wieder<br />
auch an der Seite von Keith Jarrett, zuletzt<br />
durch das Album „Eyes Of The Heart“ (1976)<br />
auf Platte dokumentiert. So lag es nahe, die<br />
beiden Künstler für eine Filmsequenz zusammen<br />
zu bringen. Im Rahmen der Dreharbeiten<br />
entschlossen sich Haden und Jarrett spontan,<br />
ein paar Stücke anzuspielen und hatten derart<br />
Spaß daran, dass sie ihr Wiedersehen im<br />
Heimstudio des Pianisten im idyllischen Oxford,<br />
New Jersey, fortsetzten.<br />
Und da beide Beteiligte die Zeiten längst<br />
hinter sich hatten, wo sie etwas beweisen<br />
mussten, entwickelten sich diese Tage im März<br />
2007 zu einem entspannten Veteranentreffen,<br />
das mit der Nonchalance der Alleskönner dem<br />
Reiz der Detailarbeit huldigte. „Diese Aufnahme<br />
wurde in meinem kleinen Studio gemacht“,<br />
erinnert sich Keith Jarrett, „deshalb klingt sie<br />
so direkt und unmittelbar. Ich entschied mich<br />
dafür, auf meinem Steinway zu spielen, obwohl<br />
der wirklich nicht in bester Verfassung ist. Aber<br />
ich mag ihn seltsamerweise einfach. Und für<br />
die Ungezwungenheit und dezente Funkyness,<br />
mit der ich diese Musik angehen wollte, ist er<br />
besser geeignet“.<br />
Der Moment als Maßstab<br />
Schon das hat etwas von Understatement. Jarrett,<br />
sonst schwer auf der Bühne zufrieden zu<br />
stellen, wählte die Reduktion der Brillanz, um<br />
unterm Strich mehr Intensität zu erreichen.<br />
Er verzichtete auf den technischen Apparat<br />
zugunsten der Unmittelbarkeit, und Kollege<br />
Haden schloss sich dieser Idee der Zurückhaltung<br />
zugunsten des Wesentlichen an.<br />
„Annähernd drei Jahre haben wir die Bänder<br />
dann unter Verschluss gehalten, uns viel über<br />
sie unterhalten, unsere Songauswahl diskutiert.<br />
Ich wollte nur die Essenz von dem, was<br />
wir hatten, herausdestillieren, Und es dauerte<br />
eine Weile, bis wir nicht mehr auf hippe Soli<br />
Caduff<br />
Die Kamera von Dokumentarfilmer<br />
Reto<br />
Reto Caduff war dabei, als Keith Jarrett<br />
und Charlie Haden in Jarretts Haus vor<br />
drei Jahren miteinander improvisierten Fotostills: